Lob des Atomkraftwerks: Nie wieder Schattenschlag

Andreas Koristka freut sich schon auf die Vorzüge des Mini-Atomreaktors für jedermann

Eine Zierde der Landschaft: das stillgelegte Kernkraftwerk Brokdorf
Eine Zierde der Landschaft: das stillgelegte Kernkraftwerk Brokdorf

Windräder sind vielerorts verhasst, und das Stimmungsbild in der Bevölkerung ist eindeutig: Die meisten Menschen würden eine atomare Apokalypse mit dreiköpfigen Mutanten dem qualvollen Schattenschlag eines Windrads vorziehen. Das weiß Friedrich Merz’ CDU. Sie fordert im Wahlprogramm, dass sich Deutschland nukleare Optionen zur Stromerzeugung offenhalten soll. Dabei setzt sie auf »Small modular Reactors« – kleine Atomkraftwerkchen, die nicht so klobig daherkommen wie frühere Anlagen.

Dieses kleinteilige technische Konzept wäre besonders praktisch, sollte die CDU weiterhin mit ihrem Nichtkoalitionspartner AfD zusammenarbeiten. Denn Alice Weidel kündigte unlängst an, die »Windmühlen der Schande« abzureißen. Es könnten also schon bald überall dort, wo bisher widerliche Windräder unser geliebtes Deutschland verunzieren, viele kleine hübsche AKW entstehen.

Das wären dann keine Kraftwerke der Schande, sondern Leuchttürme deutscher Ingenieurskunst, die man beim Wandern durchs Vaterland wohlwollend betrachten könnte. Eltern würden ihre Kinder zur Seite nehmen und sagen: »Siehst du, Kai-Kevin-Kasimir, dort, wo jetzt dieser ansehnliche kleine Kühlturm steht, hinter dem die Vögel tot vom Himmel fallen, und dort neben dem Bächlein, das so schön warm ist, weil es von der emsig arbeitenden Anlage beheizt wird, dort standen einst grauenhafte Windräder

Andreas Koristka
Autorenfoto von Andreas Koristka am Donnerstag, den 10. Oktober ...

Andreas Koristka ist Redakteur der Satirezeitschrift »Eulenspiegel«. Für »nd.DieWoche« schreibt er alle zwei Wochen die Kolumne »Betreutes Lesen«. Alle Texte unter dasnd.de/koristka.

Wenn die wirklich niedlichen AKW, die die CDU errichten möchte, ordnungsgemäß funktionieren, haben sie gegenüber Windrädern zudem den großen Vorteil, dass sie sich nicht in der Luft drehen. Und der wenige anfallende Atommüll kann bequem vom Hausmeister in die Restmülltonne entsorgt werden. Das bisschen macht nichts! Das ist höchstens eine Schubkarre pro Jahr oder so. Natürlich sollte man bei dieser Arbeit festes Schuhwerk und einen Helm tragen, aber im Grunde ist eine Fahrt auf der A2 von Magdeburg nach Hannover gefährlicher.

Die ersten Mobiltelefone waren riesig. Heute gibt es sogar Uhren, mit denen man telefonieren kann. Wahrscheinlich wird die Entwicklung bei den AKW ähnlich sein. Irgendwann, wenn die CDU die Technik genügend gefördert hat, werden sie so klein sein, dass man sie zum Campen mitnehmen kann, um Kochplatte und Kofferradio mit Strom zu versorgen. In jeder Taschenlampe wird ein Minireaktor stecken. Geht er kaputt, kauft man im Supermarkt einen neuen.

Natürlich wird dann mehr Atommüll anfallen. Aber wer sagt denn, dass man diesen Müll nicht einfach am Recyclinghof abgeben kann, von dem ihn Elon Musk höchstpersönlich einmal in der Woche abholt, um ihn auf den Mars zu schießen? Genau! Nur technikfeindliche Schwarzmaler sagen so etwas! Leute, mit einem Verlierer-Mindset, die nicht an die Innovationskraft unserer Marktwirtschaft glauben. Alle Menschen hingegen, die noch ein Fünkchen von visionärer Kraft unter ihrer Schädeldecke spüren, sollten bei der Bundestagswahl der Union ihre Stimme geben. Nie wieder Windräder! Nie wieder Schattenschlag!

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -