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Mehr Erbsensuppe und Reispudding
Viele Ballaststoffe und die Vermeidung verarbeiteter Lebensmittel sorgen für ein gesundes Mikrobiom des Darms
Jens Walter ist Professor am irischen University-College Cork. Von Papua-Neuguinea ist der Mikrobiologe seit Langem fasziniert – er schwärmt von den abgelegenen Tälern des Inselstaates, die bis 1930 von der modernen Welt nahezu unberührt blieben, den mehr als 800 Sprachen und dem nachhaltigen System der Selbstversorgungslandwirtschaft in vielen Gemeinden. »Diese Faszination löste ein spannendes neunjähriges Forschungsprojekt mit Forschern aus acht Ländern aus«, schrieb Walter in Ergänzung zu seiner in der Fachzeitschrift »Cell« veröffentlichten Studie.
Während des Projektes wurden auch die Darmmikrobiome der ländlichen Bevölkerung Papua-Neuguineas untersucht. »Wir haben Mikrobiome entdeckt, die diverser sind als ihre westlichen Gegenstücke«, bestätigte Walter. Sie seien reich an Bakterien, die sich von Ballaststoffen ernähren, und hätten weniger entzündungsverursachende Bakterien. Letztere sind typisch für Menschen, die stark verarbeitete Lebensmittel zu sich nehmen.
Die westliche Ernährung ist in großen Teilen arm an Ballaststoffen. Deswegen wird sie häufig mit Fettleibigkeit, Diabetes und Herzerkrankungen in Verbindung gebracht. Diese Ernährungsweise schade auch unserem Darmmikrobiom, so Walter. Letzteres ist die komplexe Gemeinschaft von Bakterien, Pilzen und Viren in unserem Darmtrakt, wenn dieser gesund ist.
Walter und Kollegen suchen auch aktiv nach Möglichkeiten, gesunde Mikrobiome zu schaffen. Dass sie diese nun im schwer zugänglichen ländlichen Papua-Neuguinea gefunden haben, ist durchaus bemerkenswert. Die rund zehn Millionen Menschen, die dort auf dem Festland sowie auf den rund 600 Inseln verstreut leben, gehören hunderten Volksgruppen an. Der größte Teil der Bevölkerung ist bitterarm. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf lag im Jahr 2023 nur etwas über 2500 US-Dollar. Bildungs- und Gesundheitssystem sind schwach. Gleichzeitig sind chronische Erkrankungen wie Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen im ländlichen Papua-Neuguinea sehr selten.
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Das Land, das erst seit 1975 unabhängig ist, leidet zudem unter politischer Instabilität. Soziale Ungleichheit führt immer wieder zu gewaltsamen Ausschreitungen. Trotz dieser Herausforderungen gelang es den Forschenden, die traditionelle Ernährung in den ländlichen Regionen zu erforschen. Dabei fanden sie heraus, dass die Ernährung der Einheimischen zu großen Teilen aus unverarbeiteten, ballaststoffreichen pflanzlichen Lebensmitteln bestand, die zucker- und kalorienarm sind. Aus dereen Zusammensetzung entwickelten die Wissenschaftler eine neue Diät namens Nime. Die Abkürzung steht für nicht-industrialisierte Mikrobiom-Wiederherstellung.
Nime bestehe hauptsächlich aus Gemüse, Hülsenfrüchten und Obst, erläutert Walter. Pro Tag ist nur eine kleine Portion tierisches Eiweiß zugelassen – entweder Lachs, Huhn oder Schweinefleisch. Stark verarbeitete Lebensmittel werden komplett vermieden. Auch Milchprodukte, Rindfleisch und Weizen, die im ländlichen Papua-Neuguinea keine Tradition haben, seien möglichst wenig zu verzehren. Das andere charakteristische Merkmal der Ernährung ist ein hoher Ballaststoffgehalt. »In unserem Versuch haben wir uns für etwa 45 Gramm Ballaststoffe pro Tag entschieden, was über den Empfehlungen in den Ernährungsrichtlinien liegt«, erklärte der Wissenschaftler.
Einer der Doktoranden im Team entwarf auf dieser Basis Gerichte, die auch dem westlichen Gaumen munden sollten. Daraus entstand ein Ernährungsplan, der an gesunden kanadischen Erwachsenen getestet wurde. Unter den veröffentlichten Rezeptvorschlägen sind Gerichte mit Lachs und Huhn, ein Erbsen-Curry, Reispudding, gelbe Erbsensuppe und Salate.
Nach nur drei Wochen mit einer solchen Ernährungsumstellung hatten die Teilnehmenden, obwohl sie ihre normale Kalorienaufnahme nicht änderten, bereits abgenommen. Das schlechte Cholesterin sank um 17 Prozent, der Blutzucker um sechs Prozent und das C-reaktive Protein (CRP), ein Marker für Entzündungen und Herzerkrankungen, um 14 Prozent. Gleichzeitig habe sich das Darmmikrobiom der Teilnehmenden verbessert. »Bei einer ballaststoffarmen Ernährung baut das Darmmikrobiom die Schleimschicht im Darm ab, was zu Entzündungen führt«, erklärte er. Die Nime-Diät habe dies verhindert und Entzündungen seien zurückgegangen.
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