Antifaschistischen Widerstand dauerhaft organisieren

Sebastian Weiermann appelliert, die Großdemos gegen rechts als Auftakt für nachhaltige Organisierung zu nutzen

Anti-AfD-Protest am Samstag in Neu-Isenburg
Anti-AfD-Protest am Samstag in Neu-Isenburg

Wer Heidi Reichinnek nicht kannte, dürfte sie seit der letzten Woche kennen. Im Bundestag schleuderte sie Friedrich Merz entgegen, dass die extreme Rechte mit Widerstand im Parlament, auf der Straße und auch auf den Barrikaden rechnen müsse. Reichinneks Rede wurde millionenfach angeschaut. Im Netz wird ein Bild geteilt, dass sie im Zentrum von Eugène Delacroixs berühmten Gemäldes »Die Freiheit führt das Volk« zeigt. Heidi ist ein Star, und sie ist nicht der einzige bei der Linken. Samstagabend nach der großen Brandmauer-Demo in Köln konnte sich Jan van Aken kaum vor den vielen Wünschen von Demonstrant*innen retten, ein gemeinsames Fotos aufzunehmen. Van Aken glaubt, die Linke sei gerade »cool« und ein Ort, der jungen Menschen Sicherheit geben könne.

Sicherheit und eine positive Vorstellung, wie die Gesellschaft in der Zukunft aussehen soll, können viele Menschen sicherlich gerade gebrauchen. Die Demos gegen den Fall der Brandmauer mobilisieren Hunderttausende Menschen. Nur ihre Perspektive ist unklar. Vor einem Jahr, nach der Recherche über die auf Deportationen hinauslaufenden Pläne der AfD, gingen schon einmal so viele Menschen auf die Straße und setzten ein Zeichen gegen Rassismus. Nachhaltig war das nicht. Die AfD feierte Wahlerfolge und auch bei SPD und Grünen ist eine Politik, die Geflüchtete stigmatisiert und ausgrenzt, en vogue. Koalitionen mit der Merz-CDU schließen beide Parteien nicht aus. Dass es nach der Bundestagswahl mehr Ausgrenzung und mehr »Grenzen dicht«-Politik gibt, ist also mehr als wahrscheinlich. Die Großdemos gegen rechts drohen so zum Strohfeuer zu werden.

Damit das nicht so ist, kommt nun eine große Aufgabe auf die Linke zu. Sie muss ihren aktuellen Mitgliederschub und die Stimmung nutzen und die Menschen nachhaltig organisieren. Dafür muss die Partei mehr als ihre normale Arbeit tun. Sie muss ihre Ressourcen dafür einsetzen, dass diejenigen, die am stärksten von den Rechten angegriffen werden, ihren Schutz erhalten. Sozialsprechstunden, Mietberatung und auch Hilfe beim Gang zur Ausländerbehörde kann die Partei organisieren. Sie kann damit ihre (Neu)Mitglieder abseits vom Haustürwahlkampf aktiv halten und sie kann zeigen, dass sie einen realen Unterschied im Leben der Menschen macht. Das wäre eine sinnvolle Lehre aus dem Stohfeuer, dass die großen Demos im letzten Jahr nur entfachen konnten.

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