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Brandenburg: Am schnellsten ausgezählt
Bundestagswahl in Brandenburg organisatorisch ohne besondere Vorkommnisse – politisch aber schon
Als erstes der 16 Bundesländer konnte Brandenburg nach der Bundestagswahl in der Nacht seine kompletten Ergebnisse an die Bundeswahlleiterin übermitteln. »Wir haben also doch noch etwas Schlaf abbekommen«, erklärte Landeswahlleiter Josef Nußbaum am Montag bei einer Pressekonferenz im Landtag. Zweimal hatte es in einem Wahllokal ein kleines Gerangel gegeben, an »besonderen Vorkommnissen« war laut Nußbaum sonst aber nichts zu vermelden. Mit 81,5 Prozent sei die Wahlbeteiligung in Brandenburg spektakulär hoch gewesen. Aber das war nahezu überall in Deutschland so und insofern keine Besonderheit.
Die AfD erzielte in Brandenburg 32,5 Prozent der Stimmen und verbuchte im Vergleich zur Bundestagswahl 2021 ein Plus von 14,4 Prozent. Sie gewann neun von zehn Wahlkreisen im Bundesland. Nichts genutzt hat es dem langjährigen AfD-Landtagsabgeordneten Andreas Galau, dass er in seinem Wahlkreis die meisten Stimmen bekommen hat. Er darf trotzdem nicht in den Bundestag wechseln. Denn mit knapp 31 Prozent erzielte er das niedrigste aller AfD-Erststimmenresultate im Bundesland. Das wurde ihm – dem neuen Wahlgesetz gegen ein Aufblähen des Parlaments ist es geschuldet – zum Verhängnis. Besser hatte es da Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Im genügten in Potsdam und Umgebung 21,8 Prozent der Stimmen, um seinen Wahlkreis erneut zu holen. Sein Vorsprung auf Tabea Gutschmidt (CDU) betrug lediglich 1,2 Prozentpunkte und der auf Alexander Tassis (AfD) auch nur 2,8 Prozentpunkte. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) landete mit 15,9 Prozent abgeschlagen auf Rang vier, nicht weit weg von Isabelle Vandré (Linke), die 13,8 Prozent erzielte. Bei der Wahl 2021 hatte die SPD noch alle zehn Wahlkreise in Brandenburg erobern können, nun also nur noch einen.
Von einem »riesigen Erfolg«, den er sich vor sechs Wochen nicht habe vorstellen können, schwärmte am Montag der Linke-Landesvorsitzende Sebastian Walter.
Das politische Comeback seiner Partei sei deutlich früher gelungen, als man ihr zugetraut habe. Mit dutzenden Parteieintritten noch am Wahlabend zähle der Landesverband nun wieder mehr als 5000 Mitglieder. »Ich bin dem BSW
dankbar«, merkte Walter spöttisch an. Denn Streit und Querelen hätten nach der Abspaltung von Sahra Wagenknecht ein Ende gehabt. »Ich gebe dem BSW nicht mehr lange«, orakelte Walter. »Wir werden erste Auflösungserscheinungen sehen.« Den Erfolg der Linken erklärte sich ihr Landesvorsitzender mit dem »Fehler« aller anderen Parteien, Positionen der AfD übernommen zu haben. »Die Probleme sitzen nicht im Flüchtlingsboot, sie sitzen im Privatjet und der Privatjacht«, unterstrich Walter. Erneut forderte er das Verbot der AfD.
BSW-Landesgeschäftsführer Stefan Roth warf den Linken vor, die Sanktionen gegen Russland und die Waffenlieferungen in die Ukraine mitzutragen. Allerdings haben in Wahrheit eine Mehrheit der Linken und auch Sebastian Walter persönlich solche Waffenlieferungen stets abgelehnt. Weil alle anderen die »Aufrüstungsspirale« inzwischen unterstützen, behauptete Roth dennoch, sei es wichtig, dass es das BSW auch weiterhin gebe. »Mit guten Gründen« habe man sich von den Linken getrennt. Mit 10,7 Prozent der Zweitstimmen im Landesmaßstab rechne er das BSW »zu den Gewinnern des Tages«, auch wenn das bundesweite Ergebnis ganz knapp unter der Fünf-Prozent-Hürde blieb und dem BSW der Einzug in den Bundestag verwehrt blieb. Bezogen auf Die Linke sprach Roth von einer »akademisch-grünen Partei, die mehr und mehr die Grünen ersetzen« wolle. In Brandenburg bekamen die Linken bei der Bundestagswahl nun ebenfalls 10,7 Prozent – obwohl sie doch bei der Landtagswahl am 22. September mit nur drei Prozent eine schlimme Niederlage einstecken mussten.
Der AfD-Landesvorsitzende René Springer legte vor dem Hintergrund der jüngsten Wahlergebnisse dem Ministerpräsidenten Dietmar Woidke (SPD) den Rücktritt nahe. »Neuwahlen wären jetzt das Richtige.« Woidkes mit dem BSW gebildete Landesregierung werde »keine Zukunft haben«. Springer sagte: »Die Hochburgen der SPD sind gefallen. Die SPD als dominierende Kraft in Brandenburg ist Geschichte.«
Die Landes-SPD halbierte ihr Ergebnis auf 14,8 Prozent. »Der Bundestrend hat uns eindeutig erwischt«, bedauerte der amtierende SPD-Generalsektretär Kurt Fischer. Er sprach von einer bitteren Niederlage für seine Partei.
Nicht nur auf dem Land, auch in den Städten habe sich die AfD durchgesetzt und »als Volkspartei etabliert«, frohlockte AfD-Landeschef Springer. Er forderte ein Ende der Beobachtung seiner Partei durch den Verfassungsschutz. Ferner müsse die Finanzierung von Strukturen wie dem Handlungskonzept »Tolerantes Brandenburg« eingestellt werden. Man werde »die Altparteien jagen, bis sie erschöpft zusammenbrechen, und wir die Chance haben, die Regierung zu stellen«.
