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AfD in Sachsen-Anhalt: Ringen um Macht und Posten
In Sachsen-Anhalt will die Partei zum »blauen Leuchtturm Deutschlands« werden
Kurz nach der Bundestagswahl, bei der die AfD 20,8 Prozent der abgegebenen Stimmen erhielt, richtet die Partei in Sachsen-Anhalt bereits den Blick auf die Landtagswahlen. Der Landesvorsitzende Martin Reichardt gab in seiner Eröffnungsrede auf dem Landesparteitag in Magdeburg Anfang März das Ziel aus, bei der Abstimmung im kommenden Jahr 45 Prozent der Stimmen zu holen. Außerdem wolle man den ersten AfD-Ministerpräsidenten Deutschlands stellen.
Spitzenkandidat zur Landtagswahl 2026 ist derzeit Ulrich Siegmund. Der Fraktionsvorsitzende im Landtag gehörte zu den Teilnehmer*innen des Geheimtreffens in einem Potsdamer Hotel rechter Politiker und Unternehmer mit Vertretern der Neuen Rechten im November 2023. Wie bei dem Treffen die massenhafte Deportation rassifizierter Menschen geplant wurde, deckte das Recherchenetzwerk Correctiv im Januar 2024 auf. Zudem erfährt Siegmund Bekanntheit auf der Social-Media-Plattform Tiktok, auf der seine Posts hunderttausendfach angesehen werden. Mit seinen Videos greift er die anderen Parteien an — vor allem die CDU — sowie Migrant*innen und als solche markierte.
Die AfD Sachsen-Anhalt wurde vom Landesamt für Verfassungsschutz 2023 als »gesichert rechtsextrem« eingestuft. Dagegen kämpft die Partei an, indem sie zum Beispiel die Präambel ihrer Satzung anpasst. Man sei eine »demokratische, freiheitliche und patriotische Volkspartei«, heißt es nun in der Landessatzung der AfD Sachsen-Anhalt.
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Mit dem in Thüringen wehrt sich ein weiterer AfD-Landesverband gegen seine Einstufung als gesichert rechtsextrem. So hat die Partei im Landtag Anfang März erfolgreich ihren Antrag für einen Untersuchungsausschuss zum thüringischen Verfassungsschutz durchgesetzt. Die AfD behauptet, 2021 zu Unrecht als gesichert rechtsextrem eingestuft worden zu sein, und wirft dem Landesverfassungsschutz vor, in der Beurteilung nicht objektiv gewesen zu sein.
Bei der Bundestagswahl vereinte die AfD in Sachsen-Anhalt dennoch mit Abstand die meisten Stimmen auf sich. Allerdings lag sie mit 37,1 Prozent noch deutlich unter den für die Landtagswahl erhofften 45 Prozent. Doch im südlich gelegenen Wahlkreis Burgenland-Saalekreis erreichte sie schon 44,4 Prozent. Den zweithöchsten Stimmanteil vereinte die CDU auf sich, doch die AfD holte alle Direktmandate in Sachsen-Anhalt.
»Eine Landesregierung unter Beteiligung der AfD will ich mir nicht vorstellen müssen. Das wäre das Ende der parlamentarischen Demokratie in Sachsen-Anhalt.«
Stefan Gebhardt parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion Die Linke Sachsen-Anhalt
Eine Chance, dass die CDU die Landtagswahlen 2026 gewinnt, sieht Stefan Gebhardt von der Partei Die Linke nur, wenn der amtierende Ministerpräsident Reiner Haseloff noch einmal als Spitzenkandidat antreten würde. Er wollte eigentlich 2021 in Rente gehen. Um sich gegen die AfD durchzusetzen, sei der aktuelle CDU-Vorsitzende Sven Schulze zu unbekannt und daher nicht geeignet, meint der Parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion im Magdeburger Landtag. Die Bilanz der Landesregierung sei allerdings »fürchterlich«, so Gebhardt. Damit meint er vor allem den Baustopp des Intel-Halbleiterwerks in Magdeburg. Dieses Debakel werde die AfD voraussichtlich im Wahlkampf gegen die CDU nutzen. Ähnliches sei im Hinblick auf den Anschlag in Magdeburg im Dezember 2024 anzunehmen. Dieser werde durch die AfD instrumentalisiert, um den rassistischen Diskurs in Deutschland zu füttern und damit die Wähler*innenschaft für die rechte Politik der AfD zu mobilisieren.
