Schweigefuchs für den Berliner Tierschutz

Das Land Berlin streitet mit seiner Tierschutzbeauftragten vor Gericht

  • Anja Laabs
  • Lesedauer: 4 Min.
Berlins Landestierschutzbeauftragte Kathrin Herrmann
Berlins Landestierschutzbeauftragte Kathrin Herrmann

»Das größte Potenzial«, Tierversuche zu reduzieren, »liegt in den Universitäten im Bereich der Grundlagenforschung«. Mit dieser Idee der präventiven Tierschutzarbeit trat Kathrin Herrmann 2020 ihre Tätigkeit als Landestierschutzbeauftragte von Berlin an. 2017 geschaffen, wurde die Stelle inhaltlich dem Senat für Justiz und Verbraucherschutz zugeordnet, dennoch sollte sie »fachaufsichtlich weisungsfrei«, mit eigenständiger Pressearbeit ausgeübt werden. So sollte eine unabhängige Ansprechperson für Bürgerinnen und Tierschutzorganisationen geschaffen werden. Nun soll die Stelle dem politischen Weisungsrecht des Senats untergeordnet werden. Justizsenatorin Felor Badenberg (CDU) machte in der Rechtsausschusssitzung im Februar deutlich, dass Herrmann zukünftig keine politisch unabhängige Bildungs- und Pressearbeit mehr machen soll.

Damit wäre eine öffentliche Kritik des Senats an seiner Tierschutzpolitik nicht mehr möglich. Deutlich wird dieses Problem im Bereich der Regulierung von Tierversuchen. Berlin hat eine hohe Dichte an Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen. Entsprechend viele Tiere werden jährlich für Tierversuche verbraucht. Im Jahr 2023 waren es mehr als 132 000. Dazu kommen mehr als 205 000 sogenannte Überschusstiere, die lediglich für wissenschaftliche Zwecke gezüchtet und anschließend getötet werden. 2023 mahnte Herrmann an, dass in den knapp 60 Versuchstierhaltungen zu wenig kontrolliert werde. Zudem seien diese Kontrollen fast alle angekündigt. Das verstoße gegen EU-Vorgaben. Sie sehen strengere Maßnahmen zum Schutz von Versuchstieren vor.

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Vier Abmahnungen zugleich

Seit ihrer Benennung befasste sich Herrmann auch mit Fragen der koordinierten Wildtierversorgung, des tödlichen Vogelflugs gegen Fensterscheiben und der industriellen Tierhaltung sowie von deren Auswirkungen auf das Klima. Die Diskrepanzen zwischen den Zielen der Landestierschutzbeauftragten und den Vorhaben der CDU-geführten Senatsverwaltung wurden immer deutlicher. Inzwischen kann davon ausgegangen werden, dass Senatorin Badenberg das progressive Verbandsklagerecht für Tierschutzorganisationen abschaffen will.

Seit Herrmann nicht mehr weisungsfrei handeln soll, ist unklar, von wem sie welche fachliche Weisung bekommen soll. Dass damit auch unklar bleibt, wie die inhaltliche Arbeit der Tierschutzbeauftragten gestaltet werden kann, spielt für Badenberg anscheinend keine Rolle. Aufgrund dieser Unklarheiten kam es in der Folge immer wieder zu Uneinigkeiten in der Pressearbeit. Schließlich wurden Kathrin Herrmann Mitte Januar 2025 zeitgleich vier Abmahnungen zugestellt. Dagegen geht sie inzwischen gerichtlich vor. Schon vor den Abmahnungen wurde gegen Herrmann ein Kündigungsverfahren eingeleitet, gegen das sich der Personalrat der Senatsjustizverwaltung stellte. Die Kündigung wurde abgelehnt.

»Ich habe nicht gegen ersichtliche Weisungen verstoßen.«

Dennoch wurde Herrmann Ende Februar widerruflich und ohne Begründung freigestellt. Sowohl gegen die Freistellung als auch gegen die Abmahnungen klagt sie, weil sie aus ihrer Sicht unbegründet sind. Am Montag fand die erste Verhandlung im Arbeitsgericht Berlin statt. Dabei sollte geklärt werden, ob eine gütliche Einigung erwirkt werden kann. Das Land Berlin machte deutlich, nicht von seinen Positionen abzurücken. Nur durch ihre Freistellung könne verhindert werden, dass Herrmann »aus allen Kanälen feuert«. Dem widersprach sie: »Ich habe nicht gegen ersichtliche Weisungen verstoßen.« Aus ihrer Sicht sei das grundlegende Problem, dass von Anfang an klare Weisungen fehlten.

Die Senatsverwaltung scheint zu befürchten, dass die Tierschutzbeauftragte gegen ihre politischen Interessen agieren könnte. »Jeder aushandlungsfähige Vorschlag«, so der Rechtsanwalt des Landes, »würde jedenfalls nicht das Weisungsrecht berühren.« Zudem komme es auch nicht auf eine Einigung an, sofern die Interessen des Landes berührt würden. »Denn das Land hätte« gemäß seiner Auffassung »noch ganz andere Möglichkeiten, den Streit zu beenden«. So könne Herrmann einfach auf eine andere Stelle beordert werden.

Bis geregelt sei, wie die Landestierschutzbeauftragte zu arbeiten habe, solle Herrmann freigestellt bleiben und sich weiterhin nicht in der Öffentlichkeit äußern dürfen. Die Richterin schlug während der Verhandlung ein Güteverfahren vor, bei dem auch eine Mediation denkbar wäre. Darauf ließen sich am Ende beide Parteien ein. Vorher wird am Donnerstag im Arbeitsgericht über die Rechtmäßigkeit der Freistellung der Tierschutzbeauftragten verhandelt. Im April würde die Einigungsstelle darüber entscheiden, ob Herrmann außerordentlich gekündigt werden soll. Bis dahin, so die Idee der Richterin, könnte eine weitere Verhandlung ausgesetzt und ein Güteverfahren versucht werden. Für das Publikum im Verhandlungssaal war klar: Hier geht es nicht um die Person Kathrin Herrmann. »Der Tierschutz«, so eine Zuschauerin, werde hier »offen zu Grabe getragen«.

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