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Auf Trumps Speiseplan: Der Militärstützpunkt Bagram
Washington will eine Truppenpräsenz nahe China – und seine in Afghanistan zurückgelassenen Waffen
Nicht nur Grönland, die Gaza-»Riviera«, der Panamakanal und die seltenen Erden der Ukraine – auf dem Speiseplan der weltweiten Trumpschen Einverleibungen steht auch Bagram, bis August 2021 größter US-Militärstützpunkt in Afghanistan. Das Pentagon gab ihn am 1. Juli 2021 in Umsetzung des mit den Taliban vereinbarten Truppenabzugs auf – fast sieben Wochen vor dem Zusammenbruch der westlich gestützten Regierung des Präsidenten Aschraf Ghani. Das geschah über Nacht, und ohne den bisherigen afghanischen Verbündeten Bescheid zu sagen. Die Amerikaner ließen sogar das Licht brennen, nachdem ihr letztes Militärflugzeug von dort abgehoben war, damit sie nicht gleich ihren Abflug mitbekamen. Das untergrub die Widerstandskraft der Afghanen endgültig.
Trump hatte das Abzugsabkommen mit den Taliban in seiner ersten Amtszeit geschlossen. Damals versuchte er, sie zu überreden, einer kleinen, verbleibenden US-Truppenpräsenz zuzustimmen. »Wir hatten vor, eine kleine Truppe in Bagram zu behalten«, sagte er in seiner Rede in der ersten Sitzung des neuen Kabinetts am Mittwoch in Washington. Die Taliban lehnten das seinerzeit strikt ab, aber Trump war offenbar der Ansicht, man könne das auch ohne ihre Zustimmung umsetzen. Sein Nachfolger Biden jedoch sah das anders, und zog alle Soldaten ab.
Militärbasis an Chinas Grenze
Jetzt lässt Trump seinen Plan wieder aufleben. Schon im Wahlkampf hatte er mehrere Male auf Bagram Bezug genommen. Am Mittwoch sagte er auch, warum: »Wir wollten Bagram nicht wegen Afghanistan, sondern wegen China behalten, weil es genau eine Stunde von dem Ort entfernt ist, an dem China seine Atomraketen baut. Die Vereinigten Staaten haben die Kontrolle über den Stützpunkt verloren, der nun unter dem Einfluss Chinas steht.« Das ordnet sich in die Umorientierung der US-Außenpolitik auf Asien und den pazifischen Raum ein, die unter dem Stichwort »Pivot to Asia« bereits unter Obama begann.
Den Worten folgten schon erste konkrete Schritte, und zwar in Richtung Pakistan. Offenbar will sich Trump dessen Unterstützung gegenüber den Taliban versichern, und zwar auf einem thematischen Umweg. Laut Pentagon geht es um Waffen im Wert von sieben Milliarden US-Dollar, die die USA vor ihrem Abzug an Afghanistans Armee geliefert hatten und die dann an die Taliban fielen. Diese haben einiges davon repariert und führen es zur Demütigung Washingtons zu nationalen Feiertagen öffentlich vor.
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Pakistan versichert Unterstützung
Pakistans Regierung behauptet, Kabul würde auch die pakistanische Taliban-Bewegung TTP mit US-Waffen beliefern. Diese will die Regierung in Islamabad stürzen, verstärkt seit einem Jahr ihre Aktivitäten und greift – wie bei einem Autobombenanschlag am Mittwoch in der Stadt Bannu – immer wieder Pakistans Militär an. Pakistans Vizepremier und Außenminister Ishaq Dar sagte deshalb, US-Waffen in Taliban-Händen erzeugten »tiefe Sorge um die Sicherheit Pakistans«.
Bereits am Dienstag telefonierte Trumps nationaler Sicherheitsberater Mike Waltz mit Vizepremier Dar, wie das Außenministerium in Islamabad bestätigte. Dar habe die Kooperation seines Landes zugesichert und seiner Hoffnung auf eine Verbesserung der Beziehungen mit Washington Ausdruck gegeben, die in den vergangenen Jahren gelitten und zu Kürzungen der US-Militär- und Wirtschaftshilfe geführt hat. Dies möchte Islamabad wieder aufleben lassen.
Konflikte zwischen Pakistan und Afghanistan
Als weiteres Zeichen guten Willens überließ Pakistan es Trump, am Dienstag vor dem Kongress bekannt zu geben, dass pakistanische Sicherheitskräfte einen Afghanen festgenommen und an die USA übergeben haben, der der Organisator eines schweren Bombenanschlags am Kabuler Flughafens sein soll, bei dem während des Truppenabzugs und der Evakuierung afghanischer Verbündeter des Westens auch 13 US-Soldaten umgekommen waren.
Gleichzeitig möchte auch die pakistanische Regierung den Druck auf Afghanistans Taliban-Herrscher erhöhen, die seit ihrer Machtübernahme seinem Einfluss entglitten. Immer wieder kommt es zu Konfrontationen an der beiderseitigen Grenze, die Afghanistan als koloniales Konstrukt nicht anerkennt, zuletzt seit Ende Februar. Pakistan wirft Kabul auch vor, nicht genügend gegen die TTP zu unternehmen. Sie operiert aus Flüchtlingslagern auf der afghanischen Seite der Grenze. Die pakistanische Regierung verlangt von Kabul, die TTP zu entwaffnen und deren Anführer auszuliefern. Kabul lehnt das aus humanitären Gründen ab, hat aber zugesagt, die Lager aus der Grenzregion ins Landesinnere zu verlegen.
Taliban sind nicht zu unterschätzen
Pakistan verfügt in der gegebenen Situation allerdings nicht über genügend politischen Einfluss auf Afghanistans Taliban-Regime, um dieses gegenüber Washington zum Einlenken in der Waffenfrage zu bewegen – von einer Übergabe Bagrams ganz zu schweigen. Es könnte angesichts der anhaltenden TTP-Angriffe allerdings den militärischen Druck erhöhen. Bereits Anfang des Jahres drohte Islamabad, man habe in dieser Angelegenheit bisher bei Weitem seine Mittel nicht ausgeschöpft.
Schwer vorstellbar ist allerdings, dass pakistanisches oder gar US-Militär, eventuell sogar gemeinsam, nach Bagram einfliegt und den Riesenstützpunkt mit Platz für 10 000 Soldaten und 1000 Gefangene sowie beiden für schwerste Flugzeuge geeigneten Landebahnen einfach übernimmt. Außerdem sind die Taliban als Gegner nicht zu unterschätzen, und den USA dürfte noch die De-facto-Niederlage von 2021 in den Knochen stecken.
»Es gibt keinen einzigen bewaffneten Chinesen hier.«
Sabihullah Mudschahed Sprecher der Taliban
Auch Trumps antichinesische Stoßrichtung in Sachen Bagram könnte Pakistan vor Probleme stellen. Bisher ist es engster Verbündeter Chinas in der Region, motiviert durch die gemeinsame Feindschaft zu Indien, mit dem beide Länder bereits Krieg führten. Insofern ist es interessant zu sehen, dass in den Verlautbarungen zum jüngsten US-pakistanischen Telefonat das Thema Bagram und China unerwähnt blieb.
China ließ Trumps Behauptungen bisher unkommentiert. Aber auch die regierungsnahe Beijinger »Global Times« zitierte Taliban-Sprecher Sabihullah Mudschahed, der erklärt hatte: »Es gibt keinen einzigen bewaffneten Chinesen hier, und wir haben auch kein solches Abkommen. Das Oberhaupt eines großen Landes sollte genau sein, wenn es etwas sagt.« China hat zwar seine wirtschaftlichen Aktivitäten im Afghanistan der Taliban ausgeweitet, aber bisher kaum auf einem Niveau, dass eine Bedrohung der USA darstellte. Allerdings besitzt Afghanistan ebenfalls begehrte Rohstoffe, von Erdöl und Erdgas bis zu Lithium. Nach Ende der 40jährigen Kriege existiert nun erstmals eine realistische Chance, diese auch zu heben. Sicherheitskosten fallen weitgehend weg, allerdings bilden allein Afghanistans Topografie und fehlende Infrastruktur formidable Hürden für jeden Investor.
Trumps Plan ist kompliziert
In Sachen US-Waffen bei den Taliban – und unter der Hand wohl auch Bagram – wird es also zunächst auf Verhandlungen hinauslaufen. Zumal die Taliban an internationaler Anerkennung interessiert sind und geneigt sein könnten, Washington entgegenzukommen. Eine Aufwertung durch die USA, etwa durch Direkt- oder Dreierkontakte unter Einbeziehung Pakistans, wäre ein diplomatischer Erfolg für sie. Sollten sie in Sachen US-Waffen mitspielen und etwa US-Militär oder Sicherheitsfirmen erlauben, Bagram für den Abtransport zu nutzen, könnte sich eine gesichtswahrende Lösung für beide Seiten ergeben. Die Taliban müssten allerdings weit über ihren Schatten springen und Maximalpositionen aufgeben. Das könnte interne Spannungen anheizen und einheimischen Widersachern wie dem Islamischen Staat Argumente liefern.
Trumps Plan ist also weitaus komplizierter, als es von Mar-a-Lago aussehen mag. Sollte es zur Konfrontation kommen, liegt darin neues, weit über Afghanistan hinausreichendes Konfliktpotenzial.
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