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Flugmodus in der Schule
Mehrere Bundesländer wollen die Nutzung von Smartphones im Unterricht verbieten
Im Dezember erst hatte Baden-Württembergs Bildungsministerin Theresa Schopper (Grüne) ein bundesweites Handy-Verbot an Grundschulen abgelehnt. Es sei keine »einfache Geschichte mit Schwarz und Weiß«, sagte sie nach Beratungen der Kultusministerkonferenz.
Nun ist ein Vierteljahr vergangen, und die Ministerin hört sich dringlicher an. »Es ist Zeit zu handeln«, sagte Schopper der dpa. Ihr Ministerium plant eine Regelung »mit klaren Leitplanken für den Umgang mit Smartphones an Schulen«, wie es in einer Mitteilung heißt. Schüler dürften »nicht unentwegt mit zerstreuenden Inhalten bombardiert werden«, erklärte Schopper. Vielmehr müssten sie geschützt werden vor den negativen Einflüssen von Smartphones, die mittlerweile hinreichend belegt seien. Sie nannte Konzentrationsschwierigkeiten und Probleme mit der mentalen Gesundheit, hervorgerufen beispielsweise durch Cybermobbing oder emotionale Vereinsamung.
Ein pauschales Verbot lehnt die Ministerin aber weiterhin ab, stattdessen plädiert sie »für klare, altersgerechte Regelungen, die auf breite Akzeptanz stoßen«. Das Handy könnte beispielsweise in den Einrichtungen im Flugmodus bleiben und nur dann im Unterricht erlaubt sein, wenn beispielsweise im Internet recherchiert werde. Wie genau die Regeln aussehen, sei noch nicht entschieden. Schopper versprach, in enger Abstimmung mit anderen Bundesländern entsprechende Konzepte auszuarbeiten.
Es kommt Bewegung in die Diskussion über den Umgang mit Handys an Schulen. Einige Bundesländer erwägen, künftig restriktiver vorzugehen. Hessen will Smartphones ab dem kommenden Schuljahr komplett aus den Einrichtungen verbannen und damit »Maßstäbe« setzen, erklärte Bildungsminister Armin Schwarz (CDU) der dpa. Am Donnerstag wird über eine Änderung des Schulgesetzes im Landtag beraten. Das Saarland erwägt ein Handy-Verbot in der Grundschule. Die Einrichtungen seien aufgefordert worden, ihre Schulordnungen entsprechend anzupassen, sagte Bildungsministerin Christine Streichert-Clivot (SPD). Die geplante Regelung gehe über ein Verbot hinaus. »Wir setzen nicht nur klare Regeln, sondern fördern gleichzeitig Medienkompetenz und kritisches Denken im Umgang mit digitalen Technologien«, so die Ministerin.
Unabhängig von landesweiten Vorgaben gibt es an vielen Schulen bereits Regelungen, die Verbote vorsehen. Wie weitreichend diese sind, darüber gibt die Pisa-Studie aus dem Jahr 2022 Aufschluss, die nicht nur Fachkompetenzen von 15-Jährigen erhebt, sondern auch Fragen zum Schulalltag stellt. Demnach existiert bereits an 59 Prozent der Schulen ein generelles Handyverbot. Hier gibt es aber deutliche Unterschiede: Bei Einrichtungen in kritischen sozialen Lagen sprechen die Schulleitungen weitaus häufiger pauschale Verbote aus.
Ob diese auch eingehalten werden, ist eine weitere Frage, auf die die Pisa-Studie eine Antwort gibt: Selbst bei einem Verbot lässt nur eine Minderheit von 17 Prozent der Jugendlichen das Handy konsequent in der Tasche. Dennoch bleiben die Verbote nicht ohne Wirkung; sie schränken durchaus die Nutzung ein. Ohne Restriktion greift etwa jeder zweite Jugendliche täglich in der Schule zum Handy, mit einem Verbot ist es nur etwa jeder dritte.
Doch schon die bloße Anwesenheit eines Handys lenkt die Schüler oft ab, das ist das Ergebnis der »Brain Drain«-Studie von 2017, das später durch eine Metaanalyse von 22 Studien bestätigt wurde. Oft ist es der Druck, immer erreichbar zu sein, der die Jugendlichen nervös macht. Rund ein Viertel von ihnen gab nämlich an, die Handy-Benachrichtigungen während des Unterrichts nie oder fast nie auszuschalten. Das hat Auswirkungen aufs Lernen. Denn jene, die Benachrichtigungen im Unterricht immer ausschalten, schnitten beim Pisa-Leistungstest deutlich besser ab.
Es spricht also einiges dafür, die Smartphones konsequenter aus dem Unterricht fernzuhalten, wie es Hessens Bildungsminister Schwarz verlangt. Er begründet dies damit, dass die Kinder und Jugendlichen frei von Ablenkung und Ängsten lernen sollten. »Wir dürfen nicht tatenlos zusehen, wie sich eine ausufernde Smartphone-Nutzung mit teilweise verstörenden Inhalten auf Social Media weiter negativ auf die psychische Gesundheit und Lernfähigkeit junger Menschen auswirkt.«
Einen kritischen Blick auf pauschale Verbote wirft Katharina Scheiter. »Es bringt nichts, wenn Kinder den ganzen Vormittag zwanghaft den Griff zum Handy unterdrücken und kompensatorisch am Nachmittag unkontrolliert damit herumspielen«, erklärte die Professorin für digitale Bildung an der Universität Potsdam dem Deutschen Schulportal. Es müsse in der Schule vielmehr auch um Fragen gehen wie: »Welche Rolle spielt das Handy für mich? Muss ich immer genau wissen, was meine Freundinnen und Freunde gerade machen? Kann ich gar nicht mehr ohne Handy leben?« Scheiter plädiert dafür, Kindern Strategien an die Hand zu geben, wie sie mit solchen Situationen umgehen können.
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