Klöckner: Von der Lobbykönigin zur Bundestagspräsidentin

Erst Wein- dann Lobbykönigin – jetzt soll Julia Klöckner ins zweithöchste deutsche Amt gewählt werden. Lobbycontrol warnt vor Interessenkonflikt

Die CDU-Politikerin Julia Klöckner ist die einzige Frau an der (politischen) Seite des künftigen Bundeskanzlers Friedrich Merz.
Die CDU-Politikerin Julia Klöckner ist die einzige Frau an der (politischen) Seite des künftigen Bundeskanzlers Friedrich Merz.

Weinkönigin, Merkel-Vertraute, CDU-Nachwuchshoffnung: Julia Klöckner hatte in der Vergangenheit schon einige Beinamen. Am Dienstag soll die CDU-Politikerin und frühere Landwirtschaftsministerin in das zweithöchste Staatsamt gewählt werden: Ihre Fraktion hat sie für den Posten der Präsidentin des neuen Bundestags nominiert. Dass sie gewählt wird, gilt als Formsache, doch nicht alle sind Fan dieser Vorstellung. Die Organisation Lobbycontrol sieht in ihr eine schlechte Wahl für das Amt.

Die 1972 in Bad Kreuznach geborene Klöckner blickt auf eine lange politische Karriere in der Landespolitik und im Bund zurück. Sie wächst im elterlichen Weingut in Guldental an der Nahe auf, studiert später in Mainz Politikwissenschaften, katholische Theologie und Pädagogik und tritt in jungen Jahren in die CDU ein.

Bevor sie mit 29 Jahren als Abgeordnete in den Bundestag einzieht, wird sie 1995 zunächst zur deutschen Weinkönigin gewählt und repräsentiert als Botschafterin des deutschen Weins ein Jahr lang im ganzen Land die Weinwirtschaft. Danach sammelt sie journalistische Erfahrungen, arbeitet für den SWR und als Chefredakteurin des Weinfachblatts »Sommelier-Magazin«.

Dem Deutschen Bundestag gehört sie erstmals von 2002 und 2011 an. Ans.chließend kehrt sie in die rheinland-pfälzische Landespolitik zurück, wo sie ihr großes Ziel, Ministerpräsidentin zu werden, jedoch zweimal verfehlt.

2018 ernennt Angela Merkel Klöckner zur Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, wo sie sich einen Namen als Lobbykönigin macht. 25-mal trifft sie sich in ihrer Amtszeit offiziell mit Vertreter*innen zu Einzelgesprächen mit Lebensmittelkonzernen wie Nestlé und Mars und Vertretern der klassischen Agrar-, Fleisch- und Ernährungswirtschaft, aber nur fünfmal mit Vertretern von Organisationen wie dem Bund ökologische Landwirtschaft.

Insbesondere ihre Nähe zu Nestlé sorgt für Spott und Kritik. Ein Karnevalswagen in Mainz zeigt sie 2020 in »Julias Liebesnestle« kuschelnd mit dem Nestlé-Deutschland-Chef Marc-Aurel Boersch. Mit diesem hatte sie in einem Video posiert und sich für die Unterstützung ihrer Reduktionsstrategie bedankt.

25-mal traf sich Klöckner in ihrer Amtszeit zu Einzelgesprächen mit Lebensmittelkonzernen wie Nestlé und Mars.

In ihre Amtsbilanz fällt zum Beispiel das Tötungsverbot männlicher Küken. Auch die Nationale Reduktionsstrategie für Zucker, Fett und Salz in Fertigprodukten geht auf Klöckner zurück. Kritik bringt ihr aber ein, dass sie dabei auf die Freiwilligkeit der Wirtschaft setzt. Vorschläge wie eine verpflichtende Limo-Steuer nach britischem Vorbild lehnt sie, ganz im Sinne der Industrie, ab.

2021 kehrt Klöckner als Abgeordnete in den Bundestag zurück. Sie wird wirtschaftspolitische Sprecherin ihrer Fraktion und 2022 Schatzmeisterin der CDU, womit sie wesentlich für die Finanzen ihrer Partei zuständig ist.

Die Organisation Lobbycontrol sieht darin einen Interessenkonflikt, denn als Bundestagspräsidentin hätte Klöckner auch die Aufsicht über die Parteienfinanzierung. Daher sei die CDU-Schatzmeisterin »keine gute Wahl«. Besonders brisant sei auch, dass Klöckner für die Prüfung der hohen Spenden im Wahljahr 2025 zuständig wäre, so Lobbycontrol weiter. »Die CDU profitiert von allen Parteien am meisten von hohen Wahlkampfspenden. Klöckner stünde als Bundestagspräsidentin in einem Interessenkonflikt.«

Parteichef Merz formulierte bei Klöckners Vorstellung den wichtigen Auftrag, den die CDU-Politikerin als Bundestagspräsidentin wird umsetzen müssen: »Dieses Haus hier ist das Herz unserer Demokratie, und die Präsidentin wird darauf zu achten haben, dass dieses Herz nicht beschädigt wird.« Die frühere Grünen-Parteichefin Ricarda Lang äußerte Zweifel an Klöckners Eignung für diese Aufgabe: »Gesucht wird eine Person, die verbindet, statt zu spalten, die in aller Besonnenheit, aber umso entschiedener reagiert, je lauter die antidemokratischen Kräfte tönen.« Nach allem, was in den vergangenen Jahren zu beobachten gewesen sei, »sind Zweifel angebracht, ob Julia Klöckner diese Anforderungen tatsächlich erfüllt«.

Im Bundestagswahlkampf sorgte Klöckner etwa mit einem Instagram-Post für Aufruhr, in dem sie ihre Partei mit den Worten bewarb: »Für das, was Ihr wollt, müsst Ihr nicht AfD wählen. Dafür gibt es eine demokratische Alternative: die CDU.« Mit Agenturen

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