Nach der Bundestagswahl: Es ist eine GroKo

SPD bereitet sich auf Bündnis mit der Merz-Union vor: Team Vorsicht bei Ukraine-Politik spielt keine Rolle mehr

Aufgeräumte Stimmung im Konrad-Adenauer-Haus: In der CDU-Zentrale kündigte Friedrich Merz am Montag an, Koalitionsverhandlungen mit der SPD aufzunehmen.
Aufgeräumte Stimmung im Konrad-Adenauer-Haus: In der CDU-Zentrale kündigte Friedrich Merz am Montag an, Koalitionsverhandlungen mit der SPD aufzunehmen.

Die Bevölkerung Deutschlands hat mehrheitlich gegen ihre sozialen Interessen, für Aufrüstung und für eine vermeintlich schnelle »Lösung« des Migrationsproblems gestimmt. Profitiert haben CDU und CSU sowie die extrem rechte AfD, die zusammen knapp 50 Prozent der Wählerstimmen auf sich vereinigen. Da die AfD aber wegen der sogenannten Brandmauer nach rechts als Koalitionspartnerin draußen bleiben muss, bleibt nach derzeitigem Endergebnis nur die SPD mit ihren 16,4 Prozent als Regierungspartnerin. Die beiden Parteien kommen zusammen zwar nur auf 44,9 Prozent der Stimmen, aber auf 328 Mandate im neuen Bundestag. Das sind zwölf über dem Minimum von einer Stimme Mehrheit im nun auf 630 Sitze begrenzten Parlament.

Zwischenzeitlich hatte es so ausgesehen, als sei die Union unter ihrem Kanzlerkandidaten Friedrich Merz auf die Grünen als dritten Partner angewiesen. Nun gehen die Grünen also in die Opposition – eine Rolle, die ihnen schwerfallen dürfte, zumal ihnen nach der Beteiligung an der Asylrechtsschleifung der Ampel und deren faktisch bereits beschlossener Rückkehr zum Zwangsregime gegenüber Erwerbslosen die Glaubwürdigkeit dafür fehlt. Die SPD dagegen wird schon mangels alternativer Partner im sogenannten demokratischen Parteienspektrum mit dem schlechtesten Ergebnis in 138 Jahren erneut eine Große Koalition mit der Union bilden.

Den Boden dafür bereiteten Friedrich Merz als künftiger und Olaf Scholz als scheidender Kanzler bereits in der »Berliner Runde« der ARD. Der CDU-Chef rüstete zunächst verbal ab. Einerseits erklärte er, er sei zu einer Prüfung bereit, ob pauschale Zurückweisungen aller Menschen ohne gültige Papiere auch bei geäußerten Asylbegehren europarechtskonform sind. Dies hatten Scholz und seine SPD bislang verneint, während Merz diese Maßnahme als Teil seines Sofortprogramms nach der Regierungsübernahme bezeichnet hatte.

Außerdem versicherte der Spitzenkandidat der Unionsparteien, mit seinen Sottisen über »grüne und linke Spinner« am Vorabend der Bundestagswahl seien nicht die Kollegen von SPD und Grünen gemeint gewesen. Der 69-Jährige hatte am Samstag in München erklärt, er werde »wieder Politik für die Mehrheit der Bevölkerung« machen, die gerade denke und »alle Tassen im Schrank« habe, und nicht »für irgendwelche grünen und linken Spinner auf dieser Welt«. Dies habe sich an »die Antifa« gerichtet, die ihn immer wieder diffamiere und gar als »Faschisten« bezeichne, so Merz am Sonntag in der ARD. Am Montag verkündete er, er sei »fest entschlossen, mit den Sozialdemokraten konstruktive, gute, zügige Gespräche zu führen«.

