Wenig Schnee im Langlauf-Dorado

Skilanglauf-Camp in Hintersee: In den tiefer gelegenen Skiregionen Österreichs müssen die Touristiker sich einiges einfallen lassen

Dank des Mikroklimas liegt in Hintersee oft noch Schnee, wenn anderswo schon nix mehr geht.
Dank des Mikroklimas liegt in Hintersee oft noch Schnee, wenn anderswo schon nix mehr geht.

Was tun, wenn der Schnee weniger wird? Im Salzkammergut machen sie sich durchaus ihre Gedanken – gerade hier im Flachgau, auf einer Höhe von nur 750 Metern über dem Meerespiegel. Seniorchef Albert Ebner, 81, arbeitet trotz seines hohen Alters noch immer im Hotel »DAS Hintersee« mit – im Restaurant, als Haustechniker oder als Chauffeur des hauseigenen Shuttles, mit dem Hotelgäste vom Bahnhof Salzburg abgeholt werden. Längst führt sein Sohn Albert jr., 53, die Geschicke des Vier-Sterne-Hotels. Für Anfang Januar hat der Junior dem 120-Betten-Haus im malerischen Hintersee zwei Wochen Betriebsferien auferlegt: Zu unsicher die Schneelage, zu wenig Gäste. »Das gab’s noch nie in den letzten 50 Jahren«, sagt der alte Ebner kopfschüttelnd. »Aber der Junior hat recht. Das Wetter kann man nicht ändern.«

Dabei kann der Winter hier so schön sein: An diesem Samstagvormittag bedeckt eine Neuschneedecke das Tal zu Füßen der Osterhorn-Gruppe. Die Sonne scheint über die Bergspitzen. Schnee glitzert unter blauem Himmel auf den frisch gespurten Loipen, die direkt am Hotel vorbeiführen. Perfekte Bedingungen für das Langlauf-Camp, das im Hintersee-Hotel an diesem Wochenende veranstaltet wird: Zwei Tage Langlaufen! Lernen von der Pike auf!

In den schattigen Winkeln des Tals unter den drei Feichten (Fichten) ist es teilweise noch sehr kalt: 10 Grad minus machen den Atem zu Dampf – auch bei Langlauflehrer Gerhard Mösenbichler, der die Lehrstunde abhält. Tags zuvor noch hat er die Hintersee-Gäste mit dem Langlauf vertraut gemacht, heute nimmt er sich der Langlauf-Camp-Besucher an, die für ein verlängertes Wochenende gekommen sind.

Hinterseer Original: Skilehrer Gerhard Mösenbichler
Hinterseer Original: Skilehrer Gerhard Mösenbichler

Mösenbichler gibt Unterricht in der klassischen Technik, die so viel mehr ist als nur irgendwie mit den Ski losstapfen. Er scheucht uns durch die Loipe: »Arme eng am Körper führen!« Gar nicht so leicht. »Und die Hand bitte nicht so hoch heben: Brusthöhe, mehr nicht!« Puh. »Und beim Doppelstockschub die Skistöcke am Ende schön ausschwingen lassen!« Leichter gesagt als getan. Nach zehn Minuten schnaufen wir. »Am Ende geht es immer darum, ins Gleiten kommen!«, ruft unser Lehrer. »Und den Schwung so weit wie möglich mitzunehmen!«

Wir folgen den Instruktionen und genießen bis zur Mittagspause: Es geht auf einem Rundkurs flach durch das breite Tal, das von stattlichen Anderthalbtausendern eingerahmt wird. Das idyllische Hintersee gehört zur Fuschlseeregion. Gemeinsam mit dem Ort Faistenau in fünf Kilometern Entfernung lockt es viele Besucher aus Salzburg zum Langlauf an. Nur 45 Minuten dauert es aus der Mozartstadt mit dem 155er-Bus. Für Skiläufer ist die Fahrt kostenlos. 

