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Bürokratieabbau: Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser

Brandenburgs Wirtschaft im Krisenmodus, der Abwärtstrend aber noch nicht dramatisch

  • Matthias Krauß
  • Lesedauer: 3 Min.
Frisch geformte Glasflaschen von der Ardagh Glass GmbH. Die Produktion hier steht vor dem Aus.
Frisch geformte Glasflaschen von der Ardagh Glass GmbH. Die Produktion hier steht vor dem Aus.

Als ein Hemmnis für die Wirtschaft können sich aus Sicht des Brandenburger Wirtschaftsministers Daniel Keller (SPD) Anweisungen des Landesrechnungshofes erweisen. Vor dem brandenburgischen Wirtschaftsforum sagte Keller am Montag, nach Prüfungen des Rechnungshofs seien staatliche Anforderungen an die Betriebe oft »drei bis vier Seiten länger«. Zum Stichwort Bürokratieabbau kündigte Keller an, die oft als drückend empfundenen »Berichtspflichten« reduzieren zu wollen und »wenn möglich abzuschaffen«. Statt eine Kontrollpflicht immer mehr zu verdichten, sei es angezeigt, »mehr Vertrauen« in die Unternehmen zu zeigen.

»Ostdeutsche Interessen fallen herunter, wenn wir nicht aufpassen«, sagte Keller den Unternehmern. Zwei Tage später, am Mittwoch im Wirtschaftsausschuss des Landtags, sagte Keller: Wenn westdeutsche Firmen Sparmaßnahmen ergreifen, dann nicht selten zum besonderen Nachteil ihrer ostdeutschen Standorte. Der Minister schilderte die Lage im Glaswerk von Drebkau. Die Ardagh Glass GmbH wolle diesen Standort aufgeben und habe das mit gesunkener Nachfrage nach Behälterglas begründet. Daher bestehe auch kein Interesse der GmbH an Hilfe des Landes, den Standort zu erhalten. Dies sei kein Einzelfall, sagte Keller. Einmal mehr erweise sich als Nachteil, dass zu wenig Firmen ihren Hauptsitz im Osten haben.

Die sich eintrübende wirtschaftliche Lage sei statistisch ablesbar, sagte Keller. Es handele sich nicht einfach nur um eine konjunkturelle Delle, zunehmend verschlechterten sich die Rahmenbedingungen. Ein Problem seien die hohen Energiepreise. Vor allem Branchen, die viel Energie verbrauchen, halten sich deswegen mit Investitionen vermehrt zurück, so Keller.

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Nach zwei Jahren überdurchschnittlichen Wirtschaftswachstums habe Brandenburgs Wirtschaftsleistung im ersten Halbjahr 2024 ein Minus von 0,4 Prozent aufgewiesen. Die Zahl der Insolvenzen habe im vergangenen Jahr um 17 Prozent über der des Vorjahrs gelegen und eine Vielzahl von Branchen betroffen. Im verarbeitenden Gewerbe seien 35 Insolvenzen registriert worden, was eine Zunahme um 65 Prozent bedeute.

Die Arbeitslosenzahlen seien von ihrem Tiefststand im Jahr 2022 – damals waren 74 200 erwerbslos gemeldet – auf aktuell etwa 88 000 gestiegen. Die Arbeitslosenquote stieg von 5,6 auf 6,2 Prozent. Mit 0,2 leicht gesunken sei die Zahl der versicherungspflichtig Beschäftigten.

Insgesamt erweise sich Brandenburg mit seinen Wirtschaftsdaten aber derzeit als »robust« und hebe sich positiv gegenüber anderen ostdeutschen Ländern ab. Einerseits gebe es zunehmend das Bestreben, Personal zu reduzieren, andererseits auch einen Fachkräftemangel.

»Eine wirtschaftliche Konsolidierung findet nicht in Deutschland statt, sondern in Russland«, sagte die Landtagsabgeordnete Saskia Ludwig (CDU). »Das kann nicht unser Ziel sein.«

Dass die wegen des Ukrainekriegs verhängten Sanktionen Russland gar nicht schagen, dagegen aber Deutschland, sagen Politiker von BSW und Linke.

Minister Keller bezeichnete einen staatlich gestützten Industriestrompreis als dringende kurzfristige Maßnahme, um Wertschöpfung im Lande zu halten. »Sonst werden wir ein Stück weit Deindustrialisierung erleben.« Es sei kein Geheimnis, dass der Industriestrompreis dieses Kriterium derzeit nicht erfülle. Am Ende aber wäge jeder Unternehmer das Risiko ab. Er investiere nicht der Subventionen wegen, sondern wenn seine Produkte gut und wettbewerbsfähig seien.

Die Oppositionsfraktionen CDU und AfD erklärten im Ausschuss, dass der Ausbau von Windkraft- und Solaranlagen in Brandenburg zu einer exorbitanten Erhöhung der Stromkosten geführt habe. Keller konterte, die dafür verantwortliche Bundesnetzagentur erhebe seit Januar korrigierte Netzentgelte, die die erneuerbaren Energien nicht länger so stark benachteiligen. Eine vierköpfige Familie könne sich deshalb auf eine jährliche Ersparnis zwischen 120 und 180 Euro beim Strompreis freuen.

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