Schutzgeldeintreiber Washington

Mit dem Rohstoffdeal nutzt US-Präsident Donald Trump die kritische Lage der von Russland angegriffenen Ukraine brutal aus

  • Reiner Oschmann
  • Lesedauer: 4 Min.
Mit dem Rohstoff-Abkommen setzt US-Präsident Donald Trump bei seinem ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj eigene Interessen durch.
Mit dem Rohstoff-Abkommen setzt US-Präsident Donald Trump bei seinem ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj eigene Interessen durch.

Nach sechs Wochen im Amt lässt sich festhalten: US-Präsident Donald Trump ist gern als globaler Schutzgeld-Erpresser unterwegs. Egal, ob sein Appetit von Panama oder Kanada, Grönland oder Gaza, von Europa allgemein oder von der Ukraine angeregt wird – stets versucht der Dealmaker-in-Chief, mit Finanzabkommen die USA »great again« zu machen. Niemand kriegt das schmerzhafter zu spüren, als die im Überlebenskampf stehende Ukraine.

Auch die europäischen Staaten drängt Trump zu Rüstungsausgaben in Umfängen wie im Kalten Krieg. Die Staaten der Europäischen Union, aber auch Brexit-Britannien und eben die Ukraine sollen nach Trumps Vorstellungen ihren Tribut zum »goldenen Zeitalter Amerikas« entrichten, dessen Beginn er bei Amtseinführung ausgerufen hatte.

Die von Russland großflächig zerstörte Ukraine soll nach dem Blutzoll an Präsident Wladimir Putin nun von dem anderen Präsidenten wirtschaftlich geplündert werden. Bei einer Konferenz konservativer US-Aktivisten knüpfte Trump fortgesetzte Ukraine-Hilfe an Bedingungen: »Ich will«, forderte er, »dass sie uns etwas geben für all das Geld, das wir aufgebracht haben. Wir wollen Seltene Erden und Öl, alles, was wir kriegen können.« Beide Präsidenten wollen die Ukraine zum Diktatfrieden zwingen – Putin mit Bomben, Trump mit Schutzgelderpressung.

Auch wenn sich Trump am Montag in Washington mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron traf – auf Augenhöhe sieht er die EU nicht. Die Kosten für den Wiederaufbau und die langfristige Friedenssicherung sollen die Ukraine und die EU trotzdem alleine tragen. Im Juli 2022 schätzte die Weltbank die Kosten für den Wiederaufbau und die langfristige Stabilisierung der Ukraine auf 750 Milliarden US-Dollar.

Als zweiter europäischer Spitzenpolitiker nach Präsident Macron wird an diesem Donnerstag der britische Labour-Premier Keir Starmer in Washington erwartet. Vor seiner Abreise stellte er klar: »Wir stehen unverändert Schulter an Schulter mit der Ukraine.« Wie wichtig es ihm ist, im Weißen Haus die Balance zu halten, unterstrich er am Dienstag im britischen Parlament: Die USA sind unser wichtigster Partner, aber ebenso wichtig ist »eine engere Zusammenarbeit mit Europa«.

Starmer wird keinerlei Grundsatzentscheidung gegen Washington treffen, dazu ist London zu schwach. Vielmehr wird er auch künftig alle Trump-Volten so auszutarieren suchen, dass sowohl der Diplomatie als auch den von den Briten beschworenen Sonderbeziehungen Genüge getan wird. Das schließt das Bewusstsein ein, wachsam jeden Versuch zu parieren, von Trump im Namen jener »special relationship« als Spaltkeil gegen Europa eingesetzt zu werden. So wie Macron wird Starmer versuchen, Trump zu überzeugen, dass ein Frieden in der Ukraine dauerhaft sein muss und nur mit ihr zusammen ausgehandelt werden darf.

Mit Starmers Ankunft in den USA gibt es eine neue Entwicklung in Sachen Ukraine: Nach längerem Streit über einen Rohstoffdeal sollen sich Kiew und Washington laut Medienberichten auf die Details eines Vertrags geeinigt haben, der den USA Zugang zu Ressourcen in dem von Russland angegriffenen Land im Gegenzug für Hilfen aus Washington gäbe. Eine offizielle Stellungnahme der Ukraine lag anfangs nicht vor.

Um das Abkommen hatte es heftigen Streit gegeben, weil Präsident Wolodymyr Selenskyj die Unterzeichnung zunächst verweigerte. Auch europäische Länder äußerten sich empört, dass Trump die Kriegsnot des Landes offenbar als Gelegenheit für lukrative Ausbeutung betrachtet. Neben den für Hochtechnologieprodukte wichtigen Seltenen Erden geht es um den Zugang der USA zu ukrainischem Öl und Gas. Trump hatte auf einen derartigen Deal als Kompensation für die geleistete US-Militärhilfe bestanden.

Den Berichten zufolge ist in der vermeintlichen Schlussfassung von Sicherheitsgarantien der USA nicht mehr die Rede. Darauf hatte die Ukraine aber immer wieder gepocht. Nach den Berichten erhalten die USA keine 100-prozentige Kontrolle über einen geplanten Wiederaufbaufonds, in den die Einnahmen aus dem Abbau der Bodenschätze fließen sollen. Der Fonds solle von den USA und der Ukraine gemeinsam verwaltet werden. In ihn sollen bis zu 50 Prozent aus den Einnahmen von Rohstoffverkäufen und der für den Umschlag der Bodenschätze wichtigen Häfen und anderer Infrastruktur gespeist werden.

Laut »Financial Times« wird Präsident Selenskyj das Abkommen an diesem Freitag in Washington mit Trump unterzeichnen. Letzterer reagierte in einer ersten Erklärung demonstrativ herablassend: »Ich höre, dass er am Freitag kommen will. Das geht für mich in Ordnung, wenn er es möchte.«

Kurz zuvor hatte Selenskyj noch seine Nichtunterzeichnung des Abkommens mit fehlenden Sicherheitsgarantien begründet. Zudem nannte er die angebliche Gesamtsumme der bisherigen US-Hilfen von 500 Milliarden Dollar unzutreffend und kritisierte, dass Präsident Trump Hilfszahlungen der Vergangenheit nun nachträglich zu Krediten umwidmen wolle. »Wir können Finanzhilfen nicht als Schulden anerkennen«, sagte Selenskyj.

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