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Eintracht Frankfurts Europa-League-Aus: Lehrgeld statt Beutezug
Die Hessen scheitern als letzter Bundesligist auf der internationalen Bühne gegen ein abgezocktes Tottenham Hotspur
Kevin Trapp besaß ein feines Gespür, wer an diesem vermasselten Europapokalabend unbedingt Trost brauchte. Wie begossene Pudel standen die traurigen Protagonisten von Eintracht Frankfurt nach dem bitteren Europa-League-Aus im Viertelfinalrückspiel gegen Tottenham Hotspur (0:1) verloren auf dem Rasen herum: Der Däne Rasmus Kristensen, der sich das Trikot über den Kopf zog. Der Brasilianer Kauã Santos, der Löcher in die Luft starrte. Und der Franzose Hugo Ekitiké, der hemmungslos weinte.
Vor einer zögerlichen Ehrenrunde versuchte sich der noch nicht wieder einsatzfähige Kapitän Trapp an seelischer Aufbauarbeit, nachdem der Traum von einem Europa-League-Triumph wie 2022 geplatzt war. Statt auf Beutezug zu gehen, wie die Nordwestkurve in einer imposanten Choreografie vor dem Spiel illustrierte, sind die Flügel der Adler gestutzt. Dabei hätte ein Halbfinale gegen das Überraschungsteam FK Bodø/Glimt aus Norwegen eine reelle Option auf das Finale am 21. Mai in Bilbao eröffnet.
»Leider geht die wundervolle Reise zu Ende. Wir hatten tolle Erlebnisse, wir hatten tolle Spiele«, bilanzierte Frankfurts Trainer Dino Toppmöller nach dem »zerplatzten Traum« der Hessen, die als letzter deutscher Vertreter die internationale Bühne verlassen. Der Dritte der Bundesliga war gegen den 15. der Premier League vor allem an sich selbst gescheitert. Die »jüngste Mannschaft des Wettbewerbs«, wie Toppmöller hervorhob, zahlte gegen die Engländer ordentlich Lehrgeld für ihre Unerfahrenheit und Naivität. Insgesamt vereint der Kader zwar viel Perspektive, besitzt jedoch wenig robuste Haltepunkte.
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Eintrachts Talente stoßen an ihre Grenzen
Das war vor drei Jahren noch anders, als Sebastian Rode und Makoto Hasebe ihre Karriere mit dem Europapokaltriumph krönten. Sie erlangten mit der magischen Nacht von Sevilla genauso Heldenstatus wie Torwart Trapp. Dessen vielleicht vorschnell in die Kategorie Weltklasse gehievter Vertreter Santos räumte den Engländer James Maddison so ungestüm ab, dass Schiedsrichter Davide Massa nach VAR-Intervention gar nicht anders konnte, als auf Elfmeter zu entscheiden. Dominic Solanke schob den Ball lässig in die Tormitte (42.). Vorne vergab Verteidiger Kristensen noch die besten Eintracht-Chancen, während Torjäger Ekitiké völlig abgemeldet war. Talente wie Nathaniel Brown, Jean-Matteo Bahoya und Can Uzun stießen zudem an ihre Grenzen, weil auf mehr Widerstand als gewohnt.
»Es gehört dazu, dass junge Spieler auch mal Fehler machen«, meinte Toppmöller, der seinen in Rio de Janeiro entdeckten Schlussmann demonstrativ schützte. Der 22-Jährige solle den Mut behalten, in solchen Szenen herauszukommen. »Wenn er einen Tick eher dran ist, gibt es auf keinen Fall einen Elfmeter. So sieht es natürlich brutal aus, wie er den Spieler wegräumt.« Für den in seinem zweiten Eintracht-Jahr gereiften Fußballlehrer gehören Niederlagen zur Weiterentwicklung zwingend dazu: »Sie sind nicht das Gegenteil von Erfolg, sie sind Teil des Erfolgs. Wir müssen das als Chance für Wachstum begreifen.«
Der 44-Jährige gab das Motto aus: »Come back stronger!« Seinem Team fehlte indes neben der Durchschlagskraft auch die Kreativität, um mindestens mal die Verlängerung zu erzwingen. Erschwerend kam der frühe Griff von Mario Götze an den hinteren Oberschenkel hinzu. Bereits nach 17 Minuten war Dienstschluss für den bald 33-jährigen Weltmeister. »Das hat unseren Matchplan zerstört«, urteilte Sportvorstand Markus Krösche. Ohne den ballsicheren Ruhepol mangelte es an Reife und Ruhe. Der namhafte Gegner war gewiss nicht besser, nur ausgebuffter.
Volle Konzentration auf den Bundesliga-Endspurt
Während die Spurs in der Gästekabine gegen Mitternacht die mitgebrachte Musikbox aufdrehten, versuchte die Eintracht bereits, den Blick nach vorne zu richten. Müdigkeit solle sich bitte niemand für die Ostertage einreden, man müsse »den Fokus jetzt voll auf die Bundesliga« richten, wo am Sonntag das unangenehme Auswärtsspiel beim FC Augsburg wartet, forderte Toppmöller. Danach kommt es beim Heimspiel gegen RB Leipzig zum direkten Duell um die Champions-League-Plätze hinter Bayern und Leverkusen. Das Erreichen der Königsklasse ist noch keine Selbstverständlichkeit für die Eintracht.
»Wir lechzen nach mehr von diesen Spielen. Wir tun alles dafür, dass wir unseren Fans auch nächste Saison europäischen Fußball anbieten«, versprach der Eintracht-Trainer. Noch konkreter formulierte es Abwehrchef Robin Koch: »Jeder Spieler möchte das nächstes Jahr wieder erleben – dann hoffentlich in der Champions League.« Der Nationalspieler ist mit seiner Mission im Herzen von Europa noch nicht fertig. Und wer vielleicht den ehemaligen Nationalkeeper Trapp schon abgeschrieben haben sollte, liegt spätestens nach diesem verregneten Gründonnerstag in Frankfurt auch falsch.
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