Derweil glaubt Brandenburgs CDU-Generalsekretär Gordon Hoffmann, dass sich CDU und SPD im Bund auf eine Koalition verständigen können. In diesem Glauben bestärken ihn auch Äußerungen von Ministerpräsident Woidke zur Bekämpfung der illegalen Migration. Dies vermittele, dass auch in der SPD »ein Bewusstsein dafür vorhanden ist«, und dies stärke den Glauben, »dass wir da zusammenkommen«. In Brandenburg bekam die CDU 18,1 Prozent.
Nachdem die Brandenburger Grünen bei der Landtagswahl mit nur 4,1 Prozent der Stimmen abschmierten, erhielten sie nun immerhin 6,6 Prozent. Das ist für sie eine kleine Ermutigung, auch wenn sie im Vergleich zur Bundestagswahl 2021 knapp 2,4 Prozentpunkte einbüßten. »Die Bündnisgrünen in Brandenburg werden gebraucht und haben viel Zuspruch erhalten«, meinte die Landesvorsitzende Alexandra Pichl. »Trotz Herausforderungen konnten wir uns behaupten.« Das Vertrauen der Wähler »gibt uns Rückenwind«. Außenministerin Annalena Baerbock sitzt auch im neuen Bundestag, genauso Wirtschaftsstaatssekretär Michael Kellner.
Brandenburgs Linke entsendet erneut Christian Görke nach Berlin, dazu die Ex-Landtagsabgeordnete Isabelle Vandré – und als wäre nicht das schon überraschend, zusätzlich auch noch die Integrationshelferin Christin Willnat aus Brandenburg/Havel als Dritte im Bunde.
- Wahlkreis 56 (Prignitz, Ostprignitz-Ruppin, Havelland I): SPD 15,9 (-18,1), AfD 36,6 (+17,4), CDU 17,4 (+1,3), FDP 2,5 (-4,95), Grüne 4,4 (-1,96), Linke 9,8 (+1,71), BSW 10,7 (+10,7), Wahlbeteiligung 78,4 (+7,51)
- Wahlkreis 57 (Uckermark, Barnim I): SPD 13,8 (-17,5), AfD 35,98 (+16,1), CDU 16,1 (+0,8), FDP 2,65 (-5,4), Grüne 4,8 (-2,2), Linke 10,97 (+1,98), BSW 12,4 (+12,4), Wahlbeteiligung: 78,9 (+7,3)
- Wahlkreis 58 (Oberhavel, Havelland II): SPD 15,4 (-13,2), AfD 29,3 (+13,4), CDU 21,7 (+4,4), FDP 3,6 (-6,6), Grüne 8,4 (-2,3), Linke 9,3 (+2,8), BSW 8,75 (+8,75), Wahlbeteiligung: 83,9 (+5,6)
- Wahlkreis 59 (Märkisch-Oderland, Barnim II): SPD 13,1 (-14,8), AfD 33,8 (+15,6), CDU 16,9 (+1,8), FDP 2,9 (-5,7), Grüne 5,8 (-2,9), Linke 11,3 (+0,96), BSW 12,3 (+12,30), Wahlbeteiligung: 83,35 (+6,5)
- Wahlkreis 60 (Brandenburg/Havel, Potsdam-Mittelmark I, Havelland III, Teltow-Fläming I): SPD 17,2 (-16,05), AfD 31,4 (+15,0), CDU 18,35 (+3,05), FDP 2,9 (-5,3), Grüne 6,0 (-2,4), Linke 10,8 (+2,5), BSW 10,2 (+10,2), Wahlbeteiligung: 79,8 (+7,1)
- Wahlkreis 61 (Potsdam, Potsdam-Mittelmark II, Teltow-Fläming II): SPD 17,05 (-9,9), AfD 18,5 (+8,6), CDU 19,2 (+5,25), FDP 4,3 (-6,4), Grüne 14,6 (-4,4), Linke 14,7 (+4,6), BSW 8,3 (+8,3), Wahlbeteiligung 85,7 (+3,8)
- Wahlkreis 62 (Dahme-Spreewald, Teltow-Fläming III): SPD 14,7 (-13,5), AfD 32,1 (+14,3), CDU 19,6 (+3,2), FDP 3,5 (-6,4), Grüne 6,2 (-2,4), Linke 10,2 (+2,4), BSW 10,2 (+10,2), Wahlbeteiligung: 83,1 (+5,95)
- Wahlkreis 63 (Frankfurt (Oder), Oder-Spree): SPD 13,6 (-15,9), AfD 35,4 (+15,3), CDU 16,6 (+2,5), FDP 3,15 (-5,7), Grüne 4,75 (-2,35), Linke 10,6 (+1,05), BSW 12,6 (+12,6), Wahlbeteiligung: 79,7 (+5,3)
- Wahlkreis 64 (Cottbus, Spree-Neiße): SPD 13,96 (-14,6), AfD 39,05 (+14,8), CDU 15,9 (+2,1), FDP 3,2 (-7,5), Grüne 4,0 (-1,5), Linke 9,2 (+1,6), BSW 11,45 (+11,45), Wahlbeteiligung: 79,8 (+4,85)
- Wahlkreis 65 (Elbe-Elster, Oberspreewald-Lausitz): SPD 12,5 (-16,1), AfD 40,95 (+16,10), CDU 16,5 (+1,5), FDP 3,1 (-6,2), Grüne 2,8 (-1,4), Linke 8,7 (+1,5), BSW 11,7 (+11,7), Wahlbeteiligung 79,5 (+5,4) af
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