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Die große Bleiche in Australien
Australiens große Korallenriffe bleichen zeitgleich. Das gefährdet das Überleben der Nesseltiere
In Australien schlägt der Klimawandel derzeit gleich doppelt zu: Sowohl das berühmte Great Barrier Reef im Osten als auch das Ningaloo Reef an der Westküste sind von einer Korallenbleiche betroffen. Riffexperten sind entsetzt: »Falls die Menschen noch einen Weckruf gebraucht haben, dann ist es dieser«, sagte die Molekularökologin Kate Quigley und fügte dem Aufruf hinzu: »Wir brauchen jetzt Klimaschutzmaßnahmen.«
Auch der australische Korallenforscher Terry Hughes spricht von einer »rekordverdächtigen Hitze«, unter der die Korallenriffe auf beiden Seiten Australiens leiden würden. Am weltgrößten Riff der Erde, dem Great Barrier Reef, wird eine Korallenbleiche von Townsville bis zur Spitze von Cape York im Nordosten des Landes beobachtet, eine Strecke über etwa tausend Kilometer. Am Ningaloo Reef in Westaustralien, das jedes Jahr zwischen März und August von Walhaien besucht wird, sprechen Forschende von »einer ernsthaften Korallenbleiche«.
Die Meeresoberflächentemperaturen sind hier auf bis zu vier Grad Celsius über dem Sommerdurchschnitt angestiegen. Normalerweise liegen die Wassertemperaturen in den heißeren Monaten zwischen 25 und 28 Grad Celsius. Große, warme Wassermassen bewegten sich diesen Sommer dann entlang der Küste im Nordwesten des Landes und »hinterließen eine Welle der Unterwasserzerstörung«, wie Zoe Richards, eine Meeresbiologin der Curtin University, erklärte. Sie berichtete zudem über »erste Anzeichen« eines Korallensterbens. »Bis zu 90 Prozent der Korallen in den flachen Bereichen der nördlichen Lagune zeigten eine Korallenbleiche«.
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Eine Korallenbleiche bedeutet nicht automatisch den Tod der Nesseltiere, doch eine Bleiche schwächt die Korallen erheblich und gefährdet ihr Überleben. Denn bei anhaltendem Hitzestress stoßen Korallenpolypen die symbiotischen Algen ab, die ihnen die bunte Farbe verleihen. Diese Mikroalgen liefern den Korallenpolypen aber auch zuckerhaltige Nahrung im Austausch für ein Zuhause. Ohne diese Nährstoffe können die Korallen verhungern.
Vor allem, da die Hitzewelle nach wie vor anhält, rechnet die Forscherin in den kommenden Monaten mit einem Korallensterben. Korallen, die nicht gleich absterben, aber in schlechtem Zustand überleben, können zudem im Nachhinein an Krankheiten oder wegen anderer Bedrohungen wie Drupella – eine korallenfressende Schneckenart – eingehen. Wieder andere Korallen werden laut Richards Schwierigkeiten haben, sich zu vermehren – nur einige besonders widerstandsfähige Korallen mit der richtigen Genkombination werden voraussichtlich unbeschadet überleben.
»Die australischen Regierungen schweigen derzeit zur massiven Korallenbleiche auf beiden Seiten Australiens.«
Terry Hughes Korallenforscher
In Australien selbst ist die Meldung der doppelten Bleiche eher untergegangen. Letzteres monierte auch der Korallenexperte Hughes: »Die australischen Regierungen schweigen derzeit zur massiven Korallenbleiche auf beiden Seiten Australiens«, sagte er. Stattdessen würde man auf Bundes- wie Landesebene in den Bundesstaaten Queensland (Great Barrier Reef) und Westaustralien (Ningaloo Reef) weiterhin fossile Brennstoffe ausbauen – und dabei die Auswirkungen der Treibhausgasemissionen ignorieren.
Vor allem für das Ningaloo Reef sei der Zeitpunkt »besonders ungünstig«, meinte die Meeresbiologin Richards. Denn die dortigen Korallen laichen normalerweise etwa fünf Tage nach dem Märzvollmond, der dieses Jahr auf den 19. März fiel. Im Gegensatz dazu laichen Korallen am Great Barrier Reef tendenziell zwischen Oktober und Dezember.
Leider sind Bleichen inzwischen keine Einzelfälle mehr – vor allem auch, da sich das Meer vor Australiens Küsten immer mehr aufheizt. Im August letzten Jahres meldeten Forschende die heißesten Meerestemperaturen seit 400 Jahren am Great Barrier Reef. So ergab ihre im Fachmagazin »Nature« veröffentlichte Studie, dass das Jahr 2024 das heißeste Jahr seit mindestens 407 Jahren war und 1,73 Grad heißer als der Durchschnitt der Jahre vor 1900.
Das Weltnaturerbe, das sich über rund 2300 Kilometer an der Ostküste Australiens erstreckt, besteht aus etwa 3000 einzelnen Riffen und ist die Heimat von 1500 Fischspezies und 400 Korallenarten. Korallenriffe gehören, neben dem tropischen Regenwald, zu den artenreichsten Ökosystemen und sind ein wichtiger Lebensraum für zahlreiche Pflanzen- und Tierarten. Zudem schützen sie Meeresküsten vor Erosionen und Stürmen.
Eine erste großflächige Massenbleiche wurde 1998 und dann erneut 2002 am Riff beobachtet. Seitdem bleicht das Riff in immer kürzeren Abständen – zwischen 2016 und 2024 weitere fünfmal. Rund die Hälfte der Korallen ist in den vergangenen 30 Jahren bereits eingegangen. Schuld daran sind neben dem Klimawandel auch Wasserverschmutzung, Stürme und der gefräßige Dornenkronenseestern.
Trotzdem wollen Forschende die Hoffnung nicht aufgeben. Vor allem eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen könnte das Überleben der Nesseltiere sicherstellen. Zudem gibt es auch immer wieder positive Nachrichten inmitten der vielen Hiobsbotschaften: So hatte die Korallenabdeckung bei den Hartkorallen im nördlichen und im mittleren Teil des Riffs zeitweise zugenommen.
Und im vergangenen Jahr meldeten Wissenschaftler zudem, dass sie unter den insgesamt etwa 3000 Einzelriffen einige entdeckt hätten, die von den Folgen der steigenden Meerestemperaturen stets verschont geblieben sind. Sowohl die Ribbon-Riffe als auch die Swains- und Pompey-Riffe werden anscheinend durch kaltes Wasser aus der Tiefe des Meeres geschützt.
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