Werbung

Biathlon-WM im Alpin-Land Schweiz: »Das Feuer ist entfacht«

Mit den Weltmeisterschaften könnte die Lenzerheide zu einem Mekka werden

  • Lars Becker, Lenzerheide
  • Lesedauer: 5 Min.
Schweizer Biathlon-Familie: Niklas Hartweg läuft in der erweiterten Weltspitze, seine Eltern förderten die WM-Arena Lenzerheide finanziell.
Schweizer Biathlon-Familie: Niklas Hartweg läuft in der erweiterten Weltspitze, seine Eltern förderten die WM-Arena Lenzerheide finanziell.

Es schien, als wollten sie aus Saalbach-Hinterglemm ein klares Signal in die Heimat senden, wer die Nummer 1 ist. Am ersten Wettkampftag der historischen Biathlon-Weltmeisterschaften in der Schweiz rasten beim alpinen Championat in Österreich gleich sechs Eidgenossen in der Team-Kombination auf die Podestplätze eins bis drei. Abfahrts-Weltmeister Franjo von Allmen holte mit Loic Meillard seinen zweiten Titel und unterstrich die Dominanz der Schweizer Männer. In der Lenzerheide landeten die Skijäger des Gastgebers in der Mixed-Staffel zum Auftakt auf Platz sechs. Am Freitag folgte Platz vier im Sprint der Frauen durch Lena Häcki-Groß.

Andere Liga

»Es ist klar, wie da die Schlagzeilen verteilt sind, wenn an einem Ort das Podest voller Schweizer ist und am anderen stehen sie daneben«, meint Philipp Bärtsch, Pressechef der Biathlon-WM mit einem Lächeln – und gibt eine realistische Einschätzung: »Alpin ist die unbestrittene Nummer 1 in der Schweiz, gerade bei solchen Erfolgen. Die spielen noch in einer anderen Liga.« Aber, so fügt er hinzu, auch »seine« Biathlon-WM generiere »extrem viel Interesse« und »riesige Aufmerksamkeit«. »Die Leute haben Lust auf was Anderes und Neues.«

Das zeigt sich an den Zuschauerzahlen. Zum Auftakt war die Tribüne in der Roland-Arena von Lenzerheide mit 7500 Zuschauern fast komplett gefüllt. Insgesamt 55 000 Tickets wurden für die zwölf WM-Entscheidungen bislang verkauft, damit könne man laut Bärtsch den zwölf Millionen Schweizer Franken schweren Haushalt schon ausgeglichen gestalten: »Wir hoffen aber, dass wir am Ende auf 80 000 Zuschauer kommen.« Zur Einordnung: Bei den Titelkämpfen 2023 in Oberhof kamen 152 000 Fans, im Vorjahr im tschechischen Nové Město na Moravě sogar 210 000.

Großer Schritt

»In der Dimension von traditionsreichen Ausrichtern können wir natürlich noch nicht mitspielen, weil wir kein Biathlon-Stammpublikum in der Schweiz haben. Aber die WM ist ein riesengroßer Schritt, um die Sportart zu popularisieren«, so Bärtsch. Zwar gab es 1985 mal eine WM nur für die Frauen in Egg am Etzel, aber die rasante Kombination aus Laufen und Schießen fristete im Alpin-Mekka Schweiz lange ein Schattendasein.

nd.DieWoche – unser wöchentlicher Newsletter

Mit unserem wöchentlichen Newsletter nd.DieWoche schauen Sie auf die wichtigsten Themen der Woche und lesen die Highlights unserer Samstagsausgabe bereits am Freitag. Hier das kostenlose Abo holen.

