Franziska Preuß vor der WM: »Ich muss jetzt nicht zaubern«

Die 30-jährige Biathletin im Gespräch über die Weltmeisterschaften in Lenzerheide und ihre neue Rolle

  • Interview: Lars Becker
  • Lesedauer: 6 Min.
Die Lenzerheide erwartet die besten Biathletinnen und Biathleten der Welt.
Die Lenzerheide erwartet die besten Biathletinnen und Biathleten der Welt.

An diesem Mittwoch beginnen die Weltmeisterschaften. Wann und mit wem waren Sie auf den Strecken in der Lenzerheide, und wie finden Sie die Biathlon-Anlagen dort?

In der Lenzerheide war ich relativ am Anfang der Trainingssaison, Ende Mai, Anfang Juni, für eine gute Woche, begleitet von meinem Papa. Die Anlagen sind echt gut. Ich wollte vorher noch mal da hinfahren, weil wir in Lenzerheide auch wettkampfmäßig noch nicht oft waren. Deshalb war mir die eine Woche Schießen dort auch wichtig. Ich habe mir viele Notizen gemacht und hoffe natürlich, dass ich die jetzt auch anwenden kann.

Sie sind in diesem Winter so stark und stabil wie nie zuvor. Woher kommt das?

Ich denke, durch das Training im ganzen Sommer. Ich glaube, der Game-Changer war jetzt: einfach mal gesund bleiben. Ich weiß, wie mein Körper auf gewisse Sachen reagiert, das versuche ich bestmöglich zu nutzen. Ich sage den Trainern, was mir wichtig ist, was ich erwarte und wie ich mein Training machen will. Im Winter ist es ja schlussendlich so, dass man selber die Startnummer umhat, der Name auf der Ergebnisliste steht und nicht der Name eines Trainers. Man muss da selbst die Verantwortung für sich übernehmen, und das habe ich relativ kompromisslos gemacht.

Wenn Sie die Wahl hätten zwischen einer Einzelmedaille bei der WM oder dem Sieg im Gesamtweltcup am Saisonende, was würden Sie nehmen?

Ich glaube, den Sieg im Gesamtweltcup. Das ist wirklich eine der größten Leistungen, die man erreichen kann. Da zählt nicht nur ein Tag, sondern viele Tage zwischen November und März. Das ist echt cool. Es ist eine Megaleistung, wenn man das gewinnt, Zweiter oder Dritter wird. Natürlich würde ich aber zu einer WM-Einzelmedaille nicht Nein sagen.

Für Sie sind es jetzt die siebten Weltmeisterschaften, aber der erste Start im Gelben Trikot bei den Titelkämpfen. Fühlt sich das anders an und ist das ein besonderer Druck?

Nein, groß anders fühlt es sich nicht an. Natürlich hat man ein bisschen mehr Selbstvertrauen im Gepäck. In diesem Winter habe ich ja doch schon das eine oder andere Mal den Step aufs Podium geschafft. Ich weiß, worauf es ankommt. Ich muss jetzt nicht zaubern, um das zu schaffen. Es ist also eher eine gewisse Gelassenheit.

Interview


Franziska Preuß ist in der Form ihres Lebens und reist als Gesamt­weltcup-Führende zur WM in die Schweiz. Zwei ihrer drei Weltcup-Einzelsiege hat die 30-jährige Wasserburgerin in dieser Saison gefeiert und ist in zehn der 14 Einzel­rennen aufs Podest gelaufen. Jetzt keine Einzelmedaille zu gewinnen, wäre eine »Enttäuschung« für sie.

Wie groß ist Ihre Sehnsucht nach einer weiteren WM-Einzelmedaille?

Natürlich sehr groß. Es ist fast genau zehn Jahre her, als ich das letzte Mal eine Einzelmedaille gewonnen habe. Von dem her wäre es ein cooles Jubiläum. Ich werde versuchen, mit breiter Brust am Start zu stehen. Ich muss schon ehrlich sagen: Gerade nach den letzten Wochen, wo ich fast bei jedem Rennen auf dem Podium war, wäre es natürlich eine Enttäuschung, wenn man das zur WM nicht schafft. Deswegen ist schon das Ziel, eine Einzelmedaille mit nach Hause zu nehmen.

