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Bangladesch: Aus Glück wurde Angst

Nach dem Umsturz in Bangladesch erstarkt der Islamismus. Auch Fußballerinnen sind nun in Gefahr

  • Felix Lill
  • Lesedauer: 4 Min.
Titelgewinn im Oktober 2024: Kapitänin Sabina Khatun und ihr Team mit dem Südasien-Pokal auf Jubeltour durch Dhakas Straßen
Titelgewinn im Oktober 2024: Kapitänin Sabina Khatun und ihr Team mit dem Südasien-Pokal auf Jubeltour durch Dhakas Straßen

Vor drei Monaten war Ankita Anwar noch eine gefeierte Heldin ihres Landes. Ende Oktober gewann sie mit der Fußballnationalmannschaft der Frauen die Südasienmeisterschaft in Nepal – schon zum zweiten Mal in Folge. Im ansonsten nicht mit internationalen Trophäen verwöhnten 175-Millionen-Land Bangladesch war das eine Sensation. Bei der Rückkehr in die Heimat fuhr die Abwehrspielerin Anwar per Autokorso durch die Hauptstadt Dhaka.

»Wir machten Fotos mit dem Pokal und den Medaillen und feierten die ganze Nacht«, erinnert sich die 24-Jährige. »Am Flughafen in Dhaka erwarteten uns Offizielle, um uns mit Blumen zu begrüßen. Journalisten rannten hinter uns her.« Doch mittlerweile sind die Glücksgefühle in Angst umgeschlagen. Denn Frauen, die Fußball spielen, können sich ihrer körperlichen Unversehrtheit nicht immer sicher sein. Ankita Anwar hat nur unter der Bedingung ein Interview gegeben, dass ihr echter Name nicht genannt wird.

Die Angst kommt nicht von ungefähr. Ende Januar berichteten mehrere Medien im Land und der Region von gewaltsamen Überfällen auf Freundschaftsspiele von Frauenteams. Der erste Vorfall wurde aus der nordwestlichen Stadt Dinajpur berichtet, der zweite im nicht weit davon entfernten Joypurhat. Beide Male sollen Hunderte Personen, teils mit Stöcken bewaffnet, auf das Spielfeld gestürmt sein und die Anlage zerstört haben. Die Veranstaltungen wurden abgebrochen.

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»Es geht um Politik«, sagt der Journalist Julfikar Ali Manik, der seit Jahrzehnten über Terrorismus und Islamismus im Land berichtet. »Die Lage von Recht und Ordnung ist stark zurückgegangen, eine Art geplante Mob-Gewalt nimmt dagegen zu«, so Manik. »Wir nehmen schon seit sehr langer Zeit zur Kenntnis, dass die Islamisten hier nicht wollen, dass Mädchen oder Frauen irgendeinen Sport wie Fußball oder Cricket spielen. Ihre Politik ist eben, dass die Frauen zu Hause bleiben sollen.«

Bangladesch durchlebt turbulente Zeiten. Im August sorgten Studentenproteste dafür, dass die über 15 Jahre diktatorisch regierende Premierministerin Scheich Hasina aus dem Land floh. Das Militär beauftragte dann Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus damit, eine Übergangsregierung anzuführen. Für Neuwahlen ist das Land aber kaum bereit.

Im eigentlich eher moderat-muslimischen Bangladesch sind nun auch islamistische Kräfte auf dem Vormarsch. Leo Wigger, Fellow für EU- und Südasienbeziehungen im Mercator Kolleg für Internationale Aufgaben, betont dennoch, es sei in Irrtum, zu glauben, vor dem Umsturz sei alles besser gewesen. Die Ex-Premier Scheich Hasina und ihre Awami League seien säkular gewesen – aber brutal. Bei den Aufständen im August töteten Sicherheitskräfte 1400 Protestierende.

»Es stimmt schon, dass Scheich Hasina sich für die Emanzipation von Frauen eingesetzt hat oder Minderheitenrechte auf eine gewisse Art und Weise geschützt hat, wenn auch da doch der Mythos sehr viel stärker ist als die Realität«, so Wigger. »Denn ehrlich gesagt war die Lage von Minderheiten und Frauen auch unter der Ägide der Awami-Liga nicht immer so toll. Und auch da ist es von staatlicher Seite immer wieder auch zu Fällen von doch überraschender Unterdrückung gekommen.«

Sport für Frauen und Mädchen hat sich erst in den letzten Jahren gesellschaftlich durchsetzen können – gegen Widerstände, erinnert sich etwa Ankita Anwar: »Als ich 2009 anfing, Fußball zu spielen, wusste ich nicht einmal, dass es Fußball für Frauen gibt in Bangladesch.« Im lokalen Klub spielte sie bei den Jungs mit, war die Außenseiterin, wie es Fußball spielende Mädchen vor nicht allzu langer Zeit auch in Deutschland noch waren.

»Aber als unsere Nationalmannschaft 2022 zum ersten Mal die Südasienmeisterschaft gewann, waren viele Leute im Land plötzlich begeistert«, so die Fußballerin. Seitdem sind die Nationalspielerinnen Profis, können sich voll auf den Fußball konzentrieren. »Fußball ist jetzt sehr beliebt. Aber da wir ein religiöses Land sind, gibt es leider auch Probleme für Frauen, schon wenn sie kurze Hosen tragen.«

Der Journalist Julfikar Ali Manik ist sich aber sicher, dass die meisten im Land heute stolz darauf sind, dass Spielerinnen aus Bangladesch Pokale für das Land holen: »90 Prozent der Bevölkerung sind muslimisch. Aber die große Mehrheit ist nicht extremistisch.« Der Extremismus betreffe eine sehr kleine Gruppe von Menschen. »Die wollen die Vorherrschaft im Land gewinnen. Sie wollen alles kontrollieren. Und sie nehmen sich die Taliban zum Vorbild.«

Längst nicht alle lassen sich davon einschüchtern. Kurz nach den Angriffen auf Fußballspiele stiegen anderswo im Land kurzerhand Freundschaftsspiele von Frauen. Und lokale TV-Kanäle berichteten, dass die Tickets dafür schnell ausverkauft gewesen seien. Noch ist die Beliebtheit der Fußballerinnen größer als die Angst vor Repressionen.

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