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Die gefährliche Dominanz des ewigen Weltmeisters Dänemark
Zum vierten Mal in Folge gewinnen die dänischen Handballer den WM-Titel
Die 29. Handball-Weltmeisterschaft hat viele wunderbare Momente geschaffen, jede Menge tolle Bilder produziert und für große Emotionen gesorgt. In Zagreb, Herning und Oslo hat die Sportart ihre Faszination mit Nachdruck unterstrichen, offenbarte aber zugleich auch die Defizite auf dem Weg zu einer globalen Sportart. Volle Hallen mit großartiger Stimmung gab es immer nur dann, wenn der jeweilige Gastgeber antrat. Die Spiele von Kroatien, Dänemark und Norwegen hatten Zuschauerzahlen im fünfstelligen Bereich, bei den Begegnungen der Gäste waren die Arenen nur selten halbvoll.
Besonders eklatant trat das in Oslo zutage, wo zwei Viertelfinals, ein Halbfinale und am Sonntagabend auch das Endspiel ausgetragen wurde. Die Unity Arena war für diese Begegnungen überdimensioniert, weil die norwegischen Handballer bereits ausgeschieden waren. Dort, wo zu Beginn selbst König Harald V. noch zu Gast war, traf man in der finalen Phase dieses Turniers keinen norwegischen Handballfan mehr. Eine unerwartete Niederlage gegen Brasilien zum Turnierauftakt und eine weitere gegen die Überraschungsmannschaft aus Portugal, die das kleine Finale gegen Frankreich nur knapp mit 34:35 verlor, hatten die norwegische Euphorie weggefegt.
»Das tut dem Handball sicher nicht gut«, meinte Andreas Michelmann, Präsident des Deutschen Handballbundes (DHB) und in zwei Jahren selbst Ausrichter der nächsten WM. »Das müssen wir in Deutschland unbedingt besser machen.« Insofern war es gut, dass zumindest die Dänen und die Kroaten, die fest auf ihre Anhänger bauen können, die Wettkampfstätte auf dem ehemaligen Flughafengelände Fornebu in der Peripherie Oslos am Finaltag fast komplett füllen konnten. Während sich die Fans über die Tristesse am Spielort wunderten, zauberten ihre Handballer ihnen die Begeisterung in die Seele. Niemals zuvor ist eine Mannschaft derart souverän Weltmeister geworden wie die Auswahl Dänemarks. Nach zahlreichen grandiosen Auftritten ließen sie auch im Finale keine Zweifel an ihrer Vormachtstellung aufkommen. Mit 32:26 demontierten sie das Team von Trainer Dagur Sigurdsson, der einst 2016 die deutsche Mannschaft zum Europameistertitel geführt hatte.
»Wir sind derzeit wirklich schwer zu schlagen«, sagte Mathias Gidsel. Der Linkshänder von den Füchsen Berlin ist als »Most valuable Player« und Torschützenkönig des Turniers so etwas wie das Maß der Dinge im Welthandball. »Ich glaube, es ist die beste Nationalmannschaft, die es je im Handball gab. Unfassbar, ein Teil davon zu sein.« Tempo, Kreativität und individuelle Qualität: Das zeichnet die Dänen aus, die als Weltmeister und Olympiasieger zur WM angereist waren und nun den Titel bereits zum vierten Mal in Folge gewinnen konnte. Seit acht Jahren hat das Team in Rot und Weiß kein WM-Spiel mehr verloren und bei diesem Turnier im Schnitt zwölf Tore mehr erzielt als seine jeweiligen Gegner. »Gähnemark« hatte eine Boulevard-Zeitung angesichts der drückenden Überlegenheit der dänischen Handballer getitelt.
An der Seitenlinie steht mit Nikolaj Jacobsen ein Mann, der die Leichtigkeit des Seins vorlebt, dabei aber scharf und nachdrücklich Leistung von seinen Spielern einfordert. Nach Ansprachen von ihm verspürt man beinahe den Drang, aufzustehen und die Welt zu verändern. »So schlimm bin ich doch gar nicht«, sagte Jacobsen, für den es ebenfalls der vierte WM-Triumph in Folge ist und der von seinen Spielern uneingeschränkt geliebt wird. »Nur an der Seitenlinie kann ich einfach nicht anders.«
Während die Dänen also am Sonntagabend in Oslo feierten, war der deutsche Tross schon lange daheim. Für das Team von Alfred Gislason war es eine WM mit Eselsohr. Einmal mehr. Mit Silber war es im Sommer von den Olympischen Spielen zurückgekehrt, als Medaillenkandidat in diese Titelkämpfe gestartet – und letztlich im Viertelfinale gegen Portugal ausgeschieden. Es war das triste Ende einer Dienstreise ohne jeden Glanz.
Dabei hatten die Verbandsoberen nach den Tagen von Paris eine bessere Zukunft ausgerufen, die das deutsche »Jahrzehnt des Handballs« der Nationalmannschaft bescheren sollte. Ein sicherer Halbfinal-Kandidat mit zahlreichen hochbegabten Spielern wie Juri Knorr, Renars Uscins, David Späth, Nils Lichtlein und einigen mehr wollte man sein. Doch müde und angeschlagene Akteure schleppten sich durch eine WM, in der sie weit von der erforderlichen Form entfernt waren. Alles wirkte schwer, selbst die Abwehr – sonst das Prunkstück im deutschen Spiel – geriet windschief.
Wenn das DHB-Team 2027 zur Heim-WM antritt, wird es 20 Jahre her sein, dass eine deutsche Mannschaft eine WM-Medaille gewinnen konnte. Bob Hanning, Manager der Füchse Berlin und seit ein paar Tagen auch neuer Nationalcoach der zweiten WM-Überraschung Italien, brachte es auf den Punkt: »Diese WM war ein Rückschritt.«
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