Berlin: Stühlerücken im Abgeordnetenhaus

Fünf Parlamentarier wechseln aus dem Abgeordnetenhaus in den Bundestag

Die Linksfraktion verliert einen bunten Farbtupfer: Katalin Gennburg wird künftig im Bundestag sitzen.
Die Linksfraktion verliert einen bunten Farbtupfer: Katalin Gennburg wird künftig im Bundestag sitzen.

Die Bundestagswahl bleibt nicht ohne Auswirkungen – auch für das Berliner Landesparlament: Mehrere Mitglieder des Abgeordnetenhauses wurden in den neuen Bundestag gewählt. Insgesamt fünf Berliner Abgeordnete werden damit aus dem Landesparlament ausscheiden.

Gleich zwei Mitglieder muss die Linksfraktion im Abgeordnetenhaus abgeben: Ferat Koçak und Katalin Gennburg erzielten bei der Bundestagswahl Erfolge – Koçak gewannn das Direktmandat in Neukölln, Gennburg zog über die Landesliste ins Parlament ein. Beide werden allerdings dem Abgeordnetenhaus noch bis zur Konstituierung des Bundestags am 23. März angehören. Anzeichen, dass beide schon vorher ihr Mandat niederlegen wollten, gebe es nicht, sagte ein Sprecher der Fraktion zu »nd«.

Folgt man der Landesliste, würden als Nächstes Franziska Leschewitz und Hakan Taş nachrücken. Taş erklärte allerdings im Sommer des vergangenen Jahres seinen Austritt aus der Linkspartei. Damit fällt er auch als Nachrücker aus, weil das Landeswahlgesetz vorsieht, dass aus der Partei ausgetretene Kandidaten nicht bei der Mandatsnachfolge beachtet werden. Unabhängig davon hatte Taş bereits am Montag gegenüber »nd« erklärt, das Mandat nicht anzunehmen.

»Die Wahl ist ordnungsgemäß durchgeführt worden.«

Stephan Bröchler Landeswahlleiter

Franziska Leschewitz bestätigte dem »Tagesspiegel« hingegen, ins Abgeordnetenhaus nachrücken zu wollen – nicht zum ersten Mal. 2020 übernahm sie für ein Jahr bis zur Abgeordnetenhauswahl 2021 das Mandat von Harald Wolf, in der darauffolgenden Legislatur rückte sie 2022 erneut kurz vor Ende der Wahlperiode in das Parlament nach, nachdem Stefanie Fuchs ihr Mandat niedergelegt hatte. Bislang hat sich die gelernte pharmazeutisch-technische Assistentin vor allem mit Gesundheitspolitik beschäftigt.

Als nächste Nachrückerin würde Imke Elliesen-Kliefoth infrage kommen. Auf eine nd-Anfrage erklärt sie, dass es noch zu früh sei, um zu sagen, ob sie das Mandat annehmen werde oder nicht. Die studierte Philosophin arbeitet zurzeit als persönliche Referentin für den Bundesvorstand der Diakonie, zuvor war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin der Linksfraktion im Bundestag. Zumindest theoretisch ist sie bestens für die restliche Legislatur vorbereitet: Zu ihren Veröffentlichungen gehört ein Gesprächsband zu »Gelingen und Erfolg«. Sollte sie verzichten, würde der ehemalige Abgeordnete Michael Efler zum Zuge kommen.

Noch unklar ist, wie sich das Stühlerücken auf das inhaltliche Profil der Linksfraktion auswirken wird. Ferat Koçak war zuletzt klimapolitischer Sprecher der Fraktion, zudem gehörte er dem Ausschuss für Inneres an. Katalin Gennburg vertrat die Fraktion als Sprecherin für Stadtentwicklung und Bauen. Wie die Sprecherposten nachbesetzt werden, steht noch nicht fest. »Das klären wir dann«, heißt es aus Fraktionskreisen.

Bei der CDU-Fraktion wird der bisherige wissenschaftspolitische Sprecher Adrian Grasse das Abgeordnetenhaus in Richtung Bundestag verlassen. Er hatte das Direktmandat in Steglitz-Zehlendorf gewonnen. Für ihn soll Marco Hahnfeld folgen, aktuell Mitarbeiter des CDU-Wirtschaftsrats. Nach nd-Informationen soll er am Dienstagabend bereits an einer Sitzung der CDU-Fraktion teilgenommen haben.

Für Julia Schneider, die in Pankow für die Grünen das Direktmandat in den Bundestag gewonnen hat, dürfte ein prominentes Gesicht ins Abgeordnetenhaus nachrücken: Die ehemalige Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg Monika Herrmann steht als Nächste auf der Landesliste. Für Roland Gläser, der aus der AfD-Fraktion ausscheidet, könnte Frank Scheermesser nachrücken.

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Im Unterschied zum Abgeordnetenhaus muss sich die Wahlorganisation – anders als nach der Chaoswahl 2021 – nicht neu ordnen. »Die Wahl ist ordnungsgemäß durchgeführt worden«, sagte Landeswahlleiter Stephan Bröchler. Dabei lag die Wahlbeteiligung mit über 80 Prozent auch in Berlin außergewöhnlich hoch. In zwei Bezirken kam es allerdings zu Nachzählungen: In Steglitz-Zehlendorf und Tempelhof-Schöneberg wurden die Ergebnisse punktuell geprüft, nachdem es in einzelnen Urnen- und Briefwahlbezirken zu Unregelmäßigkeiten gekommen war. In Marzahn-Hellersdorf werde ein solcher Schritt noch geprüft. Welche Unregelmäßigkeiten zu den Nachzählungen geführt haben, konnte Bröchler nicht sagen. Als mögliche Fehlerquellen nannte er allerdings Zahlendreher oder andere Flüchtigkeitsfehler.

Am Wahlergebnis änderten die Nachzählungen allerdings nichts. In Tempelhof-Schöneberg, wo sich der Grüne-Kandidat Moritz Heuberger mit 61 Stimmen nur äußerst knapp gegen Jan-Marco Luczak von der CDU durchsetzte, bestätigte die Nachzählung das ursprüngliche Ergebnis. In Steglitz-Zehlendorf und Marzahn-Hellersdorf sind die Abstände zwischen Erst- und Zweitplatzierten so groß, dass relevante Änderungen am Ergebnis extrem unwahrscheinlich sind.

Auch ansonsten verlief die Bundestagswahl in Berlin ohne größere Vorkommnisse. Das erklärte Innensenatorin Iris Spranger (SPD) am Dienstag nach der Sitzung des Senats. Sie sprach von einem »ruhigen Verlauf«. Auch zu relevanten Sicherheitsvorfällen ist es offenbar nicht gekommen. Eine eingerichtete Notfallnummer bei der Polizei blieb am Wahltag unbenutzt, so Spranger.

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