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Bundestagswahl: BSW denkt über juristische Schritte nach
Das Bündnis Sahra Wagenknecht scheiterte bei der Bundestagswahl äußerst knapp
4,972 – diese Zahl dürfte sich BSW-Mitgliedern und -Anhängern traumatisch eingeprägt haben. Es ist das Ergebnis des Bündnisses Sahra Wagenknecht bei der Bundestagswahl am Sonntag. Knapper kann man kaum an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern. Das Ausscheiden aus dem Bundestag ist eine schwere Niederlage für Wagenknecht, Oskar Lafontaine und ihr BSW-Projekt, zumal sie sich nach dem Höhenflug im letzten Jahr als neue einflussreiche bundespolitische Kraft gesehen hatten.
Dabei hat das BSW sich gegenüber der Europawahl 2024 (6,2 Prozent) nominell nicht verschlechtert. Damals wie jetzt erhielt es knapp 2,5 Millionen Stimmen. Allerdings hat die Partei nicht von der stark gestiegenen Wahlbeteiligung profitiert. Am Ende eines dramatischen Wahlabends fehlten dem BSW etwa 13 400 Stimmen, weshalb seine Führung überlegt, das Ergebnis juristisch anzufechten. Erstens verweist man auf viele der mehr als 200 000 Auslandsdeutschen, die nicht rechtzeitig ihre Wahlunterlagen erhielten oder zurückschicken konnten. Ob diese Wählergruppe das Ergebnis verändern würde, ist spekulativ und könnte Teil eines Rechtsstreits werden.
Zweitens fühlt sich das BSW benachteiligt – von der Konkurrenz, den Medien, Umfrageinstituten. Wagenknecht beschwerte sich am Montag – wie schon vor der Wahl – über eine »mediale Negativkampagne«, angeblich unterstützt von Umfragen; die Erfolgsaussichten des BSW seien »systematisch niedergeschrieben« worden. Der Ärger entzündet sich vor allem an einer Forsa-Umfrage kurz vor dem Wahltag, die dem BSW nur drei Prozent attestierte und über die breit berichtet worden war.
Wagenknecht versuchte aber auch, politische Gründe für das Scheitern des BSW zu finden, das für sie kein Scheitern sei, sondern eigentlich ein Erfolg – schließlich habe noch nie eine neue Partei bei Bundestagswahlen so gut abgeschnitten. Das abstrahiert völlig von den Umfragewerten im letzten Jahr, die bis zu neun Prozent reichten. Den Rückgang – manche sagen auch Absturz – führt die Parteigründerin unter anderem auf den frühen Wahltermin zurück, weshalb in aller Eile Landesverbände geschaffen werden mussten. Sie verwies auch auf die sehr kleine Parteibasis, verteidigte aber die eigene Praxis der äußerst zurückhaltenden Mitgliederaufnahme.
Schließlich habe auch der Eintritt des BSW in die Landesregierungen von Thüringen und Brandenburg Stimmen gekostet, weil sich gezeigt habe, dass die finanziellen Spielräume in der Landespolitik sehr gering seien. Das ist ein erstaunliches Eingeständnis; in den Wahlkämpfen hatte man noch alles Mögliche versprochen und gerade in Thüringen der rot-rot-grünen Minderheitsregierung vorgeworfen, zu wenig in Soziales und Bildung zu investieren.
Das Konzept des BSW, sich mit einer vorerst dünnen Programmatik quer zu den anderen Parteien zu stellen und sich von rechts bis links inhaltlich zu bedienen, verteidigte Wagenknecht. Die von ihr postulierte Vertretungslücke sieht sie weiterhin; dass sie groß genug für eine neue Partei sei, ist mit dieser Wahl allerdings nicht bewiesen worden. Wie ihr Sozialkonservatismus aussieht, demonstrierte sie am Montag ein weiteres Mal. Wagenknecht beklagte, dass der Wahlkampf nach den Anschlägen von Magdeburg und Aschaffenburg vom Streit um Migration überlagert worden sei und das BSW »in dieser polarisierten Debatte nur verlieren konnte«, weil seine sozialen Forderungen kaum Gehör fanden. Dass Wagenknecht selbst zu den Polarisierenden gehört, hatte sie wenige Sätze zuvor bestätigt: Das BSW, sagte sie, habe Menschen mit niedrigen Einkommen und ohne akademische Abschlüsse erreicht, »die die Folgen der Zuwanderung auszubaden haben«.
Zu ihrer politischen Zukunft wollte Wagenknecht am Montag nichts sagen. Zwar hatte sie vor der Wahl erklärt, sich bei einer Niederlage aus der Politik zurückzuziehen, weil eine Partei ohne Bundestagspräsenz kein relevanter Faktor sei. Doch nun hält sie diese Frage offen. Zum einen will sie wohl abwarten, ob eine Wahlanfechtung Erfolg haben könnte; zum anderen, weil sie im BSW offenbar dringend gebeten wird zu bleiben. Auf jeden Fall soll der Rückschlag vom Sonntag »das BSW nicht beenden«, so Wagenknecht.
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