Deutsches Team auf Medaillenjagd: »Wir sind noch nicht fertig«

Angeführt von Franziska Preuß geht das DSV-Team optimistisch ins Abschluss-Wochenende der WM

  • Lars Becker, Lenzerheide
  • Lesedauer: 5 Min.
Gesucht, gefunden: In dieser Saison passt bei Franziska Preuß alles zusammen, bei der WM ist sie mit vier Podestplätzen die erfolgreichste Biathletin.
Gesucht, gefunden: In dieser Saison passt bei Franziska Preuß alles zusammen, bei der WM ist sie mit vier Podestplätzen die erfolgreichste Biathletin.

Der zweifache Bronzemedaillengewinner Justus Strelow ging am Freitag mit seiner Frau auf dem zugefrorenen See von Lenzerheide eine Runde klassisch Langlaufen. Auch Franziska Preuß genoss nach fünf Rennen in neun Tagen am Ruhetag ein paar »Chill-Stunden« bei den Weltmeisterschaften. Ohne Zweifel hochverdient: Die 30-Jährige war bislang an allen vier deutschen Medaillen – jeweils einmal Gold und Silber sowie zweimal Bronze – in der Schweiz beteiligt und ist damit von der Zahl der Podestplätze die erfolgreichste Biathletin dieser Titelkämpfe.

Schon vor dem abschließenden Wochenende mit vier noch ausstehenden Entscheidungen ist die beste deutsche WM-Bilanz seit fünf Jahren sicher. »Es gibt keine Worte dafür, was Franzi bei dieser WM geleistet hat. Einfach phänomenal – für sie gibt es keine Limits«, lobt Felix Bitterling. Und der Sportdirektor des Deutschen Skiverbandes (DSV) fügte hinzu: »Aber wir sind noch nicht fertig.« Schließlich stehen am Sonnabend in der Lenzerheide noch die Staffelrennen der Frauen und Männer und am Sonntag die Massenstart-Entscheidungen an. Bei den Frauen geht der DSV mit Preuß, Selina Grotian und Julia Tannheimer sowie Sophia Schneider mit vier hoffnungsvollen Starterinnen in den Medaillenkampf der letzten Einzel-Entscheidung. Bei den Männern stehen nur Philipp Nawrath und der im WM-Verlauf immer stärker gewordene Philipp Horn im Feld der besten 30.

»Wir wollen die Energie mit ins Wochenende nehmen. In der Staffel träumen wir von Gold«, gibt Sverre Olsbu Røiseland, Trainer der deutschen Biathletinnen, die Marschroute für die beiden finalen Tage dieser Weltmeisterschaft aus. Die erste Goldmedaille von Franziska Preuß im Verfolgungsrennen hat ihn und den zweiten Frauen-Trainer Kristian Mehringer bereits die komplette Haarpracht gekostet. Die Weltmeisterin persönlich setzte als Erste den Rasierer an. Mehringer hatte laut Preuß danach »Ähnlichkeit mit den Schlümpfen«, Røiseland bekam eine Teil-Rasur mit Herzchen an den Seiten verpasst. »Franzi ist eine wunderbare Biathletin, aber eine fürchterliche Frisörin«, schimpfte Røiselands Ehefrau Marte danach mit einem sauren Grinsen.

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Marte Olsbu Røiseland, die vor zwei Jahren vom Sport zurückgetretene Mutter, ist mit 13 WM-Titeln die erfolgreichste Athletin der Biathlon-Geschichte. Bei den Männern hat sich in den Tagen von Lenzerheide ihr norwegischer Landsmann Johannes Thingnes Bø diesen Rekord geschnappt. Mit den Triumphen in Sprint und Verfolgung gewann er seine WM-Titel 21 und 22; damit hat er nun zwei mehr als die große Legende Ole Einar Bjørndalen. »Es ist verrückt. Der Rekord bedeutet mir so viel – vor Ole Einar höchstpersönlich zu sein, ist grandios«, sagte Bø. »Es ist ein schönes Ende einer schönen Karriere.« Er wird nach dem Ende dieser Saison zurücktreten, weil er sich lieber mehr um seine Kinder Gustav und Sofia kümmern will.

Blickt man nun auf die bisherigen Ergebnisse dieser WM, könnten mit dem Rücktritt von Johannes Thingnes Bø schwierige Zeiten auf die erfolgsverwöhnten Norweger zukommen. An allen der bisher nur drei Medaillen war der 31-Jährige beteiligt. Überragende Nation ist Frankreich bei diesen Titelkämpfen – mit zehnmal Edelmetall, davon in fünf der acht Entscheidungen in Gold. Mit der dreifachen Weltmeisterin von Lenzerheide Julia Simon und Éric Perrot, der bislang zwei Titel gewann, hat die »Grande Nation« zwei der überragenden WM-Athleten im Team.

»Die Franzosen sind bei Männern und Frauen mit einem breiten Team Weltspitze. Alle zu schlagen an einem Tag, ist schwierig«, sagt Bitterling und nennt einen wichtigen Grund für die Galavorstelllung bei den Weltmeisterschaften in der Schweiz: »Immer wenn es wie auch in Lenzerheide etwas in die Höhe geht, sind die Franzosen vielleicht noch mal ein kleines Stück besser. Das mag damit zusammenhängen, dass die meisten von denen halt einfach genau auf dieser Höhe leben.«

Franziska Preuß ist es trotz der dominanten Französinnen gelungen, vier Medaillen und ihren ersten WM-Einzeltitel ihrer Karriere abzuschießen. Das hat viel damit zu tun, dass die früher oft von Erkrankungen geplagte Sportlerin nach einer Stirnhöhlen-Operation vor der Saison endlich gesund geblieben ist. Aber auch anderes ist besser geworden. Neben ihrer unglaublichen Stärke am Schießstand, wo es laut Preuß »im Sommertraining Klick gemacht hat«, und ihrem größtenteils eigenverantwortlichen Training profitiert die Spitzenreiterin im Gesamtweltcup auch vom glänzenden Material, das dem deutschen Team bei der WM zur Verfügung steht.

Vor einem Jahr bei den Titelkämpfen im tschechischen Nové Město gab es Krisensitzungen im deutschen Team, weil die Bretter meist nicht konkurrenzfähig waren. »Ich muss eine Lanze für die Techniker brechen, weil das wirklich ein unglaublicher Berg von Arbeit nach der letzten Saison war, der da vor ihnen lag. Ich glaube nicht, dass allzu viele auch von der Konkurrenz uns zugetraut hätten, dass wir da sind, wo wir jetzt sind«, meint Bitterling. Man habe ein paar neue Leute ins Techniker-Team eingebaut und auch mal »verrückte Sachen probiert«.

Die deutschen Männer konnten vom guten Material wegen latenter Probleme am Schießstand bei der WM bislang nicht so profitieren. Aber trotz schlechter Ausgangslage haben sie sich auf eine Staffel-Medaille an diesem Sonnabend eingeschworen.

Preuß möchte das deutsche Quartett wie schon zweimal in dieser Weltcupsaison als Schlussläuferin zum Sieg führen. »An der Staffel ist einfach das Besondere, dass man sich gemeinsam freuen kann«, so Preuß. »Gerade als Schlussläuferin, wenn man dann ins Ziel läuft mit der Deutschlandfahne und die anderen drei Mädels warten schon auf einen, das ist schon ein schöner Moment.« Es wäre die Krönung der Preuß-Festspiele von Lenzerheide.

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