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Carsharing: Geteiltes Auto ist halbe Verschmutzung
Ein Carsharing-Fahrzeug ersetzt im Schnitt 10,7 private Pkws
Eine Art Lebensentscheidung ist das Carsharing – so sieht das zumindest Gunnar Nehrke vom gleichnamigen Bundesverband (BCS). Ein Wechsel vom privaten Auto zum geteilten Wagen sei angesichts der Autobesitz-Kultur in Deutschland nicht mit einem Shampoo vergleichbar, wo man mal eben dieses oder jenes ausprobiere, sagte Nehrke am Dienstag bei der Präsentation der Carsharing-Bilanz 2024. Denn zunächst müsse man für den Umstieg zum Carsharing das eigene Auto abschaffen.
2024 ergab der Umstiegswille der Autonutzer für die Branche ein ziemlich normales Wachstum, so Nehrke weiter. Die Zahl der Carsharing-Fahrzeuge stieg gegenüber dem Vorjahr um 5,3 Prozent auf insgesamt 45 400. Mit der Entwicklung ist die Branche recht zufrieden. »Es hat noch kein Jahr gegeben, in dem die Carsharing-Flotte nicht größer geworden ist. Das ist immer der wichtigste Anzeiger dafür, ob wirklich Nachfrage besteht«, erläuterte Nehrke.
Die Angebote der 300 Carsharing-Firmen können derzeit in rund 1400 Städten und Gemeinden genutzt werden. Erfreulich ist aus Branchensicht vor allem die Ausweitung auf kleinere Kommunen mit weniger als 50 000 Einwohner*innen auf jetzt rund 1230 Orte. Einfach ist das Geschäft aber nicht, denn Carsharing wird in Deutschland nicht staatlich gefördert. Die Firmen müssen demnach kalkulieren, wie viele Fahrzeuge sie tatsächlich anbieten können.
Pkw-Bestand auf neuem Höchststand
Laut dem Statistischen Bundesamt waren Anfang 2024 in Deutschland im Schnitt 580 Pkws pro 1000 Einwohner gemeldet, nach 578 im Vorjahr. Der Pkw-Bestand erreichte so mit 49,1 Millionen Fahrzeugen einen neuen Höchststand. In fast allen Bundesländern stieg die Autodichte seit 2014 – einzige Ausnahme ist die Hauptstadt Berlin.
In puncto Pkw-Überschuss kann das Carsharing dabei die Mobilitätswende durchaus unterstützen: Jedes stationsbasierte Carsharing-Fahrzeug ersetzt nach Verbandsangaben im Schnitt 10,7 private Pkws. Laut der Statistik führte dies rechnerisch zu einer Reduzierung der Zahl privater Fahrzeuge um nahezu 175 000. Das Autoteilen verringert so, grob gerechnet, den privaten Autobesitz um 0,3 Prozent. Durch Carsharing werden außerdem pro geteiltem Auto knapp zwei Quadratmeter Parkraum eingespart und rund 234 000 Tonnen Kohlendioxid vermieden.
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Für den Mobilitätsexperten Andreas Knie vom Wissenschaftszentrum Berlin ist das Carsharing-Wachstum eine gute Nachricht. Carsharing könne und müsse aber mehr wollen, sagte Knie. »Die zentrale Forderung muss sein: Kein privates Auto darf mehr auf öffentlichem Grund dauerparken.« Solche Fahrzeuge gehörten in ein Parkhaus oder in eine Garage. Nur wenn ein Auto – wie beim Carsharing – dem Gemeinwohl diene, dürfe es durchgängig öffentlich geparkt werden, fordert Knie. Zudem muss der Branchenverband seiner Ansicht nach mehr in die politische Arbeit investieren.
E-Autos gewinnen an Bedeutung
Im Carsharing-Markt wird zwischen stationsbasiertem und stationsunabhängigem Carsharing unterschieden. Beim stationsbasierten Carsharing stehen die Fahrzeuge auf fest zugewiesenen Parkplätzen in Wohn- und Arbeitsnähe und werden nach der Nutzung dorthin zurückgebracht. Anders beim stationsunabhängigen (»free-floating«) Carsharing, das auf ein Geschäftsgebiet, beispielsweise eine Stadt, begrenzt ist. Innerhalb des Gebiets können die Fahrzeuge flexibel abgestellt werden. Darüber hinaus gibt es kombinierte Systeme, die beide Varianten anbieten.
Laut Branchenverband gibt es im stationsbasierten Carsharing sowie bei kombinierten Systemen zusammen 18 000 Fahrzeuge, von denen 1400 auch im Free-Floating-Modell genutzt werden. Insgesamt ist dieses Angebot in rund 1380 Gemeinden verfügbar. In diesem Segment ist bereits jedes fünfte Auto ein E‑Fahrzeug. »Das ist verglichen mit der nationalen Pkw-Flotte sehr viel, da liegt die E‑Quote im Moment bei 3,3 Prozent«, so Nehrke.
Für besonders bemerkenswert hält der Branchenverband das Angebot des Carsharing-Anbieters Deer, das vornehmlich im Südwesten verfügbar ist. Der reine Elektro-Carsharer habe es mittlerweile in die Liste der größten Carsharing-Anbieter Deutschlands geschafft. Außerdem erschließe Deer gezielt den ländlichen Raum sowie kleinere Gemeinden, betonte Nehrke.
Laut der Branchenstatistik können stationsbasierte und kombinierte Systeme zusammen derzeit bis zu 48,6 Millionen Einwohner*innen erreichen. Das reine Free-Floating-Carsharing erreicht erst maximal 13,5 Millionen Menschen – vor allem, weil es sich auf wenige Städte wie Berlin, Hamburg und München konzentriert.
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