Mit den Erfolgen kommt natürlich auch ein bisschen mehr Aufmerksamkeit. Wie wohl fühlen Sie sich in dieser Rolle im Rampenlicht?

Ja, das ist nicht meine Favoritenrolle, ich stehe nicht so gerne im Mittelpunkt. Aber es gehört halt irgendwie gerade dazu. Ich kann das auch relativ gut ausblenden. Wenn ich daheim bin, dann hat sich für mich nicht wirklich viel verändert im Vergleich zu den letzten Jahren. Da ist immer noch derselbe Mensch, dieselbe Sportlerin.

Sie waren in den vergangenen Wochen eine absolute Bank am Schießstand, die deutschen Männer nicht. Ist mal jemand zu Ihnen gekommen und hat Sie gefragt, wie Sie das eigentlich machen?

Ja, die Männer haben mich schon wegen meines Liegendschießens angesprochen, was ich denn da mache und wie. Bei mir steckt jahrelange Arbeit dahinter. Ich könnte es gar nicht in einem Fazit erklären, was ich da genau mache. Man versucht natürlich, einen Tipp zu geben. Aber es ist ja im Biathlon ja auch nicht so, dass alle Wege gleich sind. Jeder liegt anders im Anschlag und jeder fühlt sich auch anders. Deshalb kann man das auch nicht so pauschal immer sagen: Mach so, dann triffst du.

Wer wird denn von Ihrer Familie bei der WM in Lenzerheide vor Ort sein? Und wie unterstützt Sie Ihr Partner Simon Schempp?

In der ersten Woche sind meine Eltern und meine Tante da und in der zweiten Woche kommt der Simon dann.

Gehen Sie eigentlich auch mal ganz entspannt mit Ihrem Freund laufen? Und wenn ja, wer ist da schneller?

Klar, ab und zu bin ich mal mit Simon unterwegs. Aber jetzt in der Wettkampfpause ist gar nichts zusammen gegangen, da der Simon auch berufstätig ist. Keine Ahnung, wer da schneller ist. Darum geht es auch nicht, wenn man zusammen läuft.

Hatten Sie in der Wettkampfpause vor der WM Kontakt zu Familie und Freunden, oder müssen Sie wegen der Gefahr einer Ansteckung vorsichtig sein?

Ich bin da schon natürlich sehr, sehr vorsichtig. Man hat fast keine Kontakte nach außen. Und wenn ich mich mit der Familie treffe, setze ich einfach eine Maske auf.

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Fällt Ihnen das schwer?

Klar ist es nicht schön, wenn man das immer im Hinterkopf hat. Und wir haben ja doch auch ein paar Kinder in der Familie. Wenn man die nicht so herzen kann, wenn sie aus der Schule kommen, das fällt mir schon schwer. Aber gerade das ist halt Part of the Game. Wenn man da vorne mitspielen mag, dann muss man halt ein bisschen die eigenen Befindlichkeiten zurückstecken. Aktuell weiß man zu 100 Prozent, wofür man es macht. Aber ich freue mich definitiv darauf, wenn das mal egal ist.

Sie hatten ja mal erklärt, dass Sie nach Olympia möglicherweise Ihre Karriere beenden wollen. Dann wäre das jetzt in der Schweiz die letzte Chance auf Medaillen bei einer WM ...

Ich habe jetzt ehrlicherweise noch gar nicht so drüber nachgedacht. Als Sportler ist man immer so im Hier und Jetzt und konzentriert sich auf die aktuelle Aufgabe. Was dann eventuell in ein, zwei Jahren ist oder sich ändert, spielt für mich aktuell gar keine Rolle. Man versucht jeden Tag, einfach das Beste rauszuholen, deshalb ist das kein großes Thema für mich.

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