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Beinahe Verdopplung von Racial Profiling

Linke fordert Ende von anlasslosen Kontrollen an den Binnengrenzen, Bundesregierung setzt auf bessere Ausbildung

Häufig gerieten die Betroffenen wegen ihrer zugeschriebenen Herkunft ins Visier der angeblich anlassunabhängigen Kontrollen, kritisiert die Linke-Politikerin Clara Bünger.
Häufig gerieten die Betroffenen wegen ihrer zugeschriebenen Herkunft ins Visier der angeblich anlassunabhängigen Kontrollen, kritisiert die Linke-Politikerin Clara Bünger.

Im Jahr 2024 führte die Bundespolizei 6,1 Millionen und damit mehr als doppelt so viele Kontrollen an deutschen Grenzen durch wie im Vorjahr. Dies geht aus der kürzlich veröffentlichten Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Linke-Abgeordneten Clara Bünger hervor. Die Zunahme ist in erster Linie auf erweiterte »Schleierfahndungen« zurückzuführen. Dabei handelt es sich um polizeiliche Maßnahmen, bei denen Personen im Grenzgebiet bis zu 30 Kilometern entfernt ohne konkreten Anlass überprüft werden dürfen. Für 2024 zählt die Bundespolizei insgesamt 4,7 Millionen solcher verdachtsunabhängigen Kontrollen – auch dies ist beinahe eine Verdopplung. Hinzu kommen rund 1,35 Millionen Durchsuchungen von Sachen durch die Bundespolizei; dazu zählen etwa Taschen und Fahrzeuge.

Mit der sogenannten Migrationskrise hatte Deutschland ab 2015 Kontrollen an der Grenze zu Österreich begonnen, 2023 folgten die Schweiz, Polen und Tschechien. Im September 2024 hat Innenministerin Nancy Faeser (SPD) auf Druck der konservativen und rechten Opposition schließlich die Ausweitung auf alle deutschen Landgrenzen angeordnet.

Diese Abschottung schlägt sich auch in der Statistik nieder: Besonders zugenommen haben die Bundespolizeikontrollen an den Grenzen zu Tschechien (2,48 Millionen gegenüber 721 000 im Jahr 2023), Polen (810 000 gegenüber 382000) und den Niederlanden (409 000 gegenüber 245 000). An der Grenze zu Frankreich sank die Zahl der Kontrollen hingegen leicht auf 150 000. Auch Flughäfen gelten als deutsche oder auch EU-Außengrenze, dort erfolgten 2024 insgesamt rund 362 000 Überprüfungen bei der Einreise.

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Währenddessen ging die Zahl der festgestellten unerlaubten Einreisen um gut zwei Drittel auf nur noch 17 900 zurück – angesichts der millionenfachen Kontrollen eine niedrige »Trefferquote«, kritisiert die Fragestellerin Bünger. Denn das bedeutet, dass die übergroße Mehrheit der Kontrollierten über ein Visum oder einen Aufenthaltstitel verfügt oder aus Staaten kommt, deren Bürger*innen visumfrei einreisen dürfen.

Häufig gerieten die Betroffenen allein aufgrund ihrer Haut- oder Haarfarbe, der zugeschriebenen Herkunft oder wegen eines religiösen Symbols ins Visier der Beamt*innen, sagt Bünger. Die Abgeordnete sieht darin Racial Profiling, das gegen das Diskriminierungsverbot aus Artikel 3 des Grundgesetzes verstößt.

Die Bundesregierung will dieses Problem mit Ausbildungsmaßnahmen zu Antirassismus und Antidiskriminierung kontern. Diese Themen seien »ein fester und wesentlicher Bestandteil« aller Laufbahngruppen der Bundespolizei. »Das effektivste Mittel gegen Racial Profiling wäre es, die Befugnis zu verdachtsunabhängigen Kontrollen ersatzlos zu streichen«, sagt Bünger. So empfehle es auch der UN-Ausschuss gegen Rassismus.

Die Ampel-Regierung wollte rassistische Kontrollen außerdem über eine Klausel im neuen Bundespolizeigesetz einhegen, indem Betroffene von Beamt*innen sogenannte Kontrollquittungen einfordern könnten. Wegen vorgezogener Neuwahlen wurde das Gesetz aber nicht verabschiedet. Die Union, die mit Friedrich Merz absehbar auch den kommenden Kanzler stellt, lehnt die darin enthaltenen Maßnahmen ab.

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