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Kritik an der Fis: Die alpine Para-Ski-WM »ist eine Farce«

Wie die alpinen Para-Ski-Weltmeisterschaften zum Debakel wurden

  • Lars Becker
  • Lesedauer: 4 Min.
Nur zwei WM-Starts: Auch Anna-Lena Forster kritisiert die Fis hart.
Nur zwei WM-Starts: Auch Anna-Lena Forster kritisiert die Fis hart.

Justus Wolf hatte das Debakel bei den alpinen Para-Ski-Weltmeisterschaften vorhergesagt. »Die Schneesicherheit ist ein großes Problem. Für einen Slalom bekommt man schon irgendwie genügend Schnee her, aber bei der WM sind auch die Speed-Disziplinen im Programm. Und das Ziel der flachen Abfahrt liegt in Maribor auf 250 Metern Höhe«, hatte der Bundestrainer des deutschen Teams im Dezember erklärt.

Nun ist der GAU eingetreten beim Saisonhöhepunkt, der eigentlich am Mittwoch mit der Abfahrt beginnen sollte. Weil der Schnee auf dem Zielhang größtenteils weggeschmolzen ist, wurden sämtliche Speeddisziplinen für die Alpin-Stars mit Behinderung abgesagt – neben der Abfahrt auch der Super-G und die Kombination. Damit fallen sechs von zehn geplanten WM-Entscheidungen für die Frauen und Männer ins Wasser. Lediglich Slalom und Riesenslalom sollen von Sonnabend bis Dienstag stattfinden. Laut Wetterbericht könnte der dafür nötige Teil der Piste tatsächlich halten.

Respektlosigkeit

»Das ist eine Farce, respektlos gegenüber den Teams, die auch hohe Kosten hatten«, schimpft Justus Wolf. Das Desaster sei vorhersehbar gewesen, auch wenn die zuständige Para-Snowsport-Abteilung vom Skiweltverband Fis bis zuletzt behauptet hatte, dass alles planmäßig über die Bühne gehen kann. »Da ist doch nicht plötzlich ein Meter Schnee weggeschmolzen, wir konnten uns das Ganze ja immer an der Webcam anschauen«, so Wolf.

Der deutsche Chefcoach ist wie viele Verantwortliche anderer Nationen stinksauer auf die Fis. »Was soll der Käse? Mir passt die Attitüde überhaupt nicht. Da fehlt die Empathie gegenüber den Athleten und Nationen und teilweise auch das Know-how«, so Wolf. Das WM-Desaster von Maribor hätte nach seiner Meinung mit mehr Unterstützung von der Para-Snowsport-Sparte vermieden werden können: »Die Ausrichter müssen es jetzt ausbaden. Sie haben viel Geld und Mühe investiert, und jetzt heißt es: Außer Spesen nicht viel gewesen.«

Drohungen

Die Verantwortlichen des Weltverbandes sahen das bei der Mannschaftsführer-Sitzung am Mittwoch freilich ganz anders und drohten Kritikern wie Wolf. Doch der will sich nicht mehr den Mund verbieten lassen. Es hat sich über die Jahre zu viel Ärger angestaut in der Para-Alpin-Szene, nicht nur bei ihm. Wolf erinnert sich zum Beispiel an eine WM-Bewerbung mit Garmisch für 2019, die wegen eines Ortes in der Schweiz abgeschmettert wurde. Ein Jahr später sagte der Ausrichter aus finanziellen Gründen die Titelkämpfe ab. Viele der Leute, die für Misserfolge wie diese verantwortlich waren, sind noch heute am Ruder. Daran hat auch nichts geändert, dass nach den Winter-Paralympics 2022 die Schneesport-Experten des Internationalen Paralympischen Komitees als Para-Snowsport-Abteilung in die Fis integriert wurden.

In diesem Winter wurde zudem der Weltcup-Kalender ausgedünnt, die Wettbewerbe im slowenischen Kranjska Gora wurden abgesagt, auch die geplanten Rennen im italienischen Bardonecchia sind gefährdet. »Natürlich ist es nicht einfach, Para-Events zu organisieren. Da reißt sich mangels Geld niemand drum. Aber das noch größere Problem ist, dass das Thema bei der Fis keine Relevanz hat«, meint Wolf. Dem stimmt die viermalige Paralympics-Siegerin Anna-Lena Forster, die in Maribor nun nur noch zwei Goldchancen hat, vollständig zu: »Ich habe auch den Eindruck, dass der Weltverband noch mehr tun könnte. Es wäre vieles machbar, wenn es gewollt wäre.«

Schatten-Dasein

So aber fristen die Skifahrerinnen und Skifahrer im Para-Bereich ein Schatten-Dasein, obwohl die außergewöhnlichen Leistungen im Behindertensport viele Menschen interessieren. Bei den Winter-Paralympics 2022 saßen bei einer Übertragung fast zwei Millionen Menschen vor den Bildschirmen, das wird in gut einem Jahr bei den Paralympics in Mailand und Cortina genauso sein. Ein weiteres Aber kommt von Wolf: »Zwischen den Paralympics ist es extrem schwer für uns.« Das gilt freilich noch viel mehr, wenn die Weltmeisterschaften als großer Saisonhöhepunkt in einer derartigen Farce enden.

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