Unruhe wegen Radikalumbau von US-Behörden

Der Kahlschlag in der US-amerikanischen Verwaltung beschäftigt bereits die Gerichte

  • Michael Donhauser und Nick Kaiser
  • Lesedauer: 5 Min.
Protest gegen Kahlschlag in US-Behörden in Boston
Protest gegen Kahlschlag in US-Behörden in Boston

Mit eisernem Besen kehren der Milliardär Elon Musk und sein Team auf Anordnung von US-Präsident Donald Trump durch den Staatsapparat: Zehntausende Bedienstete müssen von heute auf morgen ihre Schreibtische räumen. Trump will Steuergelder sparen – aber auch illoyale Beamte loswerden. Bei US-Medien melden sich immer mehr Betroffene mit teils skurril anmutenden Beschreibungen, wie die Entlassungen vonstattengingen und welche Auswirkungen diese haben können. Gleichzeitig rollt eine Klagewelle bei Gerichten.

»Niemand weiß, ob er gefeuert ist«

In einem besonders augenfälligen Fall wurden laut einem CNN-Bericht rund 300 Mitarbeiter der US-Atomsicherheitsbehörde NNSA Donnerstagnacht gefeuert. Am Freitag sei allerdings schon begonnen worden, die Entlassungen rückgängig zu machen. Unter Berufung auf anonyme Quellen hieß es weiter, die Verantwortlichen hätten wohl nicht gewusst, welche Aufgaben die entlassenen Mitarbeiter genau hatten.

Die NNSA gehört zum Energieministerium und überwacht den Bestand Tausender Atomwaffen. Sie ist für Wartung und Sicherheit der Sprengköpfe zuständig, beaufsichtigt auch den Bau neuer Nuklearwaffen. Nach einem Bericht des öffentlichen Rundfunks NPR ist die Behörde auch damit befasst, Terroristen und sogenannte Schurkenstaaten daran zu hindern, sich waffenfähiges Plutonium oder Uran zu beschaffen.

Das Team von Tesla-Gründer Musk mit der Bezeichnung Doge (Department of Government Efficiency) durchforstet gerade eine US-Behörde nach der anderen. Präsident Trump hatte Musk damit beauftragt, die Regierungsausgaben auf den Prüfstand zu stellen und zu kürzen. Beide behaupten ohne Beweise, dass außer milliardenschwerer Geldverschwendung auch Betrug offengelegt worden sei.

Verheerende Folgen

Selbst vor dem Militär machen Trump und Musk nicht halt. Die Opposition schäumt. »Mr. Musk, dies ist kein Tech-Start-up«, sagt der demokratische Senator Chuck Schumer. Musk habe keinerlei Berechtigung, Staatsdiener zu feuern. Doch die Opposition erscheint bisher eher machtlos.

Musks Leute, laut Trumps Beschreibung »Genies in Unterhemden«, gehen rigoros vor: Die Kündigungen kommen ohne Fristen; allein am Freitagnachmittag wurden laut »Washington Post« in der Umweltbehörde EPA 388 Menschen gefeuert. Eine Alleinerziehende erzählte, wie ihre Kündigung abends um 22.30 Uhr per E-Mail hereinflatterte. Eine Frau aus dem Wohnungsbauministerium erzählte, wie sie am Freitag zur Toilette ging – als sie zum Schreibtisch zurückkam, waren ihre Zugänge gelöscht.

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Musks Vorgehen führte unter anderem zu einer Schließung großer Bereiche der Entwicklungshilfe-Behörde USAID – mit verheerenden Auswirkungen für notleidende Menschen in Entwicklungsländern. Von der Hungerhilfe in Afrika bis zum Wiederaufbau der Ukraine fehlen durch den De-facto-Wegfall des größten Geberlandes in der internationalen Gemeinschaft plötzlich Geld, Personal und Know-how. Auch die katholische Bischofskonferenz der USA musste 50 Stellen streichen, weil staatliche Subventionen ausbleiben, wie die »New York Times« berichtet.

Erst vor wenigen Tagen hatte es eine Direktive aus dem Weißen Haus gegeben, wonach alle Bediensteten mit Zeitverträgen und in Probezeit entlassen werden sollen. Das könnte bis zu 200 000 Menschen betreffen; wie viele davon tatsächlich bereits gefeuert sind, ist derzeit nicht klar.

Goldener Handschlag für 75 000

Einer Berechnung der »Washington Post« zufolge könnten allein dieser Maßnahme bereits 14 000 Bedienstete zum Opfer gefallen sein. Gesichert ist lediglich – laut Weißem Haus – die Zahl von insgesamt 75 000 Staatsdienern, die im Zuge eines Buy-out-Programmes freiwillig ihre Jobs aufgeben und dafür eine Abfindung mitnehmen.

Die Berichte lassen auch einen Blick auf das augenscheinliche Chaos zu, das in den US-Behörden gegenwärtig herrscht. Angekündigte Kündigungsschreiben kamen NPR zufolge nur bei manchen an. »Niemand weiß, ob er gefeuert ist oder nicht«, zitierte der Sender einen anonymen NNSA-Mitarbeiter. Am Freitag seien die Entlassungen unter anderem wegen des entstandenen Chaos ausgesetzt worden.

Das Spektrum der Entlassungen umfasst spektakuläre und weniger spektakuläre Fälle. Der »Washington Post« zufolge wurden etwa Hunderte Menschen einer Behörde des Energieministeriums entlassen, die Stromrechnungen bearbeiten. Im Finanzministerium sollen 9000 Menschen gehen, die Steuern kassieren. Und im Gebirgsbundesstaat Wyoming sei ein Mann gefeuert worden, der darauf achtete, dass Bergsteiger nur mit geeigneter Ausrüstung in die Wildnis aufbrechen.

Klagewelle rollt

Warum Trump das alles macht? »Der Präsident hat klargemacht, dass er das Versprechen, unsere Regierung für das amerikanische Volk effizienter und produktiver zu machen, einlösen will«, sagte Sprecherin Karoline Leavitt.

Trump war einst mit dem Credo »Jobs, Jobs, Jobs« angetreten, allerdings auch mit dem Versprechen, die öffentliche Verwaltung zu verkleinern. Kritiker bezweifeln allerdings, dass sich das Ganze finanziell lohnt. Eine Einsparung des Personals um ein Viertel würde die gesamten öffentlichen Ausgaben nur um ein Prozent senken, errechnete die »Washington Post«.

Ob die Maßnahmen vor Gericht standhalten, ist unklar. Arbeitsrecht, Bürgerrechte, Verwaltungsrecht, Datenschutz könnten berührt sein. In mindestens zwölf Fällen haben Richter Trump teilweise und vorübergehend einen Riegel vorgeschoben. Abschließende Entscheidungen stehen aus; einige der Verfahren werden Rechtsexperten zufolge vor dem Supreme Court, dem höchsten US-Gericht, landen. Das hat Trump schon in seiner ersten Amtszeit mit Richtern besetzen können, auf deren Urteil er glaubt sich verlassen zu können. dpa/nd

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