Ein Sieg für die Inklusion bei der nordischen Ski-WM

In Norwegen starten Sportlerinnen und Sportler mit Handicap erstmals im Rahmen der Titelkämpfe der Nichtbehinderten

  • Lars Becker, Trondheim
  • Lesedauer: 3 Min.
Anja Wicker freut sich auf »Highlight mit Gänsehaut-Atmosphäre« in Trondheim.
Anja Wicker freut sich auf »Highlight mit Gänsehaut-Atmosphäre« in Trondheim.

Die Aufregung ist riesig bei den deutschen Para-Skilangläufern. Sie sind schließlich schon seit ein paar Tagen in Norwegen, haben am Wochenende gerade ihr Weltcup-Finale in Steinkjer absolviert. Und im öffentlich-rechtlichen Fernsehprogramm von NRK gibt es gerade kein wichtigeres Thema als die Nordischen Ski-Weltmeisterschaften in Trondheim und die riesige Begeisterung von Zehntausenden Fans bei diesen Titelkämpfen. Auf dieser riesigen Bühne werden die Para-Skilangläufer an diesem Dienstag und Mittwoch ihre Weltmeisterinnen und Weltmeister im Sprint ermitteln – ein gewaltiger Sieg für die Inklusion und eine historische Premiere im Skisport.

»Das wird ein unglaubliches Highlight mit Gänsehaut-Atmosphäre. Es wird Zeit, dass wir so gepusht werden«, meint Anja Wicker. Die querschnittsgelähmte Frau hat bei ihrem Paralympics-Sieg 2014 im Biathlon von Sotschi schon einmal einen Wettkampf vor ein paar Tausend Zuschauern bestritten. Für Marco Maier, genau wie Wicker einer der deutschen Medaillenkandidaten jetzt in Trondheim, ist das Neuland: »Es wird das erste Mal sein mit so vielen Zuschauern an der Strecke und einem ganz großen Stadion. Es wird ganz anders sein, als wir es sonst gewohnt sind.«

Der Impuls für dieses spektakuläre Inklusions-Projekt kam von WM-Gastgeber Trondheim. In Norwegen wird die Gleichberechtigung von Menschen mit Behinderung genau wie die der Geschlechter groß geschrieben. Für die Premiere der Sportlerinnen und Sportler mit Handicap im Rahmen der Titelkämpfe der Nichtbehinderten wird groß Werbung gemacht, die nationale Hoffnungsträgerin Vilde Nilsen spielt in den PR-Filmen von Trondheim eine Hauptrolle. Insgesamt sechs Goldmedaillen werden in den Para-Sprints vergeben – je drei pro Geschlecht in den Kategorien sitzend, stehend und sehbeeinträchtigt.

Es gibt sogar ein Preisgeld von insgesamt einer Million norwegischer Kronen für die Para-Wettbewerbe. Das sind umgerechnet etwa 85 500 Euro, zu je 50 Prozent finanziert vom lokalen Ausrichter und dem Internationalen Skiverband Fis. »Das ist das erste Mal, dass es auch um Geld bei uns geht. Das sorgt für noch ein bisschen mehr Aufregung – ist aber auch ein Zeichen der Wertschätzung, dass unsere Leistungen genauso viel wert wie die der Nichtbehinderten sind«, findet Maier.

Ganz reibungsfrei ist das Miteinander mit den großen Stars aus dem olympischen Skilanglauf dennoch nicht. »Es gibt da schon eine gewisse Skepsis und wir wurden gebrieft, dass wir uns benehmen sollen«, sagt Bundestrainer Ralf Rombach mit einem Lächeln. Es geht dabei vor allem um die wegen der vielen Starter streng reglementierten Trainingszeiten auf den WM-Strecken. Gleichzeitig gibt es verbindende Zusammenarbeit: So werden beispielsweise die deutschen Para-Sportler auch vom Wachsteam der deutschen Skilangläufer Tipps für die richtige Präparierung der Bretter und Schlitten bekommen.

Die Bemühungen des Weltverbandes für den Para-Skilanglauf sieht Rombach generell als sehr positiv an: »Die Fis ist zwar ein Supertanker, dessen Manövrierfähigkeit sich in Grenzen hält. Aber alle bemühen sich, obwohl wir in Sachen Werbepartner und mediale Präsenz bisher eher für wenig Rückflüsse sorgen. Die Inklusion ist jedenfalls kein Feigenblatt, was sie sich umgebunden haben.«

Dennoch könnte die spektakuläre Premiere der Para-Sportler im Rahmen der Nordischen Ski-Weltmeisterschaften eine einmalige Aktion bleiben. Der nächste WM-Ausrichter Falun sieht sich für 2027 bislang nicht in der Lage, in Schweden etwas Ähnliches wie gerade in Norwegen auf die Beine zu stellen. »Wir sind aber dazu im Dialog mit den künftigen WM-Ausrichtern«, sagt Sandra Spitz, Sport- und Eventdirektorin des Weltverbandes. Rombach hofft auf eine magische Premiere in Trondheim als zusätzliches Argument: »Vielleicht geraten sie unter Zugzwang. Einmal und nie wieder – das darf nicht sein.«

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