- Politik
- USA
Proteste gegen Trump: »Die Menschen werden mutiger«
Die Sozialistin Elena Gormley freut sich über die größer werdenden Proteste gegen Trump in den USA
Hat Donald Trumps zweite Amtszeit die Linke und die sozialen Bewegungen in den USA unvorbereitet getroffen?
Linke Kräfte waren nicht unvorbereitet. Wir haben gesehen, dass Joe Biden verlieren und die Inflation den Faschismus populärer machen würde. Wir haben gesehen, dass die parteiübergreifende Unterstützung des Genozids in Gaza die Wähler*innen, die Joe Biden und Kamala Harris so dringend brauchten, abschreckte. Die ersten Proteste zu Trumps Amtseinführung am 20. Januar wurden von sozialistischen Organisationen wie der unseren angeführt. Die liberalen Institutionen waren überrumpelt. Viele Linksliberale wussten nicht, wie sie sich unter Biden organisieren sollten.
Hat Trumps Regime eine einschüchternde Wirkung?
Der Abschreckungseffekt ist ungleichmäßig verteilt. Viele Studierende, die ein Visum haben, sind verunsichert. Studentische Aktivist*innen versuchen, sich zurückzuhalten, was verständlich ist; Menschen werden schließlich buchstäblich entführt. Bei uns hingegen ist die Beteiligung außergewöhnlich hoch. Wir haben gerade unser Frühjahrstreffen abgehalten, und es war eines der am besten besuchten Treffen der letzten Jahre.
Elena Gormley ist Sozialarbeiterin aus dem ländlichen West-Michigan und Ko-Vorsitzende der Chicagoer Sektion der Democratic Socialists of America (DSA), der größten mitgliederbasierten sozialistischen Organisation in den USA.
Wie geht die DSA mit Repression um?
Die Strafverfolgungsbehörden auf Bundesebene arbeiten mit Faschist*innen zusammen. Bei jeder lokalen Demonstration gibt es eine umfangreiche Überwachung. Klar ist das hart. Aber die Leute in Chicago sind sehr erfahren im Umgang mit der Polizei. Wenn die Cops versuchen, einzelne Personen aus einer Menge herauszuziehen, dann sind das in der Regel arabisch-amerikanische oder palästinensische Demonstrant*innen oder Schwarze Menschen. Ihre Sicherheit gewährleisten wir, indem wir große Mengen mobilisieren.
Wie stufen Sie die Protestbewegung »Tesla Takedown« – sinngemäß »Tesla-Sturz« – ein?
Die Proteste wurden von keiner Organisation ins Leben gerufen. Das ging von ganz normalen Leuten aus, die Elon Musk hassen und denken, dass er ein Nazi ist. Die Proteste sind sehr niedrigschwellig und wirkungsvoll. Sie zeigen, dass ganz normale Menschen tatsächlich die Profite des Kapitals beeinflussen können. Gerade weiten sich die Proteste aus. Viele denken sich: »Okay, es ist Samstagnachmittag. Ich stehe auf, trinke meinen Kaffee und gehe dann den Leuten erzählen, dass Elon Musk ein Nazi ist.«
Was können die jüngsten »Hands Off«-Proteste gegen die Regierung Trump bewirken?
Auch die »Hands Off«-Proteste zeigen Wirkung. Ein großer Teil der Trump-Administration ist davon ausgegangen, dass eine überwiegende Mehrheit sie still und heimlich unterstützt. Diese Illusion wird schwierig aufrechtzuerhalten sein, wenn so viele Menschen auf die Straße gehen. Die Leute haben Proteste in republikanischen Hochburgen organisiert. In vielen kleinen Städten war die Beteiligung sehr hoch, oftmals sogar höher als in Reaktion auf die Ermordung von George Floyd 2020. Wir als DSA haben den Protest in Chicago unterstützt. Er war riesig, die lokalen Medien sprachen von 30 000 Teilnehmenden. Was zählt, ist, dass Menschen aus allen Gesellschaftsschichten, über Organisationen und Unterschiede hinweg das Ende der faschistischen Einmischung in den Alltag fordern. Besonders beeindruckend ist, dass diese Aktionen unmittelbar nach der Ankündigung der Zoll-Erhöhungen stattfanden. Die war für viele ein Zeichen, dass sich ihre Situation rasch sehr verschlechtern könnte.
Ist die Linke auch dazu in der Lage, Proteste außerhalb ihrer Hochburgen wie Chicago oder New York zu organisieren?
