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Berlin: Kneipe Watt ist bedrohtes Biotop
Kulturkneipe »Watt« in Prenzlauer Berg soll schließen
In Prenzlauer Berg existiert eine Kneipe, deren Situation – zumindest auf dem Papier – ein Traum ist. Vermieter: eine bekannte Autorin und der Gründer einer Elite-Musikschule. Mieter: eine Bar, die seit Jahrzehnten kulturellen Austausch fördert. Die Realität für die Betreiberin des »Watt«, Sindy Kliche, und ihre Stammkunden gleicht aber mehr einem Albtraum. Denn im Dezember 2024 teilten die Hauseigentümer der Kneipe mit, dass der Mietvertrag nicht verlängert werde. Das würde für die Bar, die unter verschiedenen Betreibern und Namen seit der DDR im Kiez existiert, das Ende zum 30. September des laufenden Jahres bedeuten.
Aber wat ist »Watt«? Schon einige Prominente haben sich auf der kleinen Bühne verewigt. Dort trat etwa schon die ehemalige Tatort-Kommissarin und Sängerin Meret Becker auf die Bühne oder das bekannte Pop-Duo Stereo Total. In der Adventszeit kann es sein, dass der weltberühmte Regisseur Wim Wenders beim Weihnachtskonzert mitwirkt.
Die Vermieter*innen können mit den hochkarätigen Künstler*innen mithalten. Eine arbeitete für die »Süddeutsche Zeitung«, »Frankfurter Allgemeine Zeitung« und den »Tagesspiegel«. Der andere ist der Gründer einer internationalen Elite-Musikschule. In einem Interview mit dem Magazin »Musikexpress« gab er 2018 an, dass sein Ziel sei, Musik für alle zugänglich zu machen.
Dem »Watt« nutzt das allerdings wenig. Warum der Mietvertrag nicht verlängert wurde, weiß keiner der Beteiligten. Die Kneipe war bereit mehr Miete zu zahlen, heißt es aus Kreisen der Betreiber. Das hätten die Vermieter aber abgelehnt.
Zuletzt wurde eine Initiative von Stammgästen und Mitarbeitenden gegründet, um die Kneipe zu retten. In ihrem ersten Brief an die Vermieter verglich die Initiative das »Watt« mit einem Biotop für Künstler*innen. Doch laut Karsten Wildanger, führendes Mitglied der Initiative, wollten die beiden nicht verhandeln.
Tina Balla, die Fachbereichsleitung des Kulturamts Pankow, schreibt in einem Brief an die Vermieter, der »nd« vorliegt: »Wöchentliche Konzerte und Lesungen bieten eine Plattform für etablierte als auch aufstrebende Talente.« Diese Möglichkeit sei ein Gewinn der erhalten bleiben müsse.
Daniela Billig, kulturpolitische Sprecherin für Kultur der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus, erinnert die Besitzer in einem weiteren Brief daran, dass durch den zusammengestrichenen Kulturetat des Berliner Senats umso mehr das private Engagement benötigt werde.
Wöchentliche Konzerte und Lesungen bieten eine Plattform für etablierte als auch aufstrebende Talente
Tina Balla, Fachbereichsleitung Kunst und Kultur, Bezirksamt Pankow
Der ehemalige Kultursenator Klaus Lederer (parteilos) lud die Besitzer zu einem offenen Gespräch ein. Kneipen hätten ihn zu dem gemacht, was er heute ist, schreibt er den Vermietern. Er warnt vor den Konsequenzen der Verdrängung: »Übrig bleiben nicht selten Tristesse oder austauschbare Fassaden, Glasfronten, Schmutz und Fress- und Billigmeilen oder Luxustempel«.
Ziel der Initiative »Watt retten« ist jetzt, durch eine Unterschriftensammlung, Plakaten und Öffentlichkeitsarbeit Aufmerksamkeit zu generieren. Dazu haben sie sich mit dem Bündnis gegen Verdrängung zusammengetan. Bis September plant die Initiative eine Veranstaltungsreihe im »Watt«, um auf die drohende Schließung aufmerksam zu machen.
Weder die Vermieter noch die Hausverwaltung First Class Living haben sich bis Redaktionsschluss zu der Schließung der Kneipe geäußert.
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