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Fall Daniela Klette: »Der deutsche Herbst hat nie aufgehört«
Im Fall des früheren RAF-Mitglieds häufen sich Besuchsverbote und Ordnungsstrafen gegen Unterstützer
»Daniela Klette hatte im Untergrund Kontakt zu Top-Terrorist Christian Klar«, so lautete am Wochenende eine Schlagzeile von »Bild«. Das Boulevardblatt bezog sich auf einen Bericht in der aktuellen Ausgabe des »Spiegel«. Dort wird allerdings wesentlich vorsichtiger formuliert: »Ermittler sind davon überzeugt, dass die Ex-RAF-Terroristin in der Illegalität Kontakt zu einem Kopf der früheren zweiten RAF-Generation hatte.«
Hier wird deutlich, dass es sich um reine Vermutungen handelt, die sich darauf stützen, dass Klar nach seiner Freilassung 2008 in Berlin-Kreuzberg gewohnt hat. In dem Stadtteil wurde am 22. Februar 2024 Daniela Klette verhaftet. Laut den Ermittlungsbehörden lebte Klar zeitweise nur 1,5 Kilometer entfernt von Klettes Wohnung. Es sei »lebensnah« anzunehmen, dass Klar Angaben zu Klettes jüngsten Lebensverhältnissen machen könne, zitiert der »Spiegel« Ermittler.
Daher könnte Klar bald eine Zeugenvorladung von der Polizei bekommen. Nach Klettes Verhaftung haben schon andere ehemalige Mitglieder der linken Stadtguerilla RAF (Rote Armee Fraktion) und langjährige politische Gefangene solche Vorladungen bekommen, unter ihnen Karlheinz Dellwo, Gabriele Rollnick und Günther Sonnenberg.
Die Bremer Krankenschwester Ariane Müller wurde am 25. Oktober vom Bundeskriminalamt über ihre Beziehungen zu Daniela Klette befragt und verweigerte die Aussage. Deshalb sollte sie bis zum 31. Januar ein Ordnungsgeld von 500 Euro zahlen. Müller hat ein Besuchsverbot bei Klette. Im März 2024 wurde die Intensivkrankenschwester und Betriebsrätin am Klinikum Bremen-Mitte nach 50 Jahren Arbeit freigestellt, weil sie als Privatperson eine Solidaritätskundgebung für Kette vor der JVA Vechta angemeldet hatte, wo das mutmaßliche frühere RAF-Mitglied inhaftiert ist.
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Eine in Hamburg lebende Frau, die anonym bleiben will, soll 1000 Euro Ordnungsgeld zahlen, weil sie Aussagen zu Klette verweigerte. Sollte sie nicht zahlen, drohen ihr zehn Tage Beugehaft. Das Solidaritätskomitee für Daniela Klette benennt in einer Pressemitteilung zahlreiche Besuchsverbote. Briefe kämen teilweise erst zwölf Wochen nach dem Absenden an, was eine Kommunikation sehr erschwere.
»Mit den Vorladungen und auch mit den Besuchsverboten sollen Leute abgeschreckt werden, Besuchsanträge zu stellen und Daniela Klette zu schreiben«, moniert das Solidaritätskomitee. Dies kritisiert auch Wolfgang Lettow, der sich im Netzwerk »Freiheit für alle politischen Gefangenen« engagiert: »Wenn Briefe wochenlang brauchen, wenn dann noch Beilagen wie Zeitungsausschnitte oder Flugblätter verboten sind, soll eine politische Auseinandersetzung zwischen drinnen und draußen verhindert werden.«
Lettow fühlt sich durch dieses Vorgehen an die späten 1970er Jahre in der BRD erinnert: Beim damaligen »Deutschen Herbst« seien nicht nur die Rechte der Gefangenen und ihrer Besucher*innen eingeschränkt worden. Linke seien auch verfolgt worden, nur weil sie den Staat kritisierten. »Der Deutsche Herbst hat nie aufgehört«, meint Lettow. Das habe sich nach der Verhaftung von Klette gezeigt.
Mittlerweile regt sich auch Protest dagegen, dass sich mehr als 25 Jahre nach der Auflösung der RAF an den Reflexen von rechter Boulevardpresse und Ermittlungsbehörden wenig geändert hat, wie es heißt. Zum Jahrestag von Klettes Verhaftung rufen Solidaritätsgruppen am 22. Februar zu einer Solidaritätskundgebung auf dem Berliner Oranienplatz auf. Am 15. März ist eine weitere Kundgebung vor der JVA Vechta geplant.
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