IWF: Dollar-Hegemonie noch alternativlos

Zu IWF-Frühjahrstagung befeuert die US-Handelspolitik Debatten über die Rolle der Weltwährung

  • Felix Sassmannshausen
  • Lesedauer: 5 Min.
Die von US-Präsidnet Trump anvisierte massive Abwertung des Dollar bereitete Anlegern im April Kopfzerbrechen. Noch sind die Folgen für die Leit- und Reserverwährung nicht absehbar.
Die von US-Präsidnet Trump anvisierte massive Abwertung des Dollar bereitete Anlegern im April Kopfzerbrechen. Noch sind die Folgen für die Leit- und Reserverwährung nicht absehbar.

In seiner am Dienstag veröffentlichten Prognose für die Weltwirtschaft rechnet der Internationale Währungsfonds (IWF) mit »deutlichen Abwärtskorrekturen«, aber nicht mit einer Rezession. IWF-Vorsitzende Kristalina Georgieva forderte die Staaten auf, ihre Haushalte zu konsolidieren und Wachstumshindernisse abzubauen. Die jährliche Frühjahrstagung der Organisation findet bis Samstag in der US-Hauptstadt Washington, DC statt.

Der IWF steht für eine neoliberale Dominanz in der Weltwirtschaft, wobei die USA als größter Kreditgeber eine bedeutende politische Macht haben. Über Jahrzehnte hinweg verpflichtete die Organisation ärmere Länder zu umfassenden Sparprogrammen als Bedingung für Kredite. Dazu zählten Kürzungen bei Sozialausgaben, Privatisierungen und Deregulierung, was laut Kritiker*innen die soziale Ungleichheit in Entwicklungs- und Schwellenländern verschärfte.

Turbulenzen an Anleihe- und Devisenmärkten

IWF-Chefin Georgieva äußerte zu Beginn der Tagung ungewöhnlich kritische Worte gegenüber der US-Administration. Deren Handelspolitik hatte in den vergangenen Wochen an den Finanz- und Devisenmärkten für Turbulenzen gesorgt. Obwohl die US-Währung und Dollar-Anlagen wie US-Staatsanleihen in Zeiten wirtschaftlicher Verwerfungen als sichere Anlagen gelten, verloren Investor*innen aufgrund der Zollankündigungen von Präsident Donald Trump ihr Vertrauen.

In der Folge büßte der Dollar erheblich an Wert ein. Der Wechselkurs gegenüber dem Yen verlor seit dem sogenannten »Liberation Day« knapp sieben Prozent, ähnlich verhält er sich zum Euro. »Auf diesem Niveau war der Dollar seit Ausbruch des Ukrainekriegs nicht mehr«, erklärt Silke Tober, Expertin des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), im Gespräch mit »nd«.

Talfahrt mit globalen Folgen

Das hat globale Folgen. Knapp 60 Prozent der weltweiten Reserven von Zentralbanken oder Staaten sind in Dollar angelegt, während der Euro etwa 20 Prozent ausmacht. Zusätzlich zu den Zöllen werden dadurch Exporte aus Europa in die USA teurer, was unter anderem für europäische Hersteller problematisch ist. Eine Beruhigung der Lage ist derzeit nicht in Sicht.

Dies könnte die konjunkturelle Erholung im Euroraum und in Deutschland erschweren, prognostiziert Tober und betont die Notwendigkeit staatlicher Investitionen. »Die Europäische Zentralbank hat die Verantwortung, bei einer Verschlechterung der Lage die Zinsen weiter zu senken. Die Inflation ist einigermaßen normalisiert«, unterstreicht die IMK-Expertin. Vergangene Woche senkte die EZB den Leitzins für den Euroraum auf 2,25 Prozent.

