Studio Babelsberg: Letzte Klappe noch nicht gefallen

Schwere Zeiten für das Filmland Brandenburg und das Studio Babelsberg, aber auch Hoffnung

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 5 Min.
Die Schauspielerinnen Gizem Emre (l.) und Jella Haase in einer Szene des MBB-geförderten Films »Chantal im Märchenland«.
Die Schauspielerinnen Gizem Emre (l.) und Jella Haase in einer Szene des MBB-geförderten Films »Chantal im Märchenland«.

Isabell, gespielt von Nina Hoss, pendelt aus Berlin zu ihren betagten Eltern und lernt dort die alleinerziehende Mutter Anja kennen, verkörpert von Schauspielerin Saskia Rosendahl. Auf dem Lande oft umstrittene Windräder kommen in dem Film »Zikaden« vor – und neben dem ebenfalls behandelten Pflegenotstand ist das ein Grund für den Produzenten Felix von Boehm, »Zikaden« einen »sehr politischen« Streifen zu nennen. »Subtil, sehr leise« verhandele dieser Film von Regisseurin Ina Weisse, was sonst »brachial« auf den Straßen Thema sei. Felix von Boehm meint: »Dieser Film kommt zur richtigen Zeit.« Im Rahmen des diesjährigen Berlinale-Filmfestivals läuft »Zikaden« zwischen dem 15. und dem 22. Februar je zweimal in den Kinos Zoo-Palast und Cubix sowie einmal im Haus der Berliner Festspiele.

»Zikaden« ist eine von 101 Film- und Fernsehproduktionen, die sich im vergangenen Jahr Drehorte im Land Brandenburg gesucht hatten – in diesem Falle konkret in der Stadt Brandenburg/Havel sowie in den Landkreisen Dahme-Spreewald, Potsdam-Mittelmark und Havelland. Der Streifen erhielt finanzielle Förderung durch das Medienboard Berlin-Brandenburg (MBB). Grund genug, den Produzenten Felix von Boehm mit auftreten zu lassen, als MBB-Geschäftsführerin Kirsten Niehuus am Montagmorgen die jüngste Bilanz für das Filmland Brandenburg vorlegt.

Das erste Mal bei so einem Termin in Brandenburgs Landesvertretung in den Berliner Ministergärten mit dabei der neue Wirtschaftsminister Daniel Keller (SPD). Seit zwei Monaten im Amt ist es nicht sein erster öffentlicher Auftritt als Minister und nicht seine erste Pressekonferenz als Politiker, wohl aber seine erste Pressekonferenz als Wirtschaftsminister – und in dieser Hinsicht fällt für Keller die erste Klappe, wie es sein Pressesprecher Robert Dambon filmreif ausdrückt. Als gebürtigem Potsdamer ist Keller das traditionsreiche Studio Babelsberg selbstverständlich ein Begriff. Außerdem ist er seit seiner Ernennung zum Minister bereits zweimal dort gewesen, um sich zu informieren.

Das berühmte Studio und die Filmbranche insgesamt mussten zuletzt schwere Zeiten durchmachen. Betroffen von monatelangen Streiks der Drehbuchautoren und Schauspieler in Hollywood, war der Umsatz des Studios 2023 eingebrochen. Er schmolz in jenem Jahr von 108,7 Millionen auf 21,1 Millionen Euro zusammen. Statt Gewinn erwirtschaftete das Studio Verlust. Auch von einer Verpfändung des Areals war schon die Rede, und es ging die Angst um, es könnten die Immobilien verwertet werden und mit dem Filmemachen nach mehr als 110 Jahren Schluss sein.

