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Bundestagswahl: Keine Macht für die AfD

Protestaktionen vor den Bundeszentralen von AfD, CDU und FDP

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.
Polizisten brechen den Bus auf, aus dem nahe der AfD-Wahlparty eine Warnsirene ertönte.
Polizisten brechen den Bus auf, aus dem nahe der AfD-Wahlparty eine Warnsirene ertönte.

»Stabilität statt Chaos. Beide Stimmen CDU«, wirbt ein einsames Wahlplakat in der Klingelhöferstraße in Berlin – nur wenige Schritte vom Konrad-Adenauer-Haus entfernt. Als stabil erweisen sich zunächst die Gitter, mit denen die Polizei die CDU-Bundeszentrale absperrt. An der Brücke von der anderen Seite des Landwehrkanals her steht kurz vor 18 Uhr eine lange Schlange von Parteimitgliedern, die Einlass zur Wahlparty begehren.

Dagegen versammeln sich an den Absperrungen auf der Klingelhöferstraße nach und nach etwa 100 Menschen um einen Lautsprecherwagen. Ein Wahlsieg der CDU ist für sie kein Grund zum Feiern. In einer Musikeinlage singt eine junge Gitarristin: »Keine Macht für niemand.« Ihr Publikum hier befürchtet, die AfD könnte mithilfe der CDU an die Macht kommen. Die Organisatoren haben schon in der Einladung zum Protest wissen lassen, dass die CDU nicht erst seit der gemeinsamen Abstimmung über eine Verschärfung des Asylrechts im Bundestag eine Normalisierung von Rassimus vorantreibe. »Die CDU ist eine Gefahr für die solidarische Gesellschaft. Sie bereitet den Rechten seit Jahren einen Platz in den Parlamenten«, sagt Liv Michel vom Bündnis Widersetzen. Dieses Bündnis hat den Protest hier auf die Beine gestellt – gemeinsam mit den Studis gegen rechts und beispielsweise auch den Flüchtlingshilfsorganisationen Seawatch und Seebrücke.

»Hitler hat sich nicht an die Macht geputscht, bürgerliche Parteien haben ihm 1933 dazu verholfen«, erinnert Elke Tischer von der Berliner Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes VVN-BdA. Die Vereinigung sei 1947 von Verfolgten und Opfern des Faschismus gegründet worden, darunter Kommunisten, Sozialdemokraten, aber auch Christdemokraten. Sie einte das Ziel, »dass in Deutschland nie wieder Faschisten an die Macht kommen«. Auch ihr Vater Kurt Gutmann habe bis zu seinem Tod 2017 dafür gekämpft, sagt Tischer. Im Sommer 1939 sei er mit einem Kindertransport nach Schottland entkommen. Nach Deutschland sei er 1945 in einer britischen Uniform zurückgekehrt, um dort endgültige Gewissheit zu erhalten, dass seine Mutter und sein Bruder die Shoa nicht überlebten.

Zwar habe der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz beteuert, mit ihm werde es keine Koalition mit der AfD geben, sagt Tischer. Aber: »Wie soll man ihm das glauben?« Schließlich habe Merz am Samstag beim Wahlkampfabschluss in München Antifaschisten als »linke Spinner« verunglimpft. Dass Merz dann auch noch fragte, wo die Linken waren, als 2019 ein Rechtsextremist den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) ermordete ... Elke Tischer kann Merz sagen, wo die Linken damals waren: 10 000 haben in Kassel gegen rechts demonstriert und viele weitere in Hamburg und anderen Städten.

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Als Tischer fordert, weder in den Parlamenten noch außerhalb mit Faschisten zusammenzuarbeiten, ruft ein junger Mann laut »Jawohl« und alle anderen applaudieren. Doch dann streben viele noch während ihrer Rede weg vom Lautsprecherwagen hin zum Absperrgitter und skandieren dort: »Ganz Berlin hasst die CDU!« Angesichts der Wahlergebnisse kann das nicht ganz stimmen. Elke Tischer unterbricht sich erst und stimmt mit ein, als die Menge ruft: »Alle zusammen gegen den Faschismus!« Schließlich fordert Tischer, ein AfD-Verbotsverfahren einzuleiten, »bevor es zu spät ist«.

Derweil bricht die Polizei bei Protesten vor der AfD-Bundesgeschäftsstelle in Berlin-Wittenau einen Bus auf. Aus diesem sei eine sehr laute Sirene zu hören gewesen, heißt es zur Begründung. Es seien viele Notrufe und Beschwerden eingegangen. Es ist ein Bus des Zentrums für Politische Schönheit. Dieses beschwert sich, dass Polizisten bei dem Bus Scheiben einschlagen: »Das ist so krass – uns fehlen die Worte.« Die Sirene sollte angesichts des Stimmenzuwachses der AfD eine Warnung vor Faschismus sein. »Da muss Deutschland schon durch, dass man zehn Minuten eine Warnsirene hört«, zitiert die Nachrichtenagentur dpa einen der etwa 80 Demonstranten.

Weniger ernsthaft geht es in der Berliner Reinhardtstraße zu. Dort feiern vor der FDP-Zentrale ab 17.30 Uhr etwa drei Dutzend junge Leute humorvoll den Abschied der Liberalen aus dem Bundestag, der sich den Hochrechnungen zufolge am Abend abzeichnete. Die Umfragen hatten ein Scheitern der FDP an der Fünf-Prozent-Hürde nahegelegt, als sich vor ein paar Wochen ein lose verbundener Freundeskreis überlegte, diese ironische Abschiedsfeier zu veranstalten. »Man muss die Feste feiern, wie sie fallen«, sagt schmunzelnd der 29-jährige Viktor, der zu diesem Freundeskreis aus Musikern und politisch Engagierten gehört. Ein Sarg ist herbeigeschafft, um die FDP-Bundestagsfraktion zu beerdigen. Auch gibt es ein selbstgebasteltes Plakat, das FDP-Chef Christian Lindner als den »frechsten Arbeitslosen Deutschlands« vorstellt.

»Hitler hat sich nicht an die Macht geputscht, bürgerliche Parteien haben ihm 1933 dazu verholfen.«

Elke Tischer VVN-BdA
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