Großstädte, in denen es immer eine starke Präsenz von Gewerkschaften und organisierten Sozialist*innen oder Anarchist*innen gegeben hat, sind die Zentren von Massenprotesten und der Motor linker Politik. Hier in Chicago haben wir eine lange politische Geschichte, die dazu beiträgt, dass linke Organisationen nachhaltig arbeiten können. Das ist ein Magnet für Menschen und bietet ihnen Schutz. Aber wir erleben im ganzen Land Gegenwehr. Republikaner*innen werden in Ratssitzungen ausgebuht. Das passiert nicht aus einer Laune heraus. Das passiert, weil die Menschen mutiger werden. Viele von ihnen hatten sich von der Politik abgekapselt und merkten plötzlich: »Oh, Politik betrifft mich und ich bin sauer.« Ich habe mit Vorsitzenden von kleinen DSA-Sektionen in ländlichen Gebieten gesprochen, die in republikanisch regierten Bundesstaaten liegen. Auch bei ihnen wachsen die Mitgliederzahlen. Sie machen viele öffentlichkeitswirksame Aktionen. Es sind weniger Leute als in den großen Städten, die zusammenkommen, aber sie sind da. Wenn ich an 2020 zurückdenke, auch da gab es kleine Städte, sehr ländliche, vorstädtische Gebiete, in denen »Black Lives Matter«-Proteste stattfanden. Ich denke, wir werden mehr davon sehen.
Wie hat sich Ihre politische Arbeit seit Trumps Amtsantritt verändert?
Viele Leute kommen zu uns, weil sie Angst haben und wütend sind. Sie wollen sich engagieren, weil sich so vieles zum Schlechten gewandelt hat. Wir konzentrieren uns derzeit auf die Einarbeitung neuer Mitglieder und versuchen sicherzustellen, dass die Menschen Wege finden, sich für ein Thema zu engagieren, das ihnen wichtig ist, aber auf eine nachhaltige Art und Weise. Wir wollen nicht, dass die Leute ausbrennen. Burnout und Demotivation sind genau das, was die Trump-Regierung und die herrschende Klasse erzeugen wollen.
Erlangt der stille, private Dissens angesichts der Repression zunehmend eine Bedeutung?
Als Chicago DSA sind wir eine öffentliche und legale sozialistische Organisation. Es gab eine Zeit, in der das illegal war. So weit sind wir noch nicht. Es ist zwar ein beängstigender Moment, aber wir werden uns nicht aus der öffentlichen Politik zurückziehen. Unser Ziel ist es, die arbeitende Klasse zu unterstützen, aber auf eine Art, die für Sicherheitsbehörden uninteressant ist. Wenn die Leute sehen, dass Sozialist*innen effektive Gewerkschafter*innen sind, dass sie es sind, die am besten wissen, wie man gegen den Chef vorgeht, dann erzeugt das ein positiveres Verhältnis zum Sozialismus. Wir befinden uns in einem Moment, in dem Bernie Sanders Zehntausende Menschen in Greeley, Colorado, einer abgelegenen und sehr republikanischen Gegend, auf die Straße gebracht hat. Auch wenn ihnen das Wort Sozialismus selbst unangenehm ist, teilen viele unsere politische Linie in Bezug auf Arbeitsbedingungen, öffentliche Güter und dass die Reichen, die zu viel Geld haben, eine Gefahr für die Demokratie darstellen.
Wie können linke Bewegungen an Dynamik gewinnen?
Viele Organisationen standen unter der Regierung von Joe Biden vor massiven Herausforderungen. Einige haben jegliche Kraft verloren. Am Ende läuft es auf die Frage hinaus: Was tut man, um nicht nur gegen die Macht zu agitieren, sondern um selbst Macht zu erlangen? Wir beobachten derzeit einen großen Aufschwung, weil wir mit Menschen in Kontakt treten können, die sehr wütend sind. Lehrer*innen und Krankenschwestern verlieren ihre Arbeit. Arbeiter*innen haben Eltern und Großeltern, die von den Krankenversicherungen abhängig sind. Sie haben große Angst vor Kürzungen.
Gibt es Grund zur Hoffnung für die Demokratische Partei?
Oh mein Gott, die Demokratische Partei. Viele haben die Schnauze voll! Innerhalb der DSA diskutieren wir viel: Sollen wir uns ganz von der Demokratischen Partei trennen? Oder versuchen wir strategisch, mehr Sozialist*innen in den Wahlkampf zu schicken? Die Demokraten müssen sich entscheiden: entweder sie verändert sich komplett, oder sie gehen unter. Es scheint aber, dass sie sich für den Zusammenbruch entschieden haben. Sie sind sehr darauf bedacht, auch weiterhin ihre Wähler*innen zu ignorieren.
Wie steht es also um den Sozialismus in den USA?
Sozialismus ist oft nicht populär, aber sozialistische Ideen sind es. Die Menschen haben ihre materiellen Bedingungen, ihre Arbeitsbedingungen satt. Das liegt an den politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen der herrschenden Klasse. Wir sehen, dass Menschen in die Organisation eintreten, und immer mehr Menschen bezeichnen sich als Sozialist*innen. Gleichzeitig nehmen die Angriffe auf organisierte Linke zu. Wir versuchen einfach, jeden Erfolg mitzunehmen, den wir erringen können. Wir wollen mehr Menschen dazu zu bringen, zu verstehen und anzuerkennen, dass es sich lohnt, ihre Zeit dem Versuch zu widmen, den demokratischen Sozialismus voranzubringen.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.