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Höchstes Windrad stört Segelflieger
Oberverwaltungsgericht muss über Streit in Schipkau und etliche andere Sachen entscheiden
Bei Schipkau in der Lausitz soll mit Fördermitteln des Bundes eine gigantische Windkraftanlage errichtet werden. Mit einer Höhe von 365 Metern wäre das Windrad nur drei Meter kleiner als der Berliner Fernsehturm und damit das zweithöchste Bauwerk in Deutschland und das höchste Windrad der Welt. Im September begannen die Bauarbeiten und in diesem Sommer soll es eigentlich fertig werden.
Doch es regt sich Widerstand gegen das Projekt. Ein Segelflugverein aus dem nahen Schwarzheide klagt dagegen. Das Windrad schränke die Runde der Segelfliegerpiloten ein, die sie bisher in der Gegend drehen. Einen Verhandlungstermin beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) gebe es noch nicht, erklärte Gerichtspräsident Joachim Buchheister am Donnerstag. Aber da der Verein einen Eilantrag gestellt habe, könne es nicht allzu lange dauern.
Der Streit um das riesige Windrad ist nur eine von mehreren interessanten Sachen, mit denen sich das OVG im laufenden Jahr beschäftigen wird. Noch einmal zu entscheiden ist beispielsweise über die in Berlin-Mitte beschlossene Umbenennung der Mohrenstraße in Anton-Wilhelm-Amo-Straße. Begründung: Die Bezeichnung schwarzer Menschen als »Mohr« werde heutzutage jedenfalls teilweise als anstößig, wenn nicht rassistisch empfunden. Anwohner setzten sich dennoch gegen die Umbenennung zur Wehr. Doch das Verwaltungsgericht Berlin wies ihre Klage ab. Die Anwohner verlangen nun, dass das Oberverwaltungsgericht als zweite Instanz Berufung zulässt.
»Auch wir merken, dass die Zahlen wieder hochgehen.«
Joachim Buchheister Gerichtspräsident
Derweil erheben Umweltschützer Einwände gegen eine Erweiterung der Schweinezuchtanlage Blumberg GmbH in der uckermärkischen Gemeinde Casekow. Konkret wenden sie sich gegen den Bebauungsplan, der eine Vergrößerung der vorhandenen Ställe erlaubt, wodurch mehr Tiere gehalten werden könnten. Eine mündliche Verhandlung wird es voraussichtlich im vierten Quartal 2025 geben. Ebenfalls in der zweiten Jahreshälfte könnte die Genehmigung für eine Ferkelzucht im Landkreis Teltow-Fläming verhandelt werden. 906 Ferkel sollen dort aufgezogen und 4320 Schweine gemästet werden. Umweltschützer klagten dagegen, weil sich in der Umgebung Naturschutzgebiete und Biotope befinden. Weil die Umweltverträglichkeitsprüfung unterblieben war, bekamen die Kläger in der ersten Instanz vom Verwaltungsgericht teilweise Recht. Dagegen wendet sich in der zweiten Instanz der Betreiber der Ferkelzucht.
Wahrscheinlich schneller – bereits im zweiten Quartal – kommt das leidige Problem der Trinkwasserversorgung und des Abwassers der Tesla-Autofabrik in Grünheide dran. Das OVG prüft die Satzungen das Wasserverbands Strausberg-Erkner. Außerdem gehe es in einem zweiten Verfahren im zweiten Halbjahr um die Beschränkung von Trinkwassermengen, erläutert Präsident Buchheister.
Zu befinden hat das OVG weiterhin über das Ansinnen der AfD, aus dem Verfassungsschutzbericht des Jahres 2022 die Angabe zu löschen, die Partei habe »gegenwärtig schätzungsweise ein extremistisches Personenpotenzial von etwa 10 000 Personen« beziehungsweise von »30 bis 40 Prozent aller AfD-Mitglieder«. In erster Instanz hatte das Verwaltungsgericht Berlin einen Eilantrag der AfD zurückgewiesen. Die Informationen im Verfassungsschutzbericht seien nicht auf Bestrebungen beschränkt, bei denen die Verfassungsfeindlichkeit sicher festgestellt werden könne, so die Begründung. Anhaltspunkte von hinreichendem Gewicht seien ausreichend. Die Schätzung sei auch nicht willkürlich. Auf die offizielle Auflösung des völkischen Flügels der AfD komme es nicht an, weil damit das Rechtsextremismuspotenzial nicht aus der Partei verschwunden sei.
Auf der gegenüberliegenden Seite des politischen Spektrums wehrt sich die Tageszeitung »Junge Welt« gegen ihre Erwähnung in Verfassungsschutzberichten. Erstmals war das Blatt 1998 dort aufgetaucht und dann über mehrere Jahre hinweg als »linksextremistisch« bezeichnet worden. Das Verwaltungsgericht Berlin wies die Klage des Zeitungsverlags im Juli 2024 ab. Es urteilte, die Aussage des Geheimdienstes, dass die »Junge Welt« eine sozialistisch-kommunistische Gesellschaftsordnung nach klassischem marxistisch-leninistischen Verständnis anstrebe, lasse sich hinreichend belegen. Zwischen Redakteuren und Autoren der Zeitung und der als linksextrem geltenden DKP gebe es sehr viele Bezüge. Auch sei die Feststellung des Verfassungsschutzes berechtigt, dass sich das Blatt nicht ausdrücklich zur Gewaltfreiheit bekenne. Das Oberverwaltungsgericht kommt nun nach eigenen Angaben als zweite Instanz ins Spiel, da die »Junge Welt« die Zulassung einer Berufungsverhandlung beantragt hat.
2766 Sachen sind im vergangenen Jahr beim OVG eingegangen und 2749 konnte es erledigen. Ende 2024 blieb ein Bestand von 2086 Fällen übrig – ungefähr so viele wie in den Jahren zuvor. Allein 504 Asylsachen sind dazugekommen, aber 589 konnten abgearbeitet werden. Damit sank der Bestand an Asylsachen von 315 auf 230. Im Jahr 2023 waren nur 430 Asylfälle hinzugekommen und lediglich 420 abgearbeitet worden.
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»Auch wir merken, dass die Zahlen wieder hochgehen«, sagte Buchheister. Er erklärte das damit, dass vom Bundesamt für Asyl und Migration (Bamf) inzwischen mehr Personal eingesetzt werde, um einen Rückstau abzubauen. Denn nach Buchheisters Wahrnehmung sind die Flüchtlingszahlen zuletzt nicht gestiegen, sondern im Gegenteil gesunken. Sein Oberverwaltungsgericht bekommt Schwankungen immer erst mit Verzögerung zu spüren. Denn nachdem das Bamf einen Asylantrag abgelehnt hat, sind zunächst die Verwaltungsgerichte dran, wenn Flüchtlinge den Klageweg beschreiten. Am OVG wurden im vergangenen Jahr 219 Fälle von Flüchtlingen aus der Türkei behandelt. Zumeist handelte es sich um Kurden. Dass die Türkei als Herkunftsland solcher Streitfälle mit 219 »einsame Spitze« sei, aber der Irak mit nur 13 Fällen eine untergeordnete Rolle spiele, ist laut Buchheister eine Besonderheit der zweiten Instanz. Am Verwaltungsgericht Potsdam lag bei den Eingangszahlen die Türkei mit 792 Fällen ebenfalls an der Spitze, doch auf den Irak entfielen dort immerhin 261 Fälle.
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