»Ich werde wieder Politik für die Mehrheit der Bevölkerung machen, die gerade denkt und alle Tassen im Schrank hat – und nicht für irgendwelche grünen und linken Spinner.«

Friedrich Merz CDU-Vorsitzender

Der bisherige Kanzler wiederum sicherte seine Kooperation bei der Übergabe der Regierungsgeschäfte zu und kündigte an, dem neuen Bundestag nur noch als einfacher Abgeordneter angehören zu wollen – sofern er das Direktmandat in seinem Wahlkreis in Potsdam und Umland gewinne. Das ist ihm tatsächlich gelungen, wenn auch knapp mit 21,8 Prozent der Erststimmen. Die Zweitplatzierte Tabea Gutschmidt (CDU) kam auf 20,6 Prozent. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), die im selben Wahlkreis angetreten war, erreichte mit 15,9 Prozent nur Rang vier nach dem AfD-Kandidaten.

Derweil wirkt die Kanzlerkandidatur von Scholz im Nachhinein strategisch abgestimmt auf die »GroKo« mit der Union. Denn der Kanzler, für seine »zögerliche« Haltung bei der Belieferung der Ukraine mit weitreichenden Taurus-Marschflugkörpern und anderen Langstreckenwaffen bekannt, tritt nun geplant in die dritte Reihe der SPD-Politiker zurück, wogegen Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) beste Chancen haben dürfte, in diesem Amt zu verbleiben. Seine Positionen in Sachen Ukraine-Unterstützung und massiver Aufrüstung sind höchst kompatibel mit denen der Unionsparteien. Pistorius hatte lange vor der Wahl gefordert, die Bundesrepublik müsse ihre Verteidigungsausgaben dauerhaft auf eine Summe in Höhe von mindestens drei Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung erhöhen.

An die Spitze der SPD-Bundestagsfraktion rückt derweil voraussichtlich der Ko-Vorsitzende der Partei, Lars Klingbeil, auf. Der 47-Jährige gilt seit Langem als Falke in der Außenpolitik und mahnte schon Ende 2022, Deutschland müsse eine »Führungsrolle« auch beim Militärischen einnehmen. Der bisherige SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich, der von der Mehrheit der Befürworter von mehr Waffenlieferungen an die Ukraine in der Ampel als Bremser und gar »Kreml-Freund« verschrien worden war, veröffentlichte bereits am Sonntagmittag ein Schreiben, in dem er angesichts der »deutlichen Niederlage« der SPD seinen Rücktritt von diesem Amt ankündigte. »Heute sind wir in der Parteiführung zu dem Schluss gekommen, dass es gut ist, wenn Jüngere den Karren weiterziehen und die Kräfte gebündelt werden«, schrieb Mützenich. Das Gremium schlage nun »einstimmig« Klingbeil für seine Nachfolge vor.

Damit scheint die Frage vom Tisch, ob Klingbeil, der für das Wahlergebnis als Parteichef eine Mitverantwortung trägt, daraus irgendwelche Konsequenzen zieht. Er selbst hatte am Sonntag noch vor Ende der Wahlen erklärt: »Dieses Ergebnis wird Umbrüche erfordern in der SPD.« Das meine er auch personell. »Ich sage hier mit absoluter Klarheit, der Generationswechsel in der SPD muss eingeleitet werden.« Am Sonntagabend bestätigte Klingbeil in der ARD seine Kandidatur für den Fraktionsvorsitz und ließ zugleich offen, ob er später in die Bundesregierung wechseln will. Die angekündigten Konsequenzen dürfte innerhalb der Parteispitze wohl am ehesten Ko-Chefin Saskia Esken aufgeladen bekommen.

Widerspruch zur geplanten Beförderung von Klingbeil kam von Juso-Chef Philipp Türmer. »Durch dieses Vorgehen entstand der fatale Eindruck: Als erste Reaktion greift einer der Architekten des Misserfolgs nach dem Fraktionsvorsitz«, sagte der Vorsitzende der SPD-Nachwuchsorganisation dem »Spiegel«. Ausgerechnet am Tag einer historischen Wahlniederlage sei dies falsch. Türmer forderte stattdessen eine umfassende programmatische Neuaufstellung.

Gegen die Bildung einer GroKo sprach sich auch Türmer nicht aus. 2017 hatte es sogar eine Eintrittswelle von Menschen in die Partei gegeben, die gemeinsam mit den Jusos unter dem Stichwort »NoGroKo« ein Bündnis mit CDU und CSU verhindern wollten.

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