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WM-Aus im Viertelfinale: Tiefschlag für den deutschen Handball
Das DHB-Team scheitert bei der Weltmeisterschaft am eigenen Spiel
Timing ist alles im Sport. Davon erzählten am späten Mittwochabend auch jene Bilder in Oslo, die noch länger nachhallen werden im deutschen Handball. Da ließ sich nach Abpfiff Martim Costa feiern, der nur drei von elf Würfen getroffen hatte. Aber er hatte eben in den letzten Sekunden der Verlängerung den entscheidenden Zweikampf gewonnen und mit seinem Tor zum 31:30-Sieg für Portugal die Deutschen im Viertelfinale aus dem WM-Turnier geworfen.
Auf der anderen Seite wütete ein deutscher Handballprofi, der erneut eine Leistung auf Weltklasseniveau geboten hatte. Torwart Andreas Wolff hatte 21 Würfe der Portugiesen pariert – und damit die Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) überhaupt im Spiel gehalten. Den letzten, verdeckten Wurf von Costa musste er passieren lassen. Damit war der Traum, die erste WM-Medaille seit 2007 zu gewinnen, wieder mal geplatzt.
Andreas Wolff, ehrgeizig wie kaum ein anderer, warf die Tafel, die ihn als »Player of the Match« auswies, später mit Wucht in Richtung Bank, abklatschen ließ er sich von den Kollegen mit versteinerter Miene. Der 33-Jährige hatte schon während der Partie oft über seine Vorderleute gezetert, die Defensive war ihm zu löchrig und zu undiszipliniert. Mit öffentlicher Kritik hielt er sich zurück: »Ich bin frustriert und verärgert, aber ich gebe ihnen nicht die Schuld. Es tut weh, so auszuscheiden. Ich werde jetzt aber nicht über mein Team herziehen.« Er forderte jedoch eine tiefgehende Analyse des Scheiterns. »Wir müssen einiges aufarbeiten. Ich habe meine Gedanken dazu, warum es nicht gereicht hat.«
Eine erneute Debatte über das Coaching von Alfred Gislason läuft in den Medien bereits, ungeachtet der olympischen Silbermedaille, für die der Bundestrainer erst im August noch gefeiert worden war. Man werde dieses Scheitern nun intensiv analysieren und aufarbeiten, betonte der neue DHB-Sportvorstand Ingo Meckes am Morgen nach der Schmach.
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Gislason selbst bekräftigte, seinen bis zur Heim-WM 2027 laufenden Vertrag erfüllen zu wollen. »Warum nicht?«, fragte der 65-Jährige. »Ich mache diesen Job, weil ich Handball liebe, weil ich stolz bin, für Deutschland und mit dieser Mannschaft zu arbeiten. Ich werde endlos weitermachen mit Handball.« Direkt nach der Partie hatte er es abgelehnt, von einem »Rückschlag« zu sprechen. »Wir werden daraus lernen.«
In Wirklichkeit ist Oslo ein Tiefschlag. Lässt sich diese Niederlage doch nicht mit dem Narrativ in Übereinstimmung bringen, das Team bis zum Großevent in zwei Jahren im eigenen Land kontinuierlich weiterzuentwickeln. Die bittere Wahrheit ist, dass die Spielkultur der deutschen Offensive nicht nur den überragenden Dänen krass unterlegen ist, wie das böse 30:40 in der Hauptrunde erneut aufgezeigt hatte. Auch Portugals Rückraum agiert sichtlich moderner. Jungstars wie die Gebrüder Costa oder Salvador Salvador sind agiler, beweglicher und torgefährlicher als die Mehrheit der deutschen Angreifer. »Es hat sich angebahnt, dass wir verlieren würden, oft hat der Gegner die besseren Lösungen gefunden«, meinte Linksaußen Rune Dahmke.
Allenfalls Juri Knorr und Renars Uscins können auf deutscher Seite in dieser Hinsicht mithalten. Beide waren jedoch gehandicapt in das Viertelfinale gegangen. Knorr kam aus einer schweren Erkältung zurück, Uscins hatte in den ersten fünf Spielen nahezu durchspielen müssen, weshalb ihn der Bundestrainer auch in Schutz nahm. Überhaupt sei sein Team nicht so fit angetreten wie noch im olympischen Turnier. Die Vorbereitung sei nicht ausreichend gewesen, führte Gislaslon an.
Mit Kreisläufer Johannes Golla und Julian Köster waren weitere Säulen des deutschen Spiels ebenfalls nicht in allerbester Verfassung. Auch der verletzungsbedingte Ausfall von Sebastian Heymann wirkte sich massiv aus. Andererseits hatte Gislason aber nicht reagiert auf die hohe Belastung seiner Stammkräfte. Jungprofis wie Marko Grigic oder Nils Lichtlein hätten das Stammpersonal schon viel früher entlasten müssen, und nicht erst im unbedeutenden Spiel gegen Tunesien.
Spieltaktisch hat sich das DHB-Team, so sehen es viele Beobachter, nicht weiterentwickelt – obwohl Spieler wie Köster, Knorr, Golla oder Luca Witzke seit vielen Jahren zusammen auflaufen. Die 29. WM war für den deutschen Handball eine vergebene Chance. Und man darf gespannt sein, welche Konsequenzen daraus gezogen werden. Auch hier geht es um das richtige Timing.
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