Dass sich das in den vergangenen Jahrzehnten geändert hat, ist im Wesentlichen nur drei Familien zu verdanken. Einmal den Baselgias, die schon beim Projekt-Start für die Biathlon-Arena in Lenzerheide im Jahr 2006 in vorderster Front dabei waren und sich inzwischen in dritter Generation engagieren. Silvio Baselgia ist Head of Sport der WM. Das sportbegeisterte Ehepaar Michael und Carola Hartweg hat Millionen in die Weiterentwicklung der WM-Arena investiert. Das hat sich nicht nur wegen der Vergabe der Titelkämpfe nach Lenzerheide ausgezahlt: Ihr Sohn Niklas gehört zur erweiterten Weltspitze und stürmte am Mittwoch als Schlussläufer den nach seiner Familie benannten »Hartweg Hill« hinauf.

Drei Schwestern

Den größten sportlichen Beitrag leisteten die drei Gasparin-Schwestern mit Selina an der Spitze: Sie holte die ersten beiden Weltcupsiege und 2014 mit Olympiasilber die bis dato einzige Schweizer Biathlon-Medaille bei einem Großereignis. Bei der WM ist die inzwischen zurückgetretene Selina als Botschafterin engagiert, ihre Schwestern Elisa und Aita sind noch als Aktive dabei. Die »Neue Zürcher Zeitung« widmete der Familiengeschichte der Gasparins in diesen Tagen viel Platz und erinnerte daran, dass um die Jahrtausendwende noch jegliche professionelle Strukturen gefehlten hatten und der Verband vor dem Bankrott gestanden hatte.

»Als Athletin fühlte ich mich ständig, als müsste ich mit nassem Holz Feuer machen. Jetzt ist das Feuer entfacht«, sagt Selina Gasparin. Von Wettbewerben im Nachwuchs über Europameisterschaften und den ersten Weltcup 2023 entwickelte sich das neue Schweizer Biathlon-Mekka Lenzerheide ständig weiter – in der Qualität der Organisation und bei den Zuschauerzahlen.

Gutes Niveau

»Hier ist alles gewachsen und auf einem guten Niveau. Das gilt auch für die Entwicklung der Biathletinnen und Biathleten aus der Schweiz«, lobt auch Felix Bitterling. Der Sportdirektor des Deutschen Skiverbandes hat nur Kleinigkeiten bei der Organisation dieser WM zu bemängeln und fordert Fairness für die Schweizer ein: »Die Traditionsstandorte im Biathlon wie Ruhpolding, Antholz oder Oberhof sind seit 40 Jahren dabei und haben ihr Event jedes Jahr weiterentwickelt. Die Schweizer machen das jetzt seit zehn Jahren und die Kultur für Biathlon muss sich in einem Alpin-Land wie der Schweiz sicher noch weiterentwickeln.«

Sie sind aber zweifellos auf einem guten Weg in der Schweiz, den sie auch weitergehen wollen. »Die WM ist eine perfekte Werbeplattform. Aber man muss das Feuer am Brennen halten, deshalb haben wir unsere Kandidaturen für die Ausrichtung von Weltcups in den kommenden Jahren bereits eingereicht«, berichtet Philipp Bärtsch. Der nationale Verband Swiss Ski setze auch künftig »voll auf Biathlon«. In den Primarschulen des Kantons Graubünden wurde das Projekt »Biathlon 4 U« gestartet, bei dem Kinder eine Lektion dieses Sports mit Lasergewehren erhalten.

Auch von den Fernsehstationen und aus der internationalen Biathlon-Szene habe man wegen der traumhaften Bergszenerie rund um die auf 1400 Metern Höhe gelegenen Strecken viele positive Rückmeldungen erhalten. Das Tourismusziel mit seinen mehr als 20 000 Gästebetten ist bislang vor allem bei Schweizern beliebt. Das könnte sich laut Bärtsch mit dieser Weltmeisterschaft ändern: »München ist nur gute drei Autostunden entfernt, die Gastgeber hoffen nach der WM auf mehr internationalen Besuch.« Immerhin bietet das Skigebiet Lenzerheide Arosa 225 schneesichere Pistenkilometer. Es wäre dann wohl das erste Mal in der Geschichte der Schweiz, dass die große Alpin-Szene einen Impuls aus dem Biathlon-Lager bekommt.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.