Schacht Konrad auf der Kippe

Betreiber soll bei Genehmigung des Atommüll-Endlagers getrickst haben

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 4 Min.
Entwickelt sich Schacht Konrad zum Milliardengrab? Danach sieht es aktuell aus.
Entwickelt sich Schacht Konrad zum Milliardengrab? Danach sieht es aktuell aus.

Das geplante Atommüll-Endlager Schacht Konrad in Salzgitter steht erneut auf der Kippe. Die zuletzt offiziell für Anfang der 2030er Jahre anvisierte Inbetriebnahme wird sich wohl weiter verzögern oder sogar ganz scheitern, wie der Bayerische Rundfunk (BR) und der Norddeutsche Rundfunk (NDR) berichten. Unter den derzeitigen behördlichen Auflagen könne keine Einlagerung von Atommüll erfolgen. Die Sender beriefen sich auf ihnen exklusiv vorliegende vertrauliche Dokumente.

Im Jahr 2002 hatte das Land Niedersachsen die Genehmigung zur Umrüstung der Grube des ehemaligen Eisenerzbergwerks zum nationalen Endlager für schwach und mittelradioaktive Abfälle erteilt. Die stammen vor allem aus dem Betrieb und dem Abriss von Atomkraftwerken, zum kleineren Teil auch aus Forschung und Medizin. Die Kosten für den Umbau hat die zuständige Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) mit rund 5,5 Milliarden Euro beziffert.

Verantwortliche schaffen »eigene Berechnungsgrundlage«

Grund für die neuerlich drohende Verzögerung ist laut Recherchen von BR und NDR eine sogenannte »Gehobene wasserrechtliche Erlaubnis«, die 2002 im Rahmen der Baugenehmigung erteilt wurde. Mit dieser Erlaubnis soll sichergestellt werden, dass von den Abfällen im Endlager keine Gefahr für das oberflächennahe Grundwasser ausgeht. Dabei gehe es nicht nur um die radioaktiven Stoffe, sondern auch um mit diesen verbundene Metalle wie Platin, Quecksilber, Eisen oder Aluminium.

nd.DieWoche – unser wöchentlicher Newsletter

Mit unserem wöchentlichen Newsletter nd.DieWoche schauen Sie auf die wichtigsten Themen der Woche und lesen die Highlights unserer Samstagsausgabe bereits am Freitag. Hier das kostenlose Abo holen.

Die Genehmigung gilt für bis zu 303 000 Kubikmeter Atommüll, in dem etwa lediglich 43 Kilogramm Quecksilber oder bis zu elf Gramm Platin enthalten sein dürfen. Um diese Werte einzuhalten, kann nur ein Bruchteil des geplanten Abfallvolumens eingelagert werden. 2010 sollen sich die Verantwortlichen des Endlagers deshalb eine »eigene Berechnungsgrundlage« geschaffen haben, um doch mehr Atommüll nach Salzgitter bringen zu können, wie BR und NDR berichten.

Nötige Genehmigung nicht eingeholt

Als Kronzeugen zitieren die Sender den Physiker Bruno Thomauske, der von der Anti-AKW-Bewegung lange kritisiert wurde. Er war früher in leitender Funktion für das Bundesamt für Strahlenschutz tätig, später heuerte der Wissenschaftler beim Energiekonzern Vattenfall an. Aktuell hat er einen Lehrstuhl an der RWTH Aachen inne.

In einer aktuellen Analyse kommt Thomauske zu dem Schluss, dass Konrad »nicht in Betrieb gehen« kann. Denn die neue Berechnungsgrundlage sei eine »wesentliche Veränderung« der »Gehobenen wasserrechtlichen Erlaubnis«. Dazu benötige man Genehmigungsverfahren, in denen man begründet, weswegen höhere Mengen eingelagert werden. »Ein solches Genehmigungsverfahren wurde nicht angestrengt«, sagt er. Die BGE habe sich das Vorgehen zwar von einer wasserrechtlichen Aufsichtsbehörde abnicken lassen, jedoch beim niedersächsischen Umweltministerium nicht die nötige Genehmigung eingeholt. Ähnlich klingt es auch in einer Stellungnahme eines namentlich nicht genannten Beraters des Bundesumweltministeriums.

Betreiberin zeigt sich unbeeindruckt

Die BGE geht weiterhin von einer Inbetriebnahme des Endlagers zu Beginn der 2030er Jahre aus, wie Geschäftsführerin Iris Graffunder auf Anfrage erklärte. Dies sei »unabhängig von der Gehobenen wasserrechtlichen Erlaubnis für die Abfälle«. Man sei »überzeugt, dass durch die Einlagerung der radioaktiven Abfälle keine unzulässige Belastung des nutzbaren Grundwassers entsteht, sodass die Schutzziele zu jeder Zeit eingehalten werden«. Die Einlagerung der Abfälle erfolge in etwa 850 Metern Tiefe, das nutzbare Grundwasser liege deutlich höher, es gebe keine direkte Verbindung des Tiefenwassers mit dem Trinkwasser.

Unklar ist, inwieweit die Recherchen die juristische Auseinandersetzung um das Endlager beeinflussen. Die niedersächsischen Landesverbände der Umweltorganisationen BUND und Nabu hatten im Oktober beim Oberverwaltungsgericht Lüneburg Klage gegen eine Entscheidung von Landesumweltminister Christian Meyer (Grüne) eingereicht. Meyer hatte zuvor einen Antrag der beiden Verbände auf Widerruf beziehungsweise Rücknahme der Genehmigung für Schacht Konrad abgelehnt.

»Wir haben mit unserem Antrag, gestützt auf wissenschaftliche und juristische Expertise, belegt, dass Schacht Konrad den Anforderungen an ein Endlager für radioaktive Abfälle nicht entspricht«, sagte die BUND-Landesvorsitzende Susanne Gerstner. »Deshalb müssen wir jetzt gerichtlich versuchen, eine Aufgabe dieses Projektes herbeizuführen.«

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.