Ehemaliger DDR-Bürgerrechtler Gerd Poppe verstorben

In der DDR war er schon Mitte der 1980er Oppositioneller. Nach 1990 saß er für die Grünen acht Jahre im Bundestag

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Bildnummer: Gerd Poppe (1941-2025) im Jahr 2009 in seiner Wohnung
Bildnummer: Gerd Poppe (1941-2025) im Jahr 2009 in seiner Wohnung

Der frühere DDR-Bürgerrechtler Gerd Poppe ist gestorben. Das bestätigte der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Kowalczuk war nach eigenen Angaben zusammen mit Poppes Familie bis zuletzt an dessen Seite. »Das freiheitlichste Kämpferherz, das ich kenne, hat gerade für immer aufgehört zu schlagen. Vier Wochen hat mein Freund, mein großes Vorbild Gerd «Poppoff» Poppe gekämpft – diesen letzten Kampf hat er nun verloren«, schrieb Kowalczuk am Samstagnachmittag auf der Plattform X. Er nannte Poppe einen »Vordenker der Freiheitsrevolution von 1989«. Seit 1968 sei der gebürtige Rostocker »eine der prägenden Persönlichkeiten in der antikommunistischen Opposition gegen die SED-Diktatur« gewesen, schreibt Kowalczuk. Poppe starb demnach am Samstag, vier Tage nach seinem 84. Geburtstag.

Der Physiker Poppe engagierte sich seit den 1960er Jahren in oppositionellen Kreisen. Wegen seines Protestes gegen die Ausbürgerung des Liedermachers Wolf Biermann wurde 1976 eine Einstellungszusage der Akademie der Wissenschaften der DDR zurückgezogen. Poppe arbeitete danach bis 1984 als Maschinist in einer Berliner Schwimmhalle und dann bis 1989 als Ingenieur im Baubüro des Diakonischen Werks der Evangelischen Kirche.

1985 gründete er zusammen mit Bärbel Bohley und Wolfgang Templin die Oppositionsgruppe Initiative Frieden und Menschenrechte (IFM). Nach der »Wende« vertrat er die IFM am Zentralen Runden Tisch, einem Gremium, das im Herbst 1989 auf Druck der Opposition gegründet wurde und die Politik der letzten SED-Regierung unter Führung von Hans Modrow stark beeinflusste. Diese Regierung wurde im März 1990 abgewählt. Poppe gehörte anschließend als Abgeordneter für Bündnis 90 zunächst der frei gewählten Volkskammer an, nach dem Beitritt der DDR zur BRD dem Bundestag.

Ab 1994 war er außenpolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Vier Jahre später kandidierte er nicht erneut für den Bundestag, wurde aber erster Beauftragter der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und humanitäre Hilfe. Das Amt hatte er bis 2003 inne.

Die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur schrieb in einem Nachruf, Poppe habe zu jener kleinen Gruppe von Männern und Frauen gehört, die seit den 1970er Jahren in der DDR beharrlich gegen die »kommunistische Diktatur« aufbegehrt hätten – »mit Worten, mit Haltung, mit persönlichem Risiko«. »Er war Mitgründer oppositioneller Gruppen, wurde verhaftet, ließ sich nicht einschüchtern. Poppe stand für eine Opposition, die gewaltfrei, prinzipientreu und zukunftszugewandt war«, schrieb die Stiftung. Nach 1990 habe er sich nicht zurückgezogen, sondern Verantwortung übernommen.

Die Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt schrieb am Sonntag auf X, Poppe sei ein »wunderbarer, kluger und immer freundlicher Kämpfer für die Freiheit« gewesen. Die Grünen hätten ihm viel zu verdanken, vor allem einen »realistischen Kurs« in der Außenpolitik. Er habe »mit wenigen anderen von uns den Kampf für Verantwortungsübernahme, auch militärisch, gekämpft, damals auf dem Balkan, um unfassbare Verbrechen und Massenmorde zu verhindern«, so Göring-Eckardt. »Er wird sehr fehlen und sein Rat in diesen fragilen Zeiten, in denen die Freiheit allüberall bedroht ist, besonders«, unterstrich die ehemalige Bundestagsvizepräsidentin. dpa/nd

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