Der neue Studio-Chef Jörg Bachmeier, auch erst seit zwei, drei Monaten in dieser Funktion, hält sich am Montag bedeckt, was die aktuelle Lage betrifft. Er antwortet ausweichend auf die Frage, wie viele Wochen oder Monate Studio Babelsberg noch durchhalten könnte, wenn die ersehnten Reformen der deutschen Filmförderung nicht kommen sollten. Immerhin lässt sich Bachmeier die Andeutung abnötigen: »Es geht schon wieder langsam bergauf.«

Die angekündigte Anhebung der Filmförderung von 25 auf 30 Prozent der Produktionskosten sei schon mal ein schönes Geschenk gewesen und gehe in die richtige Richtung, sagt er. Bachmeier wünscht sich noch eine Abschaffung der Obergrenze für die Fördersummen. Zwei Filmförderfonds des Bundes gibt es. Für den einen ist die Anhebung der sogenannte Kappungsgrenze von vier auf fünf Millionen Euro angekündigt worden und für den anderen von 10 Millionen auf 20 Millionen bei Serien und von 2,5 Millionen auf 5 Millionen für Filme. Die auf Bundesebene zuständige Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) erläuterte am 3. Februar: »Dafür haben wir von meiner Seite und mit meinem Haus alles so vorbereitet, dass es von einer neuen Bundesregierung schnell umgesetzt werden kann – und unbedingt auch schnell umgesetzt werden sollte.«

»Wir haben ein paar Drehtage weniger, knapp zehn Prozent, aber wir haben keinen Einbruch.«

Kirsten Niehuus MBB-Geschäftsführerin

»Das muss schnell verabschiedet werden«, sagt Studio-Chef Bachmeier nun. Er zeigt sich zuversichtlich, dass die Reformen kommen – unabhängig vom Ausgang der Bundestagswahl am 23. Februar. Sicherheitshalber fügt der Manager aber hinzu: »Bitte keine Kürzung! Das wäre fatal.« In Großbritannien bewege sich die Förderquote schon auf 50 Prozent zu und in osteuropäischen Filmstudios wie denen in Prag und Budapest seien die Lohnkosten erheblich niedriger. »Da wird einem schwindelig«, gesteht Bachmeier.

Trost spendet Produzent Felix von Boehm. Wenn er ein Angebot von Studio Babelsberg einholt, erscheint ihm die Summe erst einmal hoch. Wenn er aber bedenkt, was alles im Preis inbegriffen sei und wofür anderswo extra zu zahlen wäre, dann schaue es schon etwas anders aus.

Fest steht: Unter den Preissteigerungen, die Verbraucher spüren, wenn sie im Laden einkaufen oder einen Handwerker bestellen, leidet auch die Filmbranche. So sagt es MBB-Geschäftsführerin Niehuus. Sie redet nicht drumherum: 2024 sei »ein schwieriges Jahr, ein Krisenjahr« gewesen. Besonders schlimm sei der Sommer gelaufen, der Herbst dann schon wieder besser. Das Filmland Brandenburg sei allerdings noch vergleichsweise glimpflich davongekommen. »Wir haben ein paar Drehtage weniger, knapp zehn Prozent, aber wir haben keinen Einbruch«, sagt sie. Auf 5000 Drehtage summierten sich die hiesigen Film- und Fernsehproduktionen im vergangenen Jahr. Dass es 101 Produktionen waren, ist ein Rekord.

33 Millionen Euro Fördermittel bewilligte das MBB für Filme und Serien, weitere 4,5 Millionen für Veranstaltungen, die mit der Filmbranche zu tun haben. 12,8 Millionen Kinobesucher schauten sich im vergangenen Jahr Filme an, die vom MBB gefördert wurden, darunter allein 2,5 Millionen die Komödie »Chantal im Märchenland« mit Jella Haase in der Hauptrolle. »Chantal im Märchenland« wurde allerdings nicht in Brandenburg gedreht, sondern auf Schloss Schleißheim in Bayern sowie in Tschechien. Mehr als eine Million Besucher zählten außerdem »Schule der magischen Tiere 3« und »Eine Million Minuten«.

Die Bundesregierung sei die versprochene Reform der Filmförderung bislang schuldig geblieben, bedauert Brandenburgs Wirtschaftsminister Keller. An seinem Bundesland soll diese Reform nicht scheitern, versichert er. Denn das Filmland Brandenburg solle international konkurrenzfähig bleiben beziehungweise wieder werden.

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