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5-Punkte-Plan: In Brandenburg hält die Brandmauer
Brandenburgs Landtag lehnt den von der AfD eingebrachten 5-Punkte-Plan der CDU zur Asylpolitik ab
SPD, BSW und CDU sollen im Brandenburger Landtag auf die Probe gestellt werden. Deshalb hat die AfD-Fraktion den umstrittenen 5-Punkte-Plan der CDU zur Verschärfung der Asylpolitik aus dem Bundestag übernommen und im Landtag zur Abstimmung gestellt. Es ist nur eine unverbindliche Resolution. Sie löste jedoch Proteste aus, als sie Ende Januar im Bundestag mit Stimmen von Union, FDP und AfD eine Mehrheit fand. Durch sein Zusammenwirken mit der AfD habe CDU-Fraktionschef Friedrich Merz die sprichtwörtlich gewordene Brandmauer eingerissen, lautete der Vorwurf.
Das BSW hatte sich im Bundestag beim 5-Punkte-Plan enthalten, dann aber zwei Tage später dem ähnlich gelagerten und ebenfalls von der CDU eingebrachten Zustrombegrenzungsgesetz zugestimmt. Der Gesetzentwurf fand allerdings dennoch keine Mehrheit, weil etliche Abgeordnete der Union und der FDP dabei dann nicht mehr mitmachen wollten.
Im Landtag springen die drei anderen Fraktionen am Donnerstag nicht über das von der AfD hingehaltene Stöckchen. Die Koalitionsfraktionen SPD und BSW lehnen den 5-Punkte-Plan ab und die oppositionelle CDU enthält sich der Stimme. Damit ist der Antrag der AfD durchgefallen. Es spreche nichts gegen konsequente Maßnahmen, aber die Grundsätze des Rechtsstaats und der Humanität dürften niemals aus den Augen verloren werden, mahnt BSW-Fraktionschef Niels-Olaf Lüders.
Für die SPD fragt der Abgeordnete Ludwig Scheetz die AfD: »Wollen Sie Mauer und Stacheldraht an den Grenzen – am besten mit Schießbefehl?« Die Abschiebung von Flüchtlingen in den Staat, in dem sie zuerst den Boden der EU betreten haben, sei möglich, das Zurückweisen aller Flüchtlinge an der Grenze aber wäre ein Rechtsbruch, erläutert Scheetz. Wer glaube, wenn man alle abschieben würde, wären alle Probleme gelöst, der irre. Der 5-Punkte-Plan sei ein »Frontalangriff« auf den Rechtsstaat und schädlich für die Wirtschaft. Scheetz erinnert, gerade die polnischen Nachbarn, die zur Arbeit nach Brandenburg pendeln, wiesen ja darauf hin, dass dauerhafte Kontrollen an der deutschen Grenze störend wären.
Auch ein Vorstoß der CDU-Fraktion wird zurückgewiesen. Der Landtag sollte den vom Bundestag gebilligten 5-Punkte-Plan begrüßen und Brandenburg sollte eine zusätzliche Hundertschaft der Polizei für die Grenzregion bilden. Doch außer der CDU stimmte nur die AfD dafür, und sie haben im Landtag zusammen keine Mehrheit.
Bevor es nach zwei jeweils gut eine Stunde währenden Verzögerungen zur Abstimmung kommt, wird zwar auch viel geredet, aber so gut wie gar nicht sachlich diskutiert. In seiner eigenwilligen Auslegung der Ergebnisse der Bundestagswahl vom 23. Februar versucht AfD-Fraktionschef Hans-Christoph Berndt der CDU nachzuweisen, diese sei nur auf dem Papier der Sieger und genauso wie die SPD keine Volkspartei mehr. So eine Volkspartei sei mit ihrem guten Abschneiden die AfD, an der die Beobachtung durch den Verfassungsschutz abperle. »Vom AfD-Verbot kann nur noch reden, wer nicht alle Tassen im Schrank hat«, behauptet Berndt.
»Die BSW-Fraktion steht für einen in der Sache gerne harten Austausch, aber macht Polit-Kaspereien und als Show inszenierte Zwischenruf-Orgien nicht mit.«
Falk Peschel (BSW) Landtagsabgeordneter
Im Juni 2024 hatte die Brandenburger SPD bei der Kommunalwahl nur 16,6 Prozent der Stimmen erhalten, bei der zeitgleichen Europawahl sogar nur 13,1 Prozent. Bei der Bundestagswahl am vergangenen Sonntag waren es in Brandenburg lediglich 14,8 Prozent. Angesichts solcher Werte hält es AfD-Fraktionschef Berndt für eine Anomalie, dass die SPD die Landtagswahl am 22. September mit 30,9 Prozent gewinnen und die AfD mit einem Vorsprung von 1,7 Prozentpunkten schlagen konnte.
Das sieht der SPD-Abgeordnete Scheetz anders. »Die Landtagswahl war keine Anomalie, sondern das Ergebnis der sehr, sehr guten Arbeit der Landesregierung«, sagt er. Aus dem Hintergrund prophezeit Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) der AfD mit einem vernehmlichen Zwischenruf: »Ihr werdet wieder verlieren!« Woidke ist gerade erst in den Saal gekommen. Er hatte sich eigentlich für die Ministerpräsidentenkonferenz abgemeldet, an der er per Videoschalte teilnahm. Doch die AfD zitierte ihn herbei. Bis Dietmar Woidke eintrifft, ist die Landtagssitzung das erste Mal unterbrochen.
Das hat Dennis Hohloch durchgesetzt. Der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion verursacht auch noch die zweite lange Unterbrechung. Nachdem er die Formulierung, etwas mit »dem Arsch einreißen« verwendet, fordert ihn Landtagspräsidentin Ulrike Liedtke (SPD) auf, solche »Fäkalsprache« zu unterlassen und sich zu entschuldigen. Liedtke setzt hinzu: »Ihre Zeit ist sowieso abgelaufen.«
Hohloch entschuldigt sich jedoch nicht und dreht erst richtig auf, weil er seiner Meinung nach noch 20 Sekunden Redezeit auf seiner Uhr hatte. Der Abgeordnete schimpft wie ein Rohrspatz und weigert sich, das Rednerpult zu räumen. Währenddessen tritt ein Mitarbeiter von hinten an Liedtke heran und flüstert ihr zu, es seien tatsächlich noch einige Sekunden auf der Uhr gewesen. Nach einer Besprechung des Landtagspräsidiums in einer Sitzungspause bedauert Liedtke, es habe sich um ein technisches Versehen gehandelt.
Der BSW-Fraktion wird es zwischenzeitlich zu bunt und sie verlässt vorübergehend den Saal. BSW-Fraktionsgeschäftsführer Falk Peschel teilt dazu mit: »Das Parlament verdient von allen Abgeordneten und Fraktionen die notwendige Ernsthaftigkeit und Würde. Die BSW-Fraktion steht für einen in der Sache gerne harten Austausch, aber macht Polit-Kaspereien und als Show inszenierte Zwischenruf-Orgien nicht mit.«
Vom hohen Niveau der Landtagsdebatten in den 90er Jahren ist Brandenburg mittlerweile Lichtjahre entfernt.
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