Castor-Proteste: Spezialschiff in Nordenham angekommen

Castor-Behälter aus Großbritannien in Niedersachsen angelandet. Atommüll soll in das Zwischenlager im bayerischen Niederaichach geschafft werden

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 4 Min.
Bereits am Sonntag protestierten Atomkraftgegner in Bremen gegen den Castor-Transport von Nordenham nach Bayern.
Bereits am Sonntag protestierten Atomkraftgegner in Bremen gegen den Castor-Transport von Nordenham nach Bayern.

Die »Pacific Grebe« mit sieben Castorbehältern voller Atommüll hat am frühen Dienstagmorgen in Nordenham angelegt. Das teilte das Anti-Atomkraft-Bündnis »Castor stoppen« mit. Der Spediteur, die Gesellschaft für Nuklear-Service (GNS), bestätigte die »planmäßige« Ankunft des Spezialschiffes aus Großbritannien.

Die Castoren enthalten hochradioaktiven Müll aus deutschen Atomkraftwerken, der in der britischen Wiederaufarbeitungsanlage Sellafield recycelt wurde und nun von Deutschland zurückgenommen werden muss. Bis zum Jahr 2005 hatte die Bundesrepublik einen Teil der verbrauchten Brennelemente nach Frankreich und Großbritannien zur Wiederaufarbeitung gebracht. Aus Sellafield müssen insgesamt noch 14 Castorbehälter zurückgenommen werden.

Die jetzt in Nordenham angelandeten Castoren werden für den Weitertransport mit einem Kran auf Eisenbahnwaggons gehievt. Dies dauere mindestens einen Tag, vermutet »Castor stoppen«. Mit der Abfahrt des Zuges rechnet die Initiative frühestens für Mittwochabend. Die voraussichtliche Strecke verläuft über Bremen, Hannover, Göttingen, Fulda und Nürnberg nach Bayern. Ziel ist das Zwischenlager Niederaichbach am Standort des stillgelegten Atomkraftwerks Isar nahe Landshut. Dessen Block I war bereits 2011 abgeschaltet worden, Block II folgte 2023. In dem Zwischenlager befinden sich bereits abgebrannte Brennelemente, die aus den beiden stillgelegten Blöcken stammen. Nun kommen die sieben Behälter mit radioaktivem Material aus Sellafield hinzu.

»Jeder Castortransport birgt enorme Risiken. Atommüll sollte deshalb nur ein einziges Mal transportiert werden, und zwar in ein sogenanntes Endlager.«

Helge Bauer
Anti-Atom-Organisation Ausgestrahlt

Behörden und Polizei gaben zur Route und der genauen Abfahrtszeit des Zuges keine Auskunft. Im Bereich des Hafens und des Nordenhamer Bahnhofs waren am Dienstagmorgen aber schon Mannschaftswagen aufgefahren. »Die Polizeidirektion Oldenburg erfüllt damit den Auftrag des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport zur Sicherung des Transportes im Land Niedersachsen«, hieß es in einer Mitteilung. Einwohner müssten sich »in den nächsten Tagen« auf Verkehrsbehinderungen und Straßensperrungen einstellen. Man wolle die Einschränkungen aber »so gering wie möglich« halten.

Zusätzlich hat die Polizei bis Donnerstag eine Flugverbotszone über dem Hafengebiet und der Bahnstrecke Nordenham-Hude eingerichtet. Die Stadt liegt an der Weser südlich von Bremerhaven.

Im Rahmen des Verladeprozesses würden Sachverständige erneut Messungen an allen sieben beladenen Waggons vornehmen, »um nachzuweisen, dass der gesetzlich vorgegebene Grenzwert für die Strahlung während des Bahntransports zuverlässig eingehalten wird«, erklärte die GNS. Bereits in Sellafield hätten Messungen an den beladenen Behältern ergeben, dass der gesetzliche Grenzwert von 100 Mikrosievert pro Stunde für die sogenannte Ortsdosisleistung in zwei Metern Abstand weit unterschritten werde. Der höchste Wert habe bei rund einem Viertel des erlaubten Wertes gelegen.

nd.DieWoche – unser wöchentlicher Newsletter

Mit unserem wöchentlichen Newsletter nd.DieWoche schauen Sie auf die wichtigsten Themen der Woche und lesen die Highlights unserer Samstagsausgabe bereits am Freitag. Hier das kostenlose Abo holen.

Atomkraftgegner kritisieren die neuerliche Fuhre scharf. »So lange nicht für ein einziges Gramm des bisher entstandenen Atommülls ein Konzept für eine sichere Endlagerung entsteht, müssen Atomtransporte unterbleiben«, sagt Bündnis-Sprecherin Kerstin Rudek. »Jeder Castortransport ist einer zu viel, weil er das Problem nur verschiebt und nicht löst.«

Ähnlich äußert sich Helge Bauer von der Organisation Ausgestrahlt. »Hütchenspielertricks lösen das Atommüllproblem nicht«, erklärte er am Dienstag und fügte hinzu: »Schon heute ist klar, dass der Atommüll nicht in Niederaichbach bleiben kann. Das Hin- und Herverschieben von Castoren bringt uns einer sicheren Lagerung nicht näher, im Gegenteil: Jeder Castortransport birgt enorme Risiken. Atommüll sollte deshalb nur ein einziges Mal transportiert werden, und zwar in ein sogenanntes Endlager.« Das gelte auch für den deutschen Atommüll aus der Wiederaufarbeitung im Ausland, zu dessen Rücknahme die Bundesrepublik verpflichtet sei.

Die deutschen Zwischenlager bieten nach Ansicht von Ausgestrahlt keinen ausreichenden Schutz für hochradioaktive Abfälle. Sie seien schon bei ihrer Errichtung den sicherheitstechnischen Herausforderungen nicht gewachsen gewesen und seien es heute, in einer sehr unkalkulierbaren Sicherheitslage, erst recht nicht. Weder ein Castortransport noch ein Atommülllager könne etwa einem Drohnenangriff standhalten.

Für diesen Mittwoch haben die Initiativen Mahnwachen und Kundgebungen entlang der voraussichtlichen Bahnstrecke angekündigt. Aktionen waren in Nordenham, Bremen und Göttingen geplant. Bereits am Samstag hatten Atomkraftgegner*innen mit Transparenten vor dem Bremer Bahnhof gegen den Transport protestiert. Auch auf dem Bahnhofsvorplatz in Nordenham gab es zeitgleich eine kleine Kundgebung.

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.