Die Wahlbeteiligung der Sachsen-Anhalter*innen lag am 23. Februar bei 77,7 Prozent, was ein Allzeit-Hoch seit der Wiedervereinigung darstellt. Das einzige Wahljahr, in dem die Beteiligung mit 71,7 Prozent ähnlich hoch war, war das Jahr 1998. Damals wurde die Deutsche Volksunion (DVU), die später mit der NPD fusionierte, mit 12,9 Prozent in den Landtag gewählt. Auf Landesebene stellte sie damit lange Zeit die stärkste rechtsextreme Kraft bei einer Wahl in ganz Deutschland dar. Diese lange Geschichte rechter Wahlergebnisse in Sachsen-Anhalt betont auch Lukas Jocher, Mitarbeiter des Projekts »GegenPart« des Miteinander e.V. »Ich glaube uns steht da eine sogenannte ›Schicksalswahl‹ bevor«, sagt Jocher zu »nd«.
»Die Lage Engagierter wird immer prekärer. Es ist in Ostdeutschland ohnehin sehr schwierig. Mit jedem weiteren Wahlausgang der letzten Jahre wurden die Engagierten demoralisiert.«
Lukas Jocher Mitarbeiter des Projekts »GegenPart«
Ob die AfD in Sachsen-Anhalt wirklich der »blaue Leuchtturm Deutschlands« werden kann, hängt nicht zuletzt auch von der Partei selbst ab. Zuletzt war der Landesverband vermehrt durch innerparteiliche Machtkämpfe und Parteiausschlüsse aufgefallen. Beschuldigten wird »zersetzerisches Verhalten« vorgeworfen. Dabei würden sich die einzelnen AfD-Politker*innen nicht viel nehmen, sagt Linke-Politker Gebhardt. Bei den Ausschlussverfahren gehe es eigentlich nur um die zu besetzenden Posten. Dass die AfD-Politiker sich dabei gegenseitig aus der Partei ausschließen, würde ein Bild der Regierungsuntauglichkeit erzeugen.
Diese Entwicklungen müsse man genau beobachten, meint Gebhardt. Er will sich eine Regierung unter Beteiligung der AfD nicht vorstellen müssen. »Das wäre das Ende der parlamentarischen Demokratie in Sachsen-Anhalt«, befürchtet er. Für seine Fraktion sei es für den Wahlkampf 2026 wichtig, sich auf die eigenen Stärken zu konzentrieren. Man müsse aus dem Linke-Erfolg bei der Bundestagswahl lernen, so Gebhardt. Es gelte, eine einheitliche Sprache als Partei zu finden und einen klaren Fokus auf soziale Themen zu setzen, die die AfD mehr und mehr vernachlässige. Immerhin ist Sachsen-Anhalt bisher das einzige Bundesland mit einer Antifa-Klausel in seiner Landesverfassung.
Für die zivilgesellschaftliche Vereinskultur im Land würde eine Regierungsbeteiligung der AfD im nächsten Landtag mit hoher Wahrscheinlichkeit das Wegbrechen der Finanzierung und somit deren Arbeitsunfähigkeit bedeuten, sagt Lukas Jocher von GegenPart. Ebenso bedrohlich erscheint die Möglichkeit eines AfD-geführten Innenministeriums, das auch für Polizei und Verfassungsschutz zuständig wäre. Jocher zeigt sich deshalb besorgt: »Die Lage Engagierter wird immer prekärer. Es ist in Ostdeutschland ohnehin sehr schwierig. Mit jedem weiteren Wahlausgang der letzten Jahre wurden die Engagierten demoralisiert.«
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