Suche nach verschwundenen Milliarden in Bangladesch

Nach Jahren der Korruption und Ausplünderung stehen Reformen in Bangladesch an

  • Robert Lenz
  • Lesedauer: 3 Min.
Muhammad Yunus (Mitte)
Muhammad Yunus (Mitte)

Bangladesch lag im Jahr 2024 auf der Rangliste von Transparency International (TI) zum Korruptionsniveau im öffentlichen Sektor auf Platz 151 der 180 bewerteten Länder. Im Vergleich zum Vorjahr war das ein Abstieg um 23 Plätze. Für Muhammad Yunus kommt das vernichtende Urteil nicht überraschend, sondern ist eher ein Ansporn, noch entschiedener gegen die endemische Korruption vorzugehen. Dabei willigte der 88-Jährige erst nach anfänglichem Zögern ein, Chef einer Übergangsregierung in dem überwiegend islamischen Land zu werden. Am 5. August 2024 hatten Massenproteste Premierministerin Sheikh Hasina zu Fall gebracht.

Damit endete die anderthalb Jahrzehnte dauernde Herrschaft von Hasina, die laut Kritikern auf Wahlfälschungen, Menschenrechtsverletzungen und systematischer Unterdrückung politischer Gegner gründete. Wirtschaftliches Missmanagement, zunehmende soziale Ungleichheit und Korruption galten als weitere Markenzeichen des Regimes. Um die von Studierenden angeführten Proteste niederzuschlagen, hatte die Regierungschefin auch Schlägertrupps ihrer Partei Awami-Liga eingesetzt, damit aber das Gegenteil erreicht: Entsetzt über die Gewalt – 858 Tote und 11 550 Verletzte – schlossen sich Eltern und Großeltern der Studenten den Protesten an.

Als Chef der Übergangsregierung hat Yunus die Mammutaufgabe vor sich, Verfassung, Regierung, staatliche Institutionen, Justiz und Wirtschaft von Grund auf zu reformieren. Im September 2024 berief der Gründer der Grameen Bank eine Kommission zur Bestandsaufnahme der wirtschaftlichen und finanziellen Situation des Landes ein. Deren Abschlussbericht war schockierend: Während der Herrschaft von Hasina wurden rund 16 Milliarden US-Dollar illegal aus Bangladesch abgezweigt – pro Jahr.

Im Januar warb Yunus in Davos auf dem Weltwirtschaftsforum bei Konzernchefs, Finanzinstitutionen und Politikern um Unterstützung bei der Suche nach den verschwundenen Milliarden. Vor einigen Wochen traf er sich in Bangladeschs Hauptstadt Dhaka mit Alex Soros, Sohn des Milliardärs und Gründers der Open-Society-Stiftung George Soros. Auch bei diesem Gespräch sei es um den »Wiederaufbau der Wirtschaft, die Rückverfolgung abgezweigter Vermögenswerte, die Bekämpfung von Fehlinformationen und die Durchführung wichtiger Wirtschaftsreformen« gegangen, wie ein Sprecher des Premiers mitteilte.

Mindestens so bedeutsam wie die internationale Hilfe ist aber das Vertrauen der Bürger. So sieht es auch der unabhängige Thinktank Crisis Group in einer Analyse der ersten 100 Tage von Yunus: »Für schnelle Erfolge sollten die tägliche Korruption im öffentlichen Dienst, die Verbesserung der Stromversorgung und eine Reduzierung des hohen Preisniveaus angegangen werden. Eine starke öffentliche Unterstützung der Interimsregierung könnte Druck auf andere politische Kräfte, insbesondere die (Oppositionspartei) BNP, ausüben, seine Agenda zu unterstützen.« Eine zentrale Rolle spielt auch die Armee, die sich bis zur Wahl eines neuen Parlaments als Garant von Recht und Ordnung sieht, wie es deren Chef General Waker-Uz-Zaman Anfang der Woche sagte.

Viele Menschen in Bangladesch wollen die nach Indien geflüchtete Hasina und ihre Verbündeten wegen Menschenrechtsverletzungen und Korruption vor Gericht sehen. Zwei Haftbefehle wurden bereits erlassen.

Eine Ahnung vom Ausmaß des korrupten Netzwerks geben die kürzlich eingeleiteten Ermittlungen der Anti-Korruption-Kommission gegen die Ex-Premierministerin wegen des Vorwurfs, über Projekte in New York und London 300 Millionen US-Dollar gewaschen zu haben. Im Visier der Ermittler sind zudem zahlreiche Verwandte, darunter Hasinas Nichte Tulip Siddiq: Sie trat Mitte Januar im Zuge des Skandals als Schatzministerin des britischen Premiers Keir Starmer zurück.

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