Die Abwertung des Dollars ist ein erklärtes Ziel der Trump-Regierung. Aufgrund seiner Funktion als Leit- und Reservewährung wird er stark nachgefragt, was zu einer Überbewertung führt. Dadurch sind Exportprodukte US-amerikanischer Unternehmen teurer. In Kombination mit Freihandelsabkommen und geringen Löhnen in Ländern wie China oder Mexiko, in die Firmen ihre Produktion auslagerten, führte dies zur Deindustrialisierung in den USA. Davon profitierten vor allem Unternehmen. Die heutigen Handelskonflikte sind auch eine Folge von Klassenkämpfen, wie der Wirtschaftsjournalist Matthew C. Klein betont.

Unsicherheit im Weltfinanzsystem

Finanzexpertin Tober erklärt, dass es nachvollziehbar sei, den negativen Effekt der Überbewertung des Dollars abzufedern. »Aber durch die erratische und extreme Politik Trumps besteht die Gefahr, dass die Rolle des Dollars als sichere Währung insgesamt ausgehöhlt wird«, sagt sie.

Mit der Dollar-Abwertung ging auch ein massiver Abverkauf von US-Staatsanleihen einher, insbesondere von langfristigen Papieren. Die Lage hat sich zwar etwas beruhigt, aber es gibt Anzeichen für höhere Risikoprämien für Staatsanleihen. Dollar-Anlagen – die Grundlage des globalen Finanzsystems – seien nicht mehr als sicher angesehen worden, schreibt der Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman.

Zwickmühle aus drohender Rezession und Inflation

Das hängt auch mit der hohen Staatsverschuldung in den USA und dem Budgetdefizit von sieben Prozent des Bruttoinlandsprodukts zusammen. Dank des Dollars als weltweite Leit- und Reservewährung konnten sich die USA bislang schier grenzenlos günstig verschulden. »Das ist tragfähig, wenn die Konjunktur kräftig ist. Trump übernahm von der Biden-Regierung eine starke Wirtschaft«, sagt Tober. »Aber es sieht so aus, als würde er sie abwürgen.«

Um auf eine drohende Rezession zu reagieren, würde die US-Zentralbank Federal Reserve (Fed) normalerweise die Zinsen senken. Doch Wirtschaftsexperten gehen davon aus, dass die Zollpolitik die Inflation erheblich steigert. Daher ist die Fed mit Zinssenkungen zurückhaltend, weil sie zu einer Preissteigerung beitragen könnten. Trump kritisierte die Zurückhaltung von Zentralbank-Chef Jerome Powell scharf, was für zusätzliche Unsicherheit sorgt.

Dollar-Hegemonie noch ohne tragfähige Alternative

Verfestigt sich das Misstrauen, könnte der Dollar seine Rolle als Leit- und Reservewährung einbüßen. »Dann könnten wir ein multipolares System erleben«, mahnt Tober an. Aber noch zeichnet sich das nicht ab, auch weil es keine tragfähige Alternative gibt. »Wenn Zentralbanken in China oder Japan vom Dollar weggehen, wo sollen sie hin?«, gibt sie zu bedenken. Dies zeigt sich am Goldpreis, der Rekorde bricht, aber keine Rendite abwirft. »Es geht den Anlegern eher darum, Risiken zu minimieren«, erklärt sie.

Diskutiert wird derzeit, ob der Euro die Lücke füllen könnte. Doch in Europa existiert kein liquider Markt für risikolose Staatsanleihen, wendet Tober vom IMK ein. Außer der EZB gibt es keine Letztsicherung. »Der Euroraum besteht aus 20 Ländern ohne gemeinsame Fiskalpolitik. Seit der Eurokrise gelten nicht alle Staatsanleihen als sicher. Daher eignet sich der Euro nicht als Reservewährung.«

Noch ist die Weltwirtschaft widerstandsfähig, sagte IWF-Chefin Georgieva mit Blick auf die Frühjahrsprognose. »Doch das wird auf die Probe gestellt.« Die Entwicklungen auf den US-Anleihe- und Devisenmärkten sind ihr zufolge ernste Warnungen, »dass alle darunter leiden, wenn sich die finanziellen Bedingungen verschlechtern.« Vor dem Hintergrund forderte sie die US-Regierung zur Rückkehr zu einer planbaren und verlässlichen Handelspolitik auf.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.