Auf bis zu 70 Kilometern können die Langläufer ihre Bahnen ziehen – entlang zugefrorener Seen durch verschneite Wälder. Die Tracks sind präpariert für Skating und klassischen Langlauf. Ein Ski-Dorado. Gemeinsam mit der Nachbargemeinde Faistenau firmiert Hintersee im Internet selbstbewusst als »Langlaufdorf«. Unter der Webadresse www.langlaufdorf.at kann man jederzeit nachschauen, wo gelaufen werden kann. Und vor allem auch, wo nicht. In Faistenau sind heute alle Loipen rot markiert: Geschlossen. 

Der Schnee, der Schnee! Einst lockte auch das alpine Skigebiet Gaißau-Hintersee reichlich Besucher nach Hintersee. Bei der Eröffnung 1977 rühmte man sich des ersten Dreiersesselliftes im Salzburger Land. Doch der steht mittlerweile still. Zweimal ging die Bergbahn pleite, 2017 und 2022: In mancher Saison waren nur 71 Skitage möglich. Herrscht keine Schneesicherheit, werden beispielsweise kaum Saisonkarten verkauft, auch wenn im Einzugsgebiet 680 000 Menschen leben. Und wenn dann noch Weihnachten und Silvester kein Schnee liegt, ist es eben vorbei mit der Pistengaudi.

nd.DieWoche – unser wöchentlicher Newsletter

Mit unserem wöchentlichen Newsletter nd.DieWoche schauen Sie auf die wichtigsten Themen der Woche und lesen die Highlights unserer Samstagsausgabe bereits am Freitag. Hier das kostenlose Abo holen.

Womöglich laufen ja im nächsten Winter wieder die Bahnen in Gaißau-Hintersee? Es gibt Pläne. »Vonseiten der neuen Besitzer hieß es, dass im Winter 2025/26 wieder geöffnet wird«, sagt Hotelchef Albert Ebner jr. »Aber derzeit scheint es mir ausgeschlossen.« Stattdessen bemüht er sich selbst darum, die Gäste mit anderen Vorzügen in sein Hotel zu locken. Die nahe gelegene Rodelbahn und der Winterwanderweg, der ebenfalls fast am Hotel vorbeiführt, bescheren ihm viele Kunden mit kleinen Kindern. Auch Hundehalter seien mittlerweile typische Gäste. 

Viele Besucher kommen auch zum Skitourengehen, wofür die Ebner-Familie einen öffentlichen Tourenskiverleih im Hause hat. Seit diesem Winter beherbergt die Verleihstation auch ein Nordic-Ski-Testzentrum der Firma Kästl. Fortan gibt’s hier immer die neuesten Langlaufski des österreichischen Herstellers zu leihen, auch die 700 Euro teuren Spitzenmodelle für Klassik-Technik und Skating: die Ferraris unter den langen Latten.

Mit solchen türkisfarbenen Weltcup-Skiern unter den Füßen wagen wir uns, gestärkt von einer Kaspressknödelsuppe, am Nachmittag zum Skating-Kurs. Das Sonnenlicht erwärmt mittlerweile das gesamte Tal auf frühlingshafte Temperaturen, vor dem Ticketautomaten an der Loipe herrscht Gewimmel. In Hintersee liegt oft noch Schnee, wenn ringsum nichts mehr geht. 

Für den Skating-Unterricht ist Skilehrer Joseph »Sepp« Rehrl aus Faistenau eingetroffen. Der dreimalige österreichische Staatsmeister im Langlauf hatte einst selbst eine Langlaufschule in Faistenau, nun ist er pensioniert und unterrichtet nur noch zum Spaß. »Es gibt kaum etwas Schöneres als Langlaufen«, sagt Rehrl zur Einführung. Der Pensionär ist hochgewachsen und drahtig wie ein fitter 40-Jähriger. Langlaufen gilt als idealer Ausdauersport. Er fördert fast alle Muskelgruppen des Körpers und ist dabei dennoch gelenkschonend. Das perfekte Winter-Workout.

Rehrl erklärt uns den Unterschied zur klassischen Technik: Zum einen haben die Ski selbst keinerlei Schuppen oder Fell an der Unterseite. Beim Skaten gleitet man abwechselnd auf dem linken und dem rechten Bein, ein schräger Gleitschritt wie bei Eisschnellläufern oder Inline-Skatern. Es ist eine Herausforderung in Sachen Balance. »Aber keine Angst, das lernt ihr!«

Skating-Experte Sepp Rehrl war dreimal österreichischer Staatsmeister.
Skating-Experte Sepp Rehrl war dreimal österreichischer Staatsmeister.

Zum Anfang üben wir an der Loipe. Einen Ski halten wir in der Spur, mit dem anderen stoßen wir uns ab: Die Siitonen-Technik, benannt nach ihrem Erfinder Pauli Siitonen aus Finnland, der mit diesem Halbschritt 1973 den legendären 90 Kilometer langen Wasalauf in Norwegen gewinnen konnte, wie uns Sepp Rehrl erklärt: »Aus Siitonen wurde schließlich die Skating-Technik entwickelt«. Und mittlerweile ist Skating populärer als klassischer Langlauf.

Die Gruppe ächzt. Skaten ist vor allem noch anstrengender als klassisches Laufen. Rehrl übt mit uns die wichtigsten Techniken: den asymmetrischen 2:1er-Schritt, wo man nach jeweils zwei Schritten den Stock einsetzt, und ein bisschen auch den schwierigeren 1:1er, in den man übergeht, wenn es schneller wird: Stockeinsatz bei jedem Abstoßen. Eine wackelige Angelegenheit.

Nach einer Stunde Probieren sieht es bei uns Anfängern auch schon ein bisschen nach Skaten aus, und selbst wir Novizen spüren: Es geht schneller! Auch wenn längst die Oberarme und Oberschenkel brennen – im Schlittschuhschritt überholen wir so manchen Klassik-Läufer. Dass immer mehr Menschen lieber skaten wollen, als klassisch zu laufen, erscheint nun logischer.

Hotelchef Albert Ebner jr. vor einem Gemälde, das die Ortschaft Hintersee zeigt
Hotelchef Albert Ebner jr. vor einem Gemälde, das die Ortschaft Hintersee zeigt
Tipps
  • Anreise: Aus Berlin mit dem Zug via München bis Salz­burg Hbf. Von dort mit Bus oder Taxi nach Hintersee. 
  • Langlaufdorf: Saisonkarte 85 €, Tages­karte 9 €. Aktuelle Schneelage unter:
    www.langlaufdorf.at
  • Nordic-Testzentrum: Im Hotel »DAS Hinter­see« direkt in der Orts­mitte.
    www.hintersee.at/de/winter/langlaufen-hintersee-faistenau.html
  • Langlaufcamp 2026: Soll Anfang Januar zum zweiten Mal stattfinden.
    www.hintersee.at
  • Weitere Infos:
    https://fuschlsee.salzkammergut.at

    Im Hotelrestaurant herrscht bei der Rückkehr volle Hütte. Alle Plätze sind besetzt und die Ebners schwer beschäftigt. »Wir haben in Hintersee zwar wenig Schnee, aber den haben wir zumindest immer zur rechten Zeit«, sagt Albert Ebner jr. zufrieden. Er mache jetzt zwar zwei Wochen Betriebsferien im Januar, aber dafür schließe er eben nur einmal im Jahr statt wie früher im November und im April. »Angesichts des Klimas haben wir die Sommersaison mit Wandern und Radfahren einfach verlängert.«

    Im Winter sei man dank des speziellen Hinterseer Mikroklimas im Talschluss oft der einzige Ort im Flachgau, an dem man überhaupt langlaufen könne. »Egoistisch gesehen«, sagt Albert Ebner jr., »ist der Klimawandel für den Ort und fürs Geschäft sogar ein Vorteil.«

    Die Recherche wurde unterstützt von Fuschlsee Tourismus und »DAS Hintersee«.

    - Anzeige -

    Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

    Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

    Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

    Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

    Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


    → Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
    → Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
    → Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
    → Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
    → Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

    Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.