Beschwerde gegen Otto-Konzern

Entlassene einer ehemaligen Textilfabrik in Thailand kämpfen um Auszahlung ihrer Löhne

  • Thomas Berger
  • Lesedauer: 4 Min.
In der Textilbranche gibt es nach wie vor Missstände.
In der Textilbranche gibt es nach wie vor Missstände.

Das deutsche Lieferkettengesetz von 2023 und ähnliche Vorgaben auf EU-Ebene waren zuletzt auch im Wahlkampf ein heißes Eisen. Parteien wie AfD und CDU wollen diesen Fortschritt im Kampf um Konzernverantwortung entweder abschaffen oder verwässern. Wie nötig solche Regularien in der globalisierten Wirtschaft mit Produktion in Billiglohnländern sind, zeigt ein Beispiel aus dem Nordwesten Thailands: Die Textilfabrik Royal Knitting im Städtchen Mae Sot nahe der Grenze zu Myanmar stellte im April 2020 während der Covid-Pandemie den Betrieb ein. 209 Beschäftigte, überwiegend Frauen aus dem Nachbarland, verloren ihre Jobs. Um ausstehende Lohnzahlungen und Abfindungen im Umfang von einer Million US-Dollar kämpfen sie bis zum heutigen Tag.

Die Hamburger Otto Group war offenbar einer der Hauptabnehmer der Waren. Der Handelskonzern streitet indes jegliche Verantwortung ab und behauptet, dass die Kleidung zum Zeitpunkt der Entlassungen nicht von der Royal Knitting Factory gekommen sei, denn man habe die Geschäftsbeziehung 2017 beendet. Die Betroffenen hingegen haben Etiketten, Packlisten und Arbeitsanweisungen aus der Zeit bis 2020 gesammelt, die das Gegenteil belegen sollen.

»Die Schließung der Fabrik hat uns in eine tiefe Krise gestürzt.«

Ein Sprecher der Betroffenen

»Heute früh um 9 Uhr haben wir die Beschwerde gegen Otto beim BAFA eingereicht«, informierte Simon Simanovski, ein auf Wirtschaft und Menschenrechte spezialisierter Anwalt, am Donnerstag bei einem Webinar der Kampagne für Saubere Kleidung (CCC). Darin wird argumentiert, dass Otto es bis heute versäumt habe, Abhilfe zu schaffen im Sinne der Beschäftigten. Das mache deutlich, dass das Unternehmen seine Menschenrechtsverpflichtungen gemäß dem deutschen Lieferkettengesetz nicht erfüllt habe. Hinter dem Kürzel BAFA steht das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, das zuständig für Beschwerden rund um das Lieferkettengesetz ist. Die CCC, ein Bündnis internationaler Nichtregierungsorganisationen, setzt sich seit Jahren mit Nachdruck für die Einhaltung grundlegender Rechte in der Textilproduktion ein und konnte mit lokalen Verbesserungen in Bangladesch nach dem Einsturz der Rana-Plaza-Fabrik 2013 mit 1135 Toten und über 2000 Verletzten schon einige Erfolge feiern.

»Die Schließung der Fabrik hat uns in eine tiefe Krise gestürzt«, erzählt ein Sprecher der Gruppe von Betroffenen aus Thailand, der aus Sorge um seine Sicherheit anonym bleiben möchte. »Ohne gesichertes Einkommen ist es schwer, über die Runden zu kommen und unsere Familien zu ernähren. Schon länger schlagen wir uns mit nur zwei Mahlzeiten am Tag durch, haben Kredite aufnehmen müssen.« Einen neuen Job zu finden, sei schwierig, 51 Personen seien noch immer ohne Arbeitsstelle. »Ein paar sind zurückgegangen nach Myanmar.« Dabei ist das bitterarme Land von einer brutalen Militärjunta, von Bürgerkrieg in vielen Regionen und dem schleichenden Zusammenbruch staatlicher Ordnung geplagt. Lediglich 38 Entlassenen sei es gelungen, irgendwelche Anstellungen zu finden – »aber nichts Festes«, eher Tätigkeiten auf Tagelöhnerbasis mit weit weniger Lohn als in der Fabrik. »Wir wollen entschädigt werden und unser Recht durchsetzen, wie es uns zusteht«, so der Sprecher weiter. Nur einer der ehemaligen Fabrikbesitzer hat etwas gezahlt, was lediglich sechs Prozent der Gesamtsumme ausmacht. Die übrigen seien flüchtig.

Dabei hatte ein thailändisches Gericht die Ansprüche der Entlassenen für rechtens erklärt – effektiv durchgesetzt wurde das Urteil aber nicht, beklagt auch ein Vertreter der Graswurzelbewegung MAP Foundation, die sich für die Rechte von Migranten aus Myanmar in Thailand einsetzt. Gerade im Großraum um Mae Sot gebe es »einen Überschuss an ausbeutbaren Arbeitskräften, und die Unternehmen wissen das«, fügt er an. So sei es Migranten verboten, Gewerkschaften zu gründen.

»Es sind Geschichten wie diese, die mich sauer machen und die zeigen, wie sehr wir Regulierungsvorschriften brauchen«, unterstreicht die deutsche EU-Abgeordnete Anna Cavazzini (Grüne). Sie hat für das europäische Lieferkettengesetz gestritten, das beschlossen wurde, aber noch nicht in Kraft getreten ist. Obwohl im Detail noch lückenhaft, gebe es aber in Deutschland bereits eine Handhabe. »Und es gibt so viele ähnliche Fälle«, merkt sie an.

Von einer echten Chance spricht auch Anwalt Simanovski. Das BAFA müsse die Beschwerde nun genau prüfen, was aber dauern könne. Am einfachsten wäre es, wenn Otto seine Blockadehaltung aufgeben und konstruktiv an einer Lösung mitwirken würde, so der Appell von CCC, MAP und Betroffenen. Sei es mit eigenem Geld oder im Einwirken auf die Lieferanten vor Ort. Yamaken Apparel, die Mutterfirma von Royal Knitting, sei anders als dieser Subunternehmer ein direkter Geschäftspartner.

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