Neue Grundsicherung: Zurück zu Hartz IV

Für Andreas Aust ist die angekündigte Reform des Bürgergeldes ein Rückfall in alte Zeiten

  • Andreas Aust
  • Lesedauer: 3 Min.
Reform des Bürgergeldes – Neue Grundsicherung: Zurück zu Hartz IV

Mit der Bürgergeldreform sollte vieles besser werden: mehr »Respekt« und »Augenhöhe« im Umgang mit den Leistungsberechtigten, weniger Druck und Sanktionen, nachhaltige Arbeitsförderung statt schneller Integration um jeden Preis. Auch wenn bei der Reform wichtige Aspekte fehlten – insbesondere die strukturelle Neuermittlung der Leistungshöhe –, so war die Bürgergeldreform ein Schritt in die richtige Richtung.

Von den hehren Absichten ist nicht mehr viel geblieben. Denn bevor die Reform überhaupt eine Chance hatte zu wirken, wurde das Bürgergeld politisch massiv bekämpft. Immer wieder wurde kampagnenartig wiederholt, das Bürgergeld gehe in die völlig falsche Richtung. Arbeit würde sich unter den Bedingungen des Bürgergelds nicht mehr lohnen. Diese Kampagne war sachlich nicht begründbar, gleichwohl wurden die Vorwürfe unaufhörlich wiederholt.

Andreas Aust

Andreas Aust ist sozialpolitischer Referent beim Paritätischen Wohlfahrtsverband.

Das Sondierungspapier von Union und SPD nimmt nun auch offiziell Abschied vom Bürgergeld. In Zukunft soll das Gesetz zu einer »neuen Grundsicherung für Arbeitssuchende« umgestaltet werden. Damit kehrt Hartz IV auch offiziell zurück. Es soll wieder mehr »gefordert« werden: schnelle Vermittlung der Leistungsberechtigten, Wiedereinführung des Vermittlungsvorrangs und mehr Druck und mehr Sanktionen für die Leistungsberechtigten bis hin zum kompletten Leistungsausschluss für diejenigen, die sich zumutbarer Arbeit verweigern. Mit einer massiven Drohkulisse sollen Erwerbslose zu einer möglichst schnellen Arbeitsaufnahme gedrängt werden. Das strukturelle Problem der Arbeitslosigkeit wird zu einem Motivationsproblem der Erwerbslosen umgedeutet. Die Opfer des Arbeitsmarktes werden so zu den Schuldigen gemacht. Von den Rechten der Leistungsbeziehenden oder gar einem Umgang mit Respekt oder auf Augenhöhe ist keine Rede mehr.

Die Bürgergeldreform wollte mit Qualifizierung und Fortbildung mehr Nachhaltigkeit organisieren. Zu befürchten ist, dass mit der neuen Regierung die Mittel für die Arbeitsförderung weiter gekürzt werden. Zwar sagt das Sondierungspapier, dass die Jobcenter »ausreichend« Mittel bekommen – ohne aber zu sagen, was »ausreichend« meint. Bereits seit Jahren werden Mittel der Arbeitsförderung zur Finanzierung der Verwaltung der Jobcenter umgewidmet.

Wer Erwerbslosen im Bürgergeld eine nachhaltige Eingliederung in die Erwerbsarbeit ermöglichen will, muss auch in deren Qualifizierung und Fortbildung investieren. Auch öffentliche Beschäftigung muss organisiert und finanziert werden. Mit großer Sorge ist zu beobachten, dass aktuell mit der »Teilhabe am Arbeitsmarkt« – ein Lohnkostenzuschuss für besonders arbeitsmarktferne Personen – ein gutes arbeitsmarktpolitisches Instrument wegen Finanzierungsproblemen zunehmend leerläuft.

Das Sondierungspapier sagt schließlich nichts zur Leistungshöhe. Das Thema Armut taucht nicht auf. Nach der Überzeugung des Paritätischen sind die Leistungen in der Grundsicherung weder sachlich überzeugend ermittelt noch bedarfsdeckend. Es reicht vielfach nicht einmal für eine gesundheitsförderliche Ernährung. Die Leistungen liegen deutlich unter der Armutsschwelle. Trotz steigender Preise gab es zuletzt im Bürgergeld eine Nullrunde. Insofern gilt unverändert: Ein Leben mit Hartz IV bedeutet ein Leben in Armut.

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