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Aufrüstung auf Kosten der Entwicklungshilfe
Bei seinem Besuch in Washington will Großbritanniens Premierminister Keir Starmer mit höheren Verteidigungsausgaben punkten
Wird Keir Starmer einen auf Hugh Grant machen, wenn er sich am Donnerstag mit Donald Trump trifft? Diese Frage hat in den vergangenen Tagen britische Leitartikler umgetrieben. Es geht um eine berühmte Szene aus dem Film »Tatsächlich … Liebe« aus dem Jahr 2003, in der der britische Premierminister – gespielt von Grant – einem unsympathischen, schamlosen US-Präsidenten in einer Pressekonferenz die Stirn bietet.
»Ein Freund, der sich rüpelhaft verhält, ist nicht mehr unser Freund«, sagt der Grant-Premier, begleitet von aufwühlend-triumphaler Streichmusik. »Und da Rüpel nur mit Stärke zu beeindrucken sind, habe ich mir vorgenommen, ab sofort sehr viel mehr Stärke zu zeigen.«
Aber das wirkliche Leben ist keine Filmromanze, darum hat die Frage, ob Starmer sich davon inspirieren lassen wird, eine offensichtliche Antwort: Nein. Stattdessen wird sich der Premierminister bemühen, Trump nicht zu sehr auf die Füße zu treten. Gleichzeitig will er ihn davon überzeugen, die Ukraine in die Friedensgespräche einzubeziehen und Putin mit seinen diplomatischen Manövern nicht direkt in die Hände zu spielen.
Starmers Mission in Washington sei »die Mutter aller Balanceakte«, schreibt das Magazin »New Statesman«. In den Tagen vor seiner USA-Reise hat der Premier schon mal Einblicke in seine Drahtseil-Strategie gegeben. In einer Rede am Montag hielt er Trump zugute, dass er »eine Gelegenheit geschaffen« habe, den Krieg zu beenden. Aber es sei entscheidend, dass die Ukraine »im Zentrum jeglicher Verhandlungen« über einen Waffenstillstand und einen Friedensvertrag stehe – womit er Trump deutlich widerspricht. Um Putin davon abzuhalten, die Ukraine erneut zu überfallen, sei eine US-amerikanische Sicherheitsgarantie unumgänglich.
Am Dienstag wiederum folgte eine Ankündigung, die Trump freuen dürfte. Großbritannien werde seine Verteidigungsausgaben bis 2027 von den heutigen 2,3 auf 2,5 Prozent der Wirtschaftsleistung erhöhen, sagte Starmer im Unterhaus. Für die Sicherheit Großbritanniens seien diese zusätzlichen Ausgaben unumgänglich.
Aber die Ankündigung ist auch eine größere Konzession an die USA: Eine der zentralen Forderungen Trumps an die Europäer lautet, sie sollen mehr Geld in die Verteidigung stecken. Um dem Präsidenten in diesem Wunsch entgegenzukommen, nimmt Starmer zu Hause erhebliche Kritik in Kauf. Denn die zusätzlichen Ausgaben für die Verteidigung gehen direkt auf Kosten der internationalen Entwicklungshilfe: Diese wird von 0,5 Prozent auf 0,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes heruntergefahren.
Wenig überraschend sind Entwicklungshilfeorganisationen entrüstet. David Miliband, ehemaliger Labour-Außenminister und heute Vorsitzender der Hilfsorganisation International Rescue Committee, sagte: »Dieser Entscheid wird weitreichende und verheerende globale Konsequenzen haben für Menschen, die mehr Hilfe brauchen.«
Aber auch in den eigenen Reihen ist Unmut zu spüren. Die Labour-Abgeordnete Sarah Champion, die dem Parlamentskomitee für internationale Entwicklung vorsteht, sagte, dass Entwicklung und Verteidigung eng miteinander verknüpft seien – »das eine zu kürzen, um das andere zu finanzieren, wird die Welt destabilisieren«. Anonyme Labour-Abgeordnete äußerten sich direkter: Einer sprach gegenüber dem Nachrichtenportal »Politico« von »Trump’schem Bullshit«, ein anderer hält den Schritt für einen »bescheuerten« Versuch, den US-Präsidenten zu beschwichtigen.
Sollte es Starmer am Donnerstag allzu offensichtlich darauf anlegen, Trump zu umschmeicheln, würde das beim Heimpublikum schlecht ankommen. Denn die meisten Briten können Trump nicht ausstehen: Eine Umfrage des Instituts Yougov kam Mitte Februar zu dem Schluss, dass 73 Prozent der Bevölkerung ein negatives Bild vom US-Präsidenten haben. Eine andere Erhebung ergab vergangene Woche, dass 48 Prozent der Briten finden, die Unterstützung der Ukraine habe höchste Priorität – nur 20 Prozent fanden, gute Beziehungen zu den USA seien wichtiger.
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