Berliner Polizist verurteilt: »Für mich ist Polizei alles«

Ein Polizist wurde wegen Körperverletzung im Amt schuldig gesprochen – Geschädigte seien »verhaltensauffällig« gewesen

Festgenommen, weil »verhaltensauffällig« und dann geohrfeigt: Das ist zwei Männern passiert, die in die Kontrolle eines Berliner Polizisten gerieten.
Festgenommen, weil »verhaltensauffällig« und dann geohrfeigt: Das ist zwei Männern passiert, die in die Kontrolle eines Berliner Polizisten gerieten.

Polizeibeamte landen sehr selten auf der Anklagebank. Noch seltener werden sie verurteilt – am Dienstagabend ist jedoch ein Berliner Polizist am Kriminalgericht in Moabit zu neun Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Der Richter sprach ihn schuldig, Körperverletzung im Amt begangen zu haben und versucht zu haben, eine Aussage zu erpressen. Vor Gericht sagten zwei Polizeibeamte zu Lasten des Angeklagten aus.

Theodor J. (27) schaut auf den Boden, als er beginnt, von zwei verschiedenen Einsätzen im Frühjahr 2024 zu erzählen, für die er vor Gericht steht. Beide Male verpasste er zwei gefesselten Männern eine Backpfeife.

Am 19. April 2024 meldete sich J. zum Schichtwechsel nach eigenen Aussagen freiwillig, um die Identität eines obdachlosen Mannes festzustellen, der gefesselt in einem Anzeigenaufnahmeraum eines Polizeiabschnitts saß. Dem Festgenommenen wurde vorgeworfen, Ladendiebstahl begangen zu haben. J. sagt, der Mann habe nicht aufgehört zu schreien. Außerdem soll er den Beamten auf Polnisch beleidigt haben. Die Nachfrage des Richters an J., ob er denn Polnisch spreche, verneint dieser. Stattdessen schloss er auf Beleidigungen, da der Gefesselte einen gängigen polnischen Ausdruck verwendete.

Mit seiner flachen Hand schlug der Beamte dem Festgenommenen ins Gesicht. Vor Gericht erklärt J., er habe den Mann »aus seinem Tunnel rausholen« wollen. Außerdem habe der Mann kein Deutsch gesprochen und sich »verhaltensauffällig« gezeigt. Auf Nachfrage seitens des Richters, was das denn genau hieße, sagt J.: Der Gefesselte sei »mit den polizeilichen Maßnahmen nicht in Einklang« gewesen.

Dem Richter sei unklar, warum der Beamte bei dieser »Stammkundschaft« die Beherrschung verliere. Ein anwesender Schöffe fragt den Polizisten, warum er keinen Dolmetscher gerufen habe. Der verteidigende Anwalt von J. sagt, dass hätte zu lange gedauert.

Rund zwanzig Minuten lang sei der Beamte laut eigenen Aussagen mit dem Festgenommen in Kontakt gewesen. In dieser Zeit habe er versucht, die Tür zu dem Anzeigenaufnahmeraum zu schließen. Er habe verhindern wollen, dass das »an die Öffentlichkeit« gerät. Es bleibt unklar, ob damit die Handlungen des Polizisten oder die Schreie des Obdachlosen gemeint sind. Klar bleibt hingegen das Ziel des Polizisten: Er habe mit dem Schlag den Mann »beruhigen« wollen, wie der Beamte sagt.

Verhaltensauffälligkeit spielt auch beim zweiten Vorfall eine Rolle, für die der Polizist angeklagt ist. Am 9. Mai 2024 soll er nicht nur Körperverletzung im Amt begangen haben, sondern auch versucht haben, zu erpressen. Anlass war die Personenkontrolle eines mutmaßlichen Drogendealers. Dieser wurde von dem Beamten unter Widerstand festgenommen und abermals mit auf den Rücken gefesselten Händen von J. geohrfeigt.

»Partnerschaft und Polizei ist für mich die optimale Work-Life-Balance.«

Verurteilter Polizist Theodor J.

Zuvor hatte der Festgenommene ein Glas Wasser erbeten, das ihm J. verwehrt haben soll. Das sagt eine Polizeibeamtin vor Gericht als Zeugin aus. »Du bekommst das Wasser erst, wenn du Fragen beantwortest«, soll J. laut der Zeugin zu dem gefesselten Mann gesagt haben. Sowohl sie als auch ein weiterer Polizist, der vor Gericht als Zeuge aussagen, beschreiben die zwei Situationen als »nichts Außergewöhnliches« im Alltag eines Polizeibeamten: Manche Festgenommenen würden lauter werden, andere eben nicht.

Durch die Verurteilung dürfte die Laufbahn für den Beamten auf Probe enden. J. sagt vor Gericht, dass die Polizei für ihn »alles« sei. Sein Verhalten sei »unprofessionell« und »impulsiv« gewesen. Die Beherrschung habe er verloren, da sich seine Freundin damals von ihm habe trennen wollen – sie sei seine einzige Bezugsperson in Berlin gewesen. »Partnerschaft und Polizei ist für mich die optimale Work-Life-Balance«, meint J. Das klinge »insgesamt nicht so gesund«, sagt der Richter.

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