AfD: Gewonnen und trotzdem unzufrieden

In Gelsenkirchen, Kaiserslautern und fast im gesamten Osten ist die AfD stärkste Kraft

Am Boden zerstört sind bei der AfD gerade nur Plakate.
Am Boden zerstört sind bei der AfD gerade nur Plakate.

Mit Ergebnissen zwischen 32,5 Prozent in Brandenburg und sogar 38,6 Prozent in Thüringen und ist die AfD bei den Zweitstimmen in allen ostdeutschen Flächenländern stärkste Kraft geworden. Auch bei den Erststimmen ist das Bild im Osten eindeutig: Nur Bodo Ramelow, Sören Pellmann (beide Linke) und Olaf Scholz (SPD) konnten sich gegen die extrem rechte Partei durchsetzen. Aber auch im Westen verbesserte die AfD ihr Ergebnis massiv. In Kaiserslautern und Gelsenkirchen holte sie sogar die meisten Zweitstimmen. Direkt gewählt wurden in beiden Städten, mit knappem Abstand, Sozialdemokraten.

Dass die AfD im vom Armut gezeichneten Ruhrgebiet starke Ergebnisse erzielt, ist nicht neu. Das war schon bei vergangenen Wahlen so. Und Kaiserslautern in der Pfalz hat mit Gelsenkirchen mehr gemein als einen kriselnden Fußballtraditionsclub. Die alte Industriestadt durchläuft seit Jahrzehnten einen Strukturwandel, und die Meldungen aus der Industrie stimmen auch aktuell nicht positiv. Bei Opel gibt es immer wieder Gerüchte über Stellenstreichungen, der Bau einer Batteriefabrik für den schon Millionen an Subventionen geflossen sind, liegt auf Eis. Frustrierende Nachrichten, die die AfD im Wahlkampf gut bespielen konnte.

Insgesamt ist man bei der AfD mit dem Wahlergebnis zufrieden. Die extrem rechte Partei erneuerte am Sonntagabend ihren Anspruch, Volkspartei zu sein. Dass die CDU nicht mit ihr koalieren will, macht sie nach der Wahl zum Aufhänger ihrer Erzählung. Schon am Sonntagabend sprachen mehrere AfD-Politiker*innen über ausgestreckte Hände in Richtung der Union. Diese Angebote erneuerten Alice Weidel und Tino Chrupalla, die auch künftig die Fraktion der AfD im Bundestag führen wollen, am Montagvormittag in der Bundespressekonferenz. Weidel erklärte: »Wir haben hier eine sehr gute Plattform bilden können, die die beste Voraussetzung bietet, die CDU bei der nächsten Wahl zu überholen, also stärkste Kraft zu werden und auch hier den Regierungsauftrag für die nächsten Bundestagswahlen mitzunehmen.« In Richtung von Friedrich Merz sprach Weidel von einer »undemokratischen Blockadehaltung«, die die CDU überdenken müsse. Für ihre eigene Partei reklamiert Weidel einen »normalen« Umgang im Bundestag. Bislang ist die AfD etwa nicht im Kontrollgremium der Geheimdienste vertreten. Weidel will, dass sich das ändert.

Mit dem Wahlerfolg wächst auch die AfD-Fraktion. 152 ihrer Kandidat*innen wurden in den Bundestag gewählt. Ob alle davon auch Teil der Fraktion werden, dürfte ein kleiner Fingerzeig wie es bei der AfD weitergeht. Matthias Helferich, Bundestagsabgeordneter aus Dortmund, wurde vor vier Jahren, unter anderem wegen seiner Selbstbezeichnung als »freundliches Gesicht des NS« nicht in die Fraktion aufgenommen. Auf die Landesliste der AfD-NRW schaffte er es jetzt, trotz Streits und eines laufenden Ausschlussverfahrens dennoch.

Helferich möchte Teil der Fraktion werden. Das gilt auch für Maximilian Krah, der im Europaparlament wohl unzufrieden ist. Dort hatten SS-Verbrechen relativierende Äußerungen, schon vor der Wahl für Streit mit den europäischen Partnern der AfD gesorgt. Werden nun beide aufgenommen, ist das ein Zeichen, dass verbalradikales Auftreten stärker gewünscht, zumindest aber akzeptiert wird. Sowohl Helferich als auch Krah waren in der Vergangenheit immer wieder für Provokationen verantwortlich.

Die beiden in die Fraktion aufzunehmen, wäre durchaus ein Zeichen an diejenigen, die jetzt das Wahlergebnis von rechts kritisieren. Die gibt es nämlich durchaus. Christoph Berndt, Vorsitzender der AfD im Brandenburger Landtag schrieb auf X, man dürfe nicht zufrieden sein. Noch deutlicher äußerte sich Benedikt Kaiser, der für einen AfD-Bundestagsabgeordneten arbeitet und sich als neurechter Denker inszeniert. Er schrieb am Sonntagabend, 19 bis 20 Prozent seien »kein Erfolg, sondern zu wenig«. Dafür hätte mit den Taten von Magdeburg, Aschaffenburg und München und dem Hype um Elon Musk zu viel im Wahlkampf für die AfD gesprochen.

Das völkisch-soziale Umfeld der AfD kritisiert, dass die Partei Stimmen an die Linke verschenkt habe. Dabei wäre es, so schreibt einer der Kritiker so einfach die Themen Wohnraumknappheit und Abschiebungen zu kombinieren. Götz Kubitschek, extrem rechter Verleger, vermutet der Hype um Musk und Vance habe irritiert. Typische Wähler*innen hätten sich gefragt, »warum die klareren Worte zur sozialen Frage von der Linkspartei kommen«.

Der österreichische Identitäre Martin Sellner, der nie um einen Superlativ verlegen ist, glaubt, die Linke werde nach der Wahl Geld in ihr politisches Vorfeld und den Aufbau eigener Erzählungen investieren. Wenn die AfD nicht dasselbe täte, gäbe es ein »Gemetzel« so Sellner. Was der österreichische Agitator damit sagen möchte, die AfD soll mehr Geld in ihn und seine Kameraden investieren und Aktionen, Vorträge und Agitation am rechten Rand unterstützen.

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