Demos gegen rechts: Wir sind die Brandmauer!

Linke-Chef van Aken: »Merz hat die Büchse der Pandora geöffnet«

Ein historischer Vergleich, der in den letzten Tagen nicht selten ist.
Ein historischer Vergleich, der in den letzten Tagen nicht selten ist.

Seit die CDU im Bundestag Mehrheiten mit der AfD billigend in Kauf nimmt, reißt der Protest auf der Straße nicht ab. Allein die Zahlen vom Samstag sind beeindruckend. Im ganzen Land haben wohl etwa 350 000 Menschen gegen den Fall der Brandmauer demonstrierten. Von A wie Apolda, wo etwa 3000 Menschen gegen den Bundeskongress der »Jungen Alternative« protestierten, bis Z wie Zwickau, wo etwa 200 Menschen einem Aufruf der SPD zum antifaschistischen Protest folgten. Auch am Sonntag wurde gegen den Tabubruch durch die Union demonstriert. Zur großen »Wir sind die Brandmauer!«-Demonstration in Berlin kamen etwa 200.000 Menschen. »Campact« spricht von 700.000 Menschen, die am gesamten Wochenende demonstriert haben.

Eine der größeren Demonstrationen vom Samstag fand in Köln statt. Am Nachmittag füllte sich der Heumarkt bis auf den letzten Quadratmeter. Viele der Demonstrant*innen hatten Schilder mitgebracht. Ziel vieler Appelle war Friedrich Merz: »Fritz hör auf Mutti!« stand etwa auf einem Schild, dass an Angela Merkels Ablehnung des Merzschen Brandmauerbruchs erinnerte. Ein anderer Demonstrant forderte einen »Abschiebeflug ins Sauerland« für den Kanzlerkandidaten von CDU und CSU. An einem vierbeinigen Demonstranten hing ein Schild »Bei uns kommt das Braune in die Tüte«, ein leerer Kotbeutel schmückte den Demohund außerdem.

Der Demozug, an dem nach Veranstalter*innenangaben 40 000 Menschen teilnahmen, schlängelte sich lange durch die Kölner Innenstadt und über den Rhein, wo auf der Deutzer Werft die Abschlusskundgebung stattfand. Nach kölscher Musik lauschten die Demonstrant*innen Redebeiträgen der Kölner Grünen-Landtagsabgeordneten Berivan Aymaz, die im September Oberbürgermeisterin der Stadt werden will. Aymaz versprach: »Wir werden nicht zulassen, dass dieser Dammbruch zur Normalität wird.« Es dürfe »keine Zusammenarbeit mit Rechtsextremisten« geben, weder im Bundestag, noch in den Landtagen oder den Räten.

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Auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach nahm an der Demonstration teil. In seiner Rede erklärte er, dass er in der vergangenen Woche den »Tiefpunkt meiner Arbeit in 20 Jahren im Bundestag erlebt« habe. Gleichzeitig erklärte er, »wir« würden es nicht zulassen, dass »uns Rechtsextremisten in den Abgrund führen.« Während der Rede des sozialdemokratischen Ministers hielten einige Demonstrant*innen in den vorderen Reihen ein Transparent hoch mit der Forderung, keine weiteren Abschiebungen nach Afghanistan durchzuführen. Lauterbach ging nicht auf die Aufforderung ein.

Den Linke-Spitzenkandidaten Jan van Aken hingegen baten die Demonstrant*innen nach seiner Rede um ein gemeinsames Selfie hinter dem antirassistischen Transparent. Van Aken, der sich auf Wahlkampftour in Nordrhein-Westfalen unter anderem mit Zwischenstationen in Düsseldorf und Aachen befand, sprach bei der Kölner Demonstration über den Zusammenhang von Reichtum und Faschismus und forderte erneut, »Milliardäre abzuschaffen«. Im Gespräch mit dem »nd« nach der Demonstration erklärte der Linke-Vorsitzende, dass er glaube, die vergangene Woche sei ein »Wendepunkt der deutschen Demokratie« gewesen. Er sagte: »Wir werden uns in 10 oder 20 Jahren noch dran erinnern.« Zum ersten Mal seit mehr als 90 Jahren hätten Konservative versucht, Gesetze mit der extremen Rechten durchzubringen. »Wir sehen seit ein paar Jahren, wie sich rassistische Positionen normalisieren. So wie heute auch aus der Mitte über Migranten geredet wird, das wäre vor ein paar Jahren noch undenkbar gewesen. Da verschiebt gerade sich sehr viel und in der letzten Woche hat Friedrich Merz die Büchse der Pandora geöffnet«, erklärte van Aken.

Die aktuellen Demonstrationen bewertet van Aken äußerst positiv. Aber sie reichen aus seiner Sicht nicht aus. »Wir müssen das Problem an der Wurzel bekämpfen. Die neoliberale Kürzungspolitik der letzten Jahre hat den Aufstieg des Faschismus befördert. Wo der Staat sich zurückzieht, dringen die Faschisten vor«, so der Linke-Spitzenkandidat. Angesprochen auf die Menge von jungen Demonstrant*innen, die nach der Demonstration ein Foto mit ihm machen oder kurz reden wollten, holt van Aken aus. Es gäbe ein »großes Bedürfnis« unter jungen Leuten, sich zu organisieren, und die Linke sei gerade »cool«. Vor ein paar Jahren sei das so nicht vorstellbar gewesen. Das Bedürfnis, sich zu organisieren, käme aber auch daher, dass viele der jungen Menschen »Angst vor einer Zukunft, wie sie sich jetzt abzeichnet«, hätten. Jan van Aken glaubt, die Linke könne ein Ort sein, »der Sicherheit geben kann«. In der Partei fänden sich Menschen zusammen, »die etwas verändern wollen und die nicht hinnehmen wollen, wie sich die Dinge gerade entwickeln.« In der Linken werde Zukunft gemacht, »und zwar eine bessere.«

In der nahen Zukunft gibt es, nicht nur für die Linke, erst mal noch viele Gelegenheiten gegen CDU, AfD und den Brandmauerfall zu demonstrieren. An den beiden verbleibenden Wochen vor der Bundestagswahl sind in zahlreichen Städten weitere Demonstrationen geplant.

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