Feministischer Kampftag in Argentinien: Gemeinsam gegen Milei

Nach über einem Jahr unter Javier Mileis Politik hat sich in Argentinien immenser Frust verfestigt. Das will die feministische Bewegung nutzen

  • Paulina Rohm
  • Lesedauer: 4 Min.
»Nun paso atrás« (Kein Rückschritt) fordern Feminist*innen in Argentinien.
»Nun paso atrás« (Kein Rückschritt) fordern Feminist*innen in Argentinien.

Javier Mileis rechts-libertäre Regierung hat 2024 für die höchste Armutsquote in Argentinien seit 20 Jahren gesorgt. Außerdem schränkt sie die sozialen Rechte der Bevölkerung drastisch ein. Bereits im vergangenen Jahr dominierte deshalb die Politik des Präsidenten die dortigen Demonstrationen am 8. März. Seitdem haben die radikale Kürzungspolitik und die rechtspopulistische Hetze und Gewalt die Bevölkerung weiter geschädigt. »Milei sorgt für eine Normalisierung der Gewalt in diesem Land. Und queere Menschen leiden unter dieser Gewalt ganz besonders«, sagt die in Deutschland lebende Fotojournalistin Sofía Quesada aus Argentinien gegenüber »nd«.

Auch aus Sicht der argentinischen LGBTQIA+-Aktivistin Gabriela Mitidieri haben sich seit dem letzten feministischen Kampftag die Verhältnisse geändert. 2024 hätten die Protestierenden noch gehofft, die politische Opposition würde die Stimmen von den Straßen hören und dem Faschismus Grenzen setzen. »Im Laufe des Jahres haben wir aber gelernt, dass die Opposition ihre Zersplitterung nicht vollständig überwinden würde. Und dass einige Parteien, die anfangs in der Opposition waren, Mileis Regierungsfähigkeit letztendlich doch sicherten«, so Mitidieri. Jetzt sei das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung grundlegend erschüttert. Das sieht Mitidieri als Chance und wichtige Voraussetzung für eine wirkmächtige Aktion.

Dass der feministische Kampftag dieses Jahr besonders groß ausfallen wird, darauf deutet auch eine Versammlung hin, die Ende Februar im Amphitheater Parque Lezama in Buenos Aires stattfand. Sie war zwar nur eine von vielen landesweiten Mobilisierungsaktionen zum 8. März. Neben zivilgesellschaftlichen Organisationen und aktivistischen Initiativen nahmen daran aber auch die argentinischen Gewerkschaftsbünde Central de Trabajadores de la Argentina (CTA), Confederación General del Trabajo (CGT) und Asociación Trabajadores del Estado (ATE National) teil.

Alix Arnold, Redakteurin des Lateinamerika-Magazins ILA, merkt dem »nd« gegenüber an, dass sich die argentinischen Gewerkschaftsdachverbände häufig erst sozialen Bewegungen anschließen, wenn die Aktivist*innen den Druck auf sie verstärken. »Aber wenn sie wirklich ernsthaft mobilisieren, kommen noch mal mehr Leute.« Darauf hoffen nun die Organisator*innen der feministischen Proteste.

»2001 hatten wir schon mal einen finanziellen Kollaps. Damals waren alle Menschen auf der Straße. Die sagten: Wir haben nichts zu verlieren. Ich glaube, das kann wieder passieren.«

Sofía Quesada argentinische Fotojournalistin

Was die verschiedenen Kollektive trotz ihrer unterschiedlichen Fokussierungen eint, ist ihre Bestrebung, der Milei-Regierung ein Ende zu bereiten. Damit schließen sie sich mit ihrem diesjährigen Protest dem Motto des Antifaschismus an, das international von vielen Feminist*innen genutzt wird. Soziale Bewegungen, linke Parteien und Gewerkschaften kämpfen schon seit seinem Amtsantritt gegen den argentinischen Präsidenten. Die Wut wächst jedoch, so scheint es, mit der Regierungsdauer Mileis und der zunehmenden Instabilität des Landes.

Viele Menschen hätten sich im Laufe des vorigen Jahres aufgrund ihrer verschlechterten Lebenslage erstmals politisiert, so Quesada. An den landesweiten Großdemonstrationen am 1. Februar, die in Reaktion auf Mileis Rede in Davos stattfanden, nahmen beispielsweise mehr als eine Million Menschen teil.

Auch für Quesada bergen die diesjährigen feministischen Proteste deshalb ein besonderes Potential. Sie erwartet zum 8. März viele Menschen auf den Straßen: »2001 hatten wir schon mal einen finanziellen Kollaps. Damals waren alle Menschen auf der Straße. Die sagten: Wir haben nichts zu verlieren. Ich glaube, das kann wieder passieren.« Zu dieser Zeit trafen sich Bewohner*innen, teilten ihre Erfahrungen miteinander und redeten über Veränderungswünsche. Viele dieser Stadtteilversammlungen seien mit den Jahren verebbt, sagt Arnold. Einige wurden jedoch weitergeführt und sind seit Mileis Präsidentschaft wieder präsenter. Auch zum diesjährigen 8. März wurde mithilfe jener nachbarschaftlichen Zusammenkünfte wieder mobilisiert.

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