Para-Premiere mit Problemen bei der Nordischen Ski-WM

Die erste inklusive Ski-Weltmeisterschaft wird in die Geschichte eingehen – auch wenn noch nicht alles glattlief

  • Lars Becker, Trondheim
  • Lesedauer: 4 Min.
Para-Langläuferin Anja Wicker (Nr. 2) freute sich in Trondheim nicht nur über Bronze, sondern auch über 2000 Euro Preisgeld.
Para-Langläuferin Anja Wicker (Nr. 2) freute sich in Trondheim nicht nur über Bronze, sondern auch über 2000 Euro Preisgeld.

Anja Wicker hatte in ihrem Schlitten permanent Gänsehaut. »Als ich gestartet bin, ging das Röhren los. Und dann war die Stimmung die ganze Zeit wie im Fußballstadion«, schilderte die querschnittsgelähmte Bronzegewinnerin ihre Eindrücke von der Premiere des Para-Skilanglaufs bei den Nordischen Ski-Weltmeisterschaften. Tausende Fans – inklusive Norwegens König Harald V., Königin Sonja und Kronprinz Haakon – bejubelten am Mittwoch in Trondheim im strömenden Regen die beeindruckenden Leistungen der Sportlerinnen und Sportler mit Behinderung.

»Das waren tausendmal mehr Zuschauer als sonst bei uns. So eine große Bühne hatten wir noch nie«, schwärmte auch die sehbeeinträchtigte Linn Kazmaier nach ihrem vierten Platz hinter der zweiten deutschen Bronzegewinnerin Leonie Walter. Emotionaler Höhepunkt war die Jubelexplosion nach dem Fotofinish-Triumph der Norwegerin Vilde Nilsen, die in ihrer Heimat ein echter Star ist.

Auch wenn das Regenwetter laut der 33-jährigen Wicker »viel kaputt machte«, war das Para-Event an einem vollgestopften WM-Tag mit den Skilanglauf-Teamsprints und dem Skisprung-Mixed-Wettbewerb ein großer Erfolg für die Inklusion im Sport. »Die Norweger wollten uns unbedingt dabei haben. Da sind sie schon viele Schritte weiter als andere Veranstalter«, lobte die querschnittsgelähmte Langläuferin.

Es gab allerdings auch ein paar Probleme für die Sportlerinnen und Sportler mit Behinderung beim Großevent. So schaffte es Medaillengewinnerin Wicker nach einem Rennen mit ihrem Rollstuhl nicht in die Mixed-Zone zu den Pressevertretern, weil eine unüberwindbare Treppe im Weg war. Bei der Siegerehrung blieb sie im Schnee stecken, ehe Hilfe kam. Probleme gab es auch beim Shuttle-Service vom Hotel zur Ski-Arena. »Der Rolli-Shuttle ist gefühlt nur zweimal am Tag gefahren, und auch der Einstieg war kompliziert«, kritisierte Wicker. »Fürs erste Mal kann man das akzeptieren, aber wenn es eine Zukunft haben soll, sollte man daraus lernen.«

Ob der Para-Skilanglauf auch Teil der nächsten Nordischen Ski-WM 2027 in Falun sein wird, ist freilich unklar. Bisher hat der Internationale Skiverband (Fis) keinen fixen Plan, wie es mit der Inklusion bei der Weltmeisterschaft in Schweden in zwei Jahren weitergehen soll. Neben einer ähnlichen Lösung wie in Trondheim sollen mit dem Organisationskomitee Falun auch andere Konzepte diskutiert werden, kündigte Sandra Spitz an, die bei der Fis für Sport und Events zuständig ist.

Zwar wolle man die Inklusion bei Weltmeisterschaften weiter vorantreiben, aber es müsse stabile Bedingungen für die Sportlerinnen und Sportler mit und ohne Behinderung geben. Gute und faire Wettbewerbe zu organisieren, sei weiterhin das Wichtigste für die Fis, erklärte Spitz. Trotzdem kündigte die deutsche Funktionärin in Trondheim an: »Wir wollen den Para-Skilanglauf auf ein anderes Level bringen.«

Bei diesem ersten WM-Versuch gab es von beiden Seiten die eine oder andere Klage. Linn Kazmaier bemängelte die »vielen Vorschriften«, die es bei den kleineren Para-Events so nicht gebe. Die Nichtbehinderten bemängelten die Einschränkungen bei Trainingszeiten und die teils ramponierten Strecken. Insgesamt aber wird auch die Fis gesehen haben, welch großes Potenzial für TV und Zuschauer die Para-Events haben.

Der japanische Silbergewinner Taiki Kawayoke wurde frenetisch gefeiert, als er in der stehenden Klasse ohne Skistöcke um Gold gegen seinen mit zwei Skistöcken ausgestatteten französischen Konkurrenten Karl Tabouret fightete. In der sitzenden Klasse triumphierte der Brasilianer Cristian Westemaier Ribera – der größte Erfolg eines Südamerikaners im Skilanglauf.

Möglicherweise könnte es eine Lösung sein, dass die Weltmeisterschaften von Skisportlern ohne und mit Behinderung künftig nacheinander am gleichen Ort stattfinden. »Bei Olympia und den Paralympics ist das ja auch so«, warf Wicker ein. Die große Bühne für den Para-Skilanglauf muss nach ihrer Meinung auf jeden Fall erhalten werden. Neben einer Audienz beim norwegischen König gab es für die beiden deutschen Bronzemedaillengewinnerinnen Anja Wicker und Leonie Walter auch etwa 2000 Euro Preisgeld. »Ein tolle Wertschätzung«, findet Wicker. »Das Geld kann man gut in die Vorbereitung für die Paralympics investieren.«

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