Grüne zurück in Reih und Glied

Die Partei steht auch weiterhin als Mehrheitsbeschaffer für Schwarz-Rot zur Verfügung

  • Ariel Tarnev
  • Lesedauer: 4 Min.
Aufrüstung – Grüne zurück in Reih und Glied

Eine umfassende und kritische Aufarbeitung bei den Grünen nach den Austritten in der Grünen Jugend und ihrem schwachen Ergebnis bei der Bundestagswahl im Februar steht noch aus. Die Partei hat viele Wähler links liegen gelassen und linke Mitglieder vergrault. Spitzenkandidat und Wirtschaftsminister Robert Habeck forcierte stattdessen einen »Kurs der Mitte«.

Diesen setzt die Partei, die aller Voraussicht nach bald in die Opposition muss, mit ihrem nun gemeinsam mit Union und SPD erzielten Kompromiss fort. Die Parteien einigten sich darauf, die Schuldenbremse zu lockern und ein Sondervermögen einzurichten, um Hunderte von Milliarden für Investitionen in Infrastruktur, Rüstung und Militär zur Verfügung zu haben. Konservative und Sozialdemokraten müssen für Ausnahmen bei der Schuldenbremse das Grundgesetz ändern und benötigen hierfür eine Zwei-Drittel-Mehrheit.

Im alten Bundestag sind sie dabei auf die Stimmen der Grünen angewiesen – und die haben geliefert. Doch laufen die Grünen nun Gefahr, endgültig zu einer Funktionspartei zu werden, die bei Bedarf als Mehrheitsbeschaffer gebraucht wird und dadurch weiter an Profil verliert. Künftig werden Länder, in denen die Grünen mitregieren, im Bundesrat wohl diese Rolle übernehmen, wenn dort Bundesgesetze von Schwarz-Rot beschlossen werden sollen.

Lange war spekuliert worden, dass die Grünen wegen ihres Misstrauens gegenüber dem Fraktionsvorsitzenden der Union, Friedrich Merz, die Pläne von Schwarz-Rot nicht mittragen würden. Der Umgangston zwischen dem CDU-Vorsitzenden und Politikern der Grünen war zuletzt rau. Merz raunzte die Grünen-Fraktion am Donnerstag im Plenum an, nachdem er 50 Milliarden für den Klimaschutz versprochen hatte: »Was wollen Sie eigentlich noch mehr?« Nun hat er den Betrag für den Klima- und Transformationsfonds auf 100 Milliarden Euro verdoppelt.

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Den Grünen geht es aber nicht nur um den Klimaschutz. Im Antrag, den die Fraktion am Donnerstag im Bundestag vorgelegt hatte, werden vor allem Investitionen in Bundeswehr und Geheimdienste sowie weitere Rüstungslieferungen gefordert. »Wir brauchen eine fundamentale Stärkung der Sicherheitsarchitektur in unserem Land und in Europa. Deswegen haben wir heute diesen Gesetzentwurf eingebracht«, erklärte Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann. Die Wahl von US-Präsident Donald Trump, der das militärische Engagement der Vereinigten Staaten in Europa überdenkt, gibt denjenigen Auftrieb, die meinen, dass nun Deutschland und die EU stärker mit Waffen und Militär in die Weltpolitik eingreifen sollen. Die Grünen stehen diesbezüglich in Deutschland an vorderster Front.

Habecks Aufrüstungsziele

Sie orientieren sich offenbar weiter daran, was Robert Habeck im Bundestagswahlkampf als Losung ausgegeben hatte. Er plädierte dafür, dass künftig 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Rüstung und Militär ausgegeben werden müssten. Das ist deutlich mehr als das Nato-Ziel von zwei Prozent. Habecks Kontrahent Merz, der Bundeskanzler werden soll, wenn sich seine Partei in den Koalitionsverhandlungen mit der SPD einigen und die Parteibasis für den Koalitionsvertrag stimmen sollte, sprach ebenfalls von zwei Prozent der Wirtschaftsleistung.

Kürzlich hatte Habeck bei einem Besuch der Münchner Handwerksmesse nachgelegt. »Die Investition in die Verteidigungsfähigkeit und die Unterstützung der Ukraine sind dringend notwendig und eilbedürftig. Da haben wir nicht noch drei oder fünf Monate Zeit, miteinander zu reden«, sagte er. Zwar wollen auch Union und SPD aufrüsten. Aber die Grünen warfen ihnen in ihrem Antrag vor, einen »viel zu eng gefassten Begriff der Verteidigungsausgaben« zu haben. Dieser werde nicht dazu führen, »dass die drängenden Fragen im Bereich Gesamtverteidigung und sicherheitspolitische Aufgaben gelöst werden«.

Die Grünen wollen nicht nur die militärische Unterstützung der Ukraine im Krieg mit Russland forcieren. In ihrem Antrag steht auch: »Die Bundesrepublik Deutschland soll in die Lage versetzt werden, die von ihr zu gewährleistende Aufgabe der Landesverteidigung und die Bündnisverpflichtungen Deutschlands uneingeschränkt und zu jeder Zeit wahrnehmen zu können.« Zu den Bündnisverpflichtungen zählen in der Regel auch deutsche Beteiligungen an Auslandsmissionen und Kriegseinsätzen der Nato.

Union und Grüne sind bei dem Thema nicht weit voneinander entfernt. Letztgenannte hatten aber noch mit Teilen der SPD eine Rechnung offen. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte sich zuletzt gegen eine neue militärische Unterstützungen für die Ukraine in Höhe von drei Milliarden Euro ausgesprochen und dies mit der schlechten Haushaltslage begründet. Union, FDP und Grüne hatten das Verhalten des SPD-Politikers heftig kritisiert. Sie warfen ihm wahltaktische Gründe vor. Denn es gibt nicht wenige sozialdemokratische Wähler, die diese Unterstützung der Ukraine kritisch sehen.

Am Freitag kündigte Friedrich Merz an, dass die Gelder in der kommenden Woche freigegeben werden. In der Militärpolitik sprechen Schwarz-Rot und die Grünen nach einigen Konflikten wieder mit einer Stimme.

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