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- 2. Bundesliga
Hertha BSC: Hochmut im Unterhaus kommt vor dem Fall in Liga drei
Die Berliner Fußballer kommen nach dem 1:2 gegen Schalke 04 dem Abstieg immer näher
Wie die Kulisse doch täuschen kann: Mehr als 70 000 Zuschauer, das sonnengeflutete Berliner Olympiastadion komplett in Blau und Weiß, Hertha BSC gegen Schalke 04. Doch statt Fußballfest heißt es bei diesem traditionsreichen Duell: Abstiegskampf in der zweiten Liga – weil beide ein Beispiel dafür sind, wie Geldgeber einen Verein ruinieren können, ob nun gewinnorientierte Investoren hier oder machtbesessene Mäzene dort. Frühlingsgefühle verspürten an diesem warmen Sonnabend dann auch nur die Gäste aus Gelsenkirchen, die sich nach dem 2:1 und nunmehr zwei Siegen in Folge auf einen beruhigenden elften Platz geschossen haben.
Trainer täuscht sich
Im Berliner Westend ist die Angst vor einem weiteren Abstieg dagegen nicht kleiner geworden. Um diesen zu verhindern, wurde vor knapp drei Wochen Stefan Leitl als neuer Trainer vorgestellt. Nun meint er, die Lage sei genauso ernst wie vor seinem ersten Spiel mit Hertha BSC. Damit täuscht sich Leitl gewaltig: Mit den bislang drei Partien, in den er nur einen Zähler geholt hat, sind drei weitere Chancen vergeben worden, Punkte für den Klassenerhalt zu sammeln. Auch wenn die Berliner nach dem 25. Spieltag weiterhin Fünftletzter sind, ist der Abstand zu den Abstiegsplätzen doch kleiner geworden. Immer größer wird mit jedem Negativerlebnis hingegen die Verunsicherung der Fußballer.
Den wahren Ernst der Lage haben die Fans von Hertha BSC erkannt. Ihre Forderung, am Sonnabend auf einem riesigen Banner in der Ostkurve zu lesen: »Abstiegskampf annehmen!« Das darf nach einem 0:4 in Elversberg schon mal gesagt werden. Auch gegen Schalke machten nicht alle Berliner Fußballer den Eindruck, die Zeichen der Zeit erkannt zu haben. Nach einer mit 0:1 beendeten katastrophalen ersten Halbzeit hatte Hertha kurz nach Wiederanpfiff gerade den Ausgleich erzielt, da spielt Torschütze Fabian Reese den Ball am eigenen Strafraum mit der Hacke. Ibrahim Maza macht daraufhin auch lieber noch eine Drehung mehr. Irgendwann endet eine sinnlose Fehlerkette mit dem Elfmeterpfiff: Kenan Karaman verwandelt sicher zum Endstand, 25 000 Schalker feiern, Hertha wird ausgepfiffen.
Gier und Inkompetenz
Um einen Fußballklub in einen dreistelligen Schuldenbereich zu führen, braucht es nicht nur gefährliche Geldgeber, sondern auch eine inkompetente und gierige Vereinsführung. Sowohl Schalke als auch Hertha BSC haben sich in der Vergangenheit oft überschätzt. Doch so prekär wie in diesem Jahr, war es in Berlin selten. Denn: Hochmut im Unterhaus folgt der freie Fall. Im besten Fall in Liga drei – noch tiefer, sollte es ob der finanziellen Situation Probleme mit der Lizenz geben.
»Hertha BSC kann nicht absteigen.« Das sagte Cristrian Fiél Mitte Februar. Es folgte ein 1:2 bei Fortuna Düsseldorf und nach insgesamt elf Niederlagen die Entlassung des Trainers. Sein Nachfolger Leitl fragte nach der Partie gegen Schalke belobigend in die Medienrunde: »Habt ihr gesehen, was wir in der Lage sind zu spielen?« Die Berliner hatten in der zweiten Halbzeit mehrmals die Chance, auszugleichen und waren auch das bessere Team. Das allerdings in einem Heimspiel gegen einen ähnlich angeschlagenen Gegner, der den Vorsprung eher verteidigen wollte.
Nächster Halt Braunschweig
Ob Leitls Glaube an die Qualität seiner Spieler wirklich so groß ist, darf bezweifelt werden: In seinen nunmehr drei Spielen brachte er hinsichtlich Personal und System drei verschiedene Mannschaften auf den Platz. Ungebrochen ist der Glaube hingegen bei Andre Mijatović. Leitls Co-Trainer gewann vor fast 14 Jahren einmal die Zweitligameisterschaft mit den Berlinern, als Kapitän. Seitdem sei Hertha BSC für ihn die Nummer eins in der Stadt. »In Zukunft wollen wir das wieder sein«, sagte er nun kurz nach seiner Rückkehr. Dafür aber muss erst einmal der Klassenerhalt geschafft werden. Der nächste Halt: Braunschweig. Die Eintracht liegt auf Relegationsplatz 16 drei Punkte hinter Hertha, macht aber, wie auch am Sonntag beim 1:1 im hitzigen Derby bei Hannover 96, einen besseren Eindruck im harten Kampf gegen